Frage an Carsten Sieling von Albrecht Z. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Dr. Sieling,
ich habe sozusagen eine Metafrage zum Fiskalpakt:
Die Berichterstattung im Spiegel erweckt den Eindruck, dass es einflussreiche Personen in der SPD gibt, die darauf dringen, dass die SPD den Fiskalpakt durch Zustimmung im Bundestag ermöglicht. Das erscheint mir überraschend, aus den folgenden Gründen:
1) Sparen, um die Wirtschaft anzukurbeln, funktioniert nicht: öffentliche Ausgaben in Griechenland, Spanien, Italien zu kürzen führt nur zu höherer Arbeitslosigkeit (und damit niedrigerem Steueraufkommen und höherer Arbeitslosenunterstützung, mithin höherem Defizit). Das ist eine Meinung, die sich durchaus auch auf spd.de findet, z.B. im Interview mit Prof. Straubhaar.
2) Die dem Fiskalpakt zugrundeliegenden Ideen und seine Folgen sind eindeutig nicht links: verringerte Sozialausgaben, niedrigere Renten und angehobenes Renteneintrittsalter, Privatisierung von Aufgaben der öffentlichen Hand widersprechen direkt allem, wofür linke Parteien stehen (ganz zu schweigen vom ausgehöhlten Erwerbstätigenschutz, den die Bundesregierung mit ihrem Vorschlag zu Wirtschaftssonderzonen anbringt).
3) Es erscheint mir wahltaktisch unklug - die Motivation der Wähler, für die SPD zu stimmen, wenn sie als politisch identisch mit der CDU wahrgenommen wird, erschliesst sich mir nicht. Präsident Hollande hat in Frankreich gezeigt, dass mit einer klaren Absetzung von der politischen Rechten Wahlkampf zu machen ist und stellt einen idealen Kooperationspartner für eine etwaige rot-grüne Bundesregierung dar. Laut Aussagen des Spiegel hingegen seien wahltaktische Überlegungen der Hauptgrund, auf eine Zustimmung zum Fiskalpakt zu dringen.
Nach dieser langen Vorrede endlich die eigentliche Frage: gibt es in der SPD tatsächlich eine ernstzunehmende Fraktion, die die Zustimmung zum Fiskalpakt befürwortet und wenn ja, was sind ihre Gründe? Wenn nein, wie kommt dann diese Berichterstattung zustande?
Mit Dank im Voraus, A Zimmermann
Sehr geehrter Herr Zimmermann,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.
Zu aller erst: Ich verstehe Ihre Kritik am derzeitigen Fiskalpakt absolut. Eisernes Sparen und Konjunkturerholung lassen sich schwer miteinander vereinbaren. Die derzeitige Rezession nach den Sparbemühungen in den südeuropäischen Staaten verdeutlicht dies. Implikationen der momentanen Sparpolitik sind zusätzlich zu den von Ihnen genannten erhöhten Arbeitslosenquoten und der eben genannten sich verschärfenden Rezession, noch eine aufgeheizte politische und gesellschaftliche Stimmung -- welche unter keinen Umständen außer Acht gelassen werden darf.
Auch ich denke, dass die Reformen, die bisher in den vom EFSF unterstützen Staaten oder in Griechenland, eingeleitet wurden, schwer mit den Ideen einer gerechten Gesellschaft zu vereinbaren sind. Des Weiteren werden allein durch Sozialkürzungen und Privatisierungen nicht die Ursachen der Krise angegangen. Um die Ursachen der Krise anzugehen, benötigt es einerseits einer wirksamen Regulierung des Finanzkasinos und einer gerechten Steuerpolitik. Andererseits der Gewährleistung einer europaweiten, stabilen Nachfrageperspektive. Die Finanzmarkttransaktionssteuer ist hierbei ein wichtiges Instrument. Denn durch ihre Lenkungswirkung hat sie einerseits die Ursachen der Krise im Blick. Andererseits stärkt sie die Einnahmeseite der Staaten. Dies ist unbedingt notwendig, um die Krisenkosten nachhaltig abzubauen und gleichzeitig die Grundlage für die notwendigen Zukunftsinvestitionen und zur Bekämpfung von Armut sicherzustellen. Regulierung und Wachstum müssen bei allen Konsolidierungsanstrengungen mitgedacht werden.
In der SPD gibt es niemanden, der den nackten Fiskalpakt richtig findet. Eine gute Zusammenfassung findet sich in dem gemeinsamen Papier "Der Weg aus der Krise -- Wachstum und Beschäftigung in Europa" von Sigmar Gabriel, Frank-Walther Steinmeier und Peer Steinbrück ( http://www.spdfraktion.de/sites/default/files/troika_der_weg_aus_der_krise.pdf ). In diesem Sinne verhandeln wir unter Hochdruck mit der Regierungskoalition um die Ergänzung des Fiskalpaktes -- um einen Beschäftigungs- und Wachstumspakt, einen Entschuldungsfond, und die Entlastung von Kommunen und Ländern. Unsere Forderung, die Finanzmärkte zur Beteiligung an den Krisenkosten und der Übernahme einer generellen Verantwortung durch eine Finanzmarkttransaktionssteuer heranzuziehen, ist die Regierung nun endlich nach zwei Jahren harten Ringens gefolgt. Ein erster Fortschritt! Damit aber steht noch lange keine Zustimmung zum Fiskalpakt. Dafür muss sich Frau Merkel und ihre CDU/CSU/FDP Koalition auch in den anderen Punkten bewegen. Natürlich gibt es in einer Volkspartei wie der SPD immer auch Einzelstimmen, die andere Vorstellungen haben. Unabhängig davon aber gilt die von mir beschriebene Position, mit der wir auch die Politik des neuen französischen Staatspräsidenten unterstützen wollen, vor allem aber ein stabiles, soziales und demokratisches Europa.
Mit besten Grüßen,
Dr. Carsten Sieling, MdB