Frage an Carsten Sieling von Reinhard T. bezüglich Wirtschaft
Hallo Herr Sieling.
Die Griechenlandhilfe und kein Ende. Gestern habe ich zufällig noch den Rest der Sendung Monitor gesehen und dort wurde ein notwendiger Marshallplan für dieses Land gefordert, so wie wir bei Stunde 0 nach dem 2.Weltkrieg. Ich habe ja noch mitbekommen wie es damals war, als im zerbommten Bremer Westen mit Hilfe des M Plan kleine Reihenhäuser für Kinderreiche Familien gebaut wurden. In eines dieser Häuser ist damals die aus Schlesien stammende Familie meiner Frau untergekommen, damals 5 Personen. Dies war eine Hilfe zur Beseitigung der Wohnungsnot. Für GL sind sicherlich andere Maßnahmen nötig, aber welche, so jetzt meine Frage. ist ein MP auf der politischen Bühne im Gespräch und wie sollte der grundsätzlich aussehen (der Wirtschaftsmin sprach mal von Photovoltaik)
mfG ihr Reinhard Tümmel
Lieber Reinhard Tümmel,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage bei abgeordnetenwatch.de.
Ich finde es sehr wichtig, dass Sie im Zusammenhang mit Griechenland auf die Hilfen des Marshall-Plans verweisen, vom dem wir in Deutschland enorm profitieren konnten. Dies wird aus meiner Sicht in der derzeitigen Debatte viel zu häufig vergessen. Dabei ist es gerade einmal 59 Jahre her, da hat die damals junge Bundesrepublik Deutschland das Londoner Schuldenabkommen unterzeichnet. Nach der moralischen Katastrophe und dem unermesslichen Leid zweier Weltkriege haben damals 70 Staaten, darunter auch Griechenland, einem 50-prozentigen Erlass der deutschen Vor- und Nachkriegsschulden zugestimmt. Dieser Schuldenschnitt war zusammen mit dem Marshall-Plan die Grundlage für den raschen wirtschaftlichen Aufstieg der Bundesrepublik.
Die heutige Situation in Griechenland ist natürlich nicht direkt mit der Nachkriegssituation in Deutschland vergleichbar. Allerdings wird man auch für Griechenland eine ausgewogene Lösung zwischen Schuldenerlass, Stabilisierungsmaßnahmen und Wachstumsimpulsen finden müssen. Denn eins ist ja schon heute offensichtlich: Die einseitigen Sparauflagen, die Frau Merkel Griechenland bisher verordnet hat, hat die Situation in Griechenland nicht verbessert, sondern weiter verschlechtert.
Inzwischen befindet sich Griechenland in einer so tiefen Abwärtsspirale, dass es sich mit ein paar wenigen Einzelmaßnahmen nicht erholen wird. Griechenland braucht ein ganzes Paket an konsistenten Maßnahmen, um zunächst die kurzfristigen Refinanzierungsprobleme zu lösen und mittelfristig das Vertrauen in die eigene Wirtschaftskraft wieder herzustellen. Hierzu zählt sicherlich auch eine Art Marshall-Plan, der aus meiner Sicht zunächst vor allem die bereits existierenden kleinen und mittleren Unternehmen mit der notwendigen Liquidität versorgen sollte. Denn die einseitigen Sparzwänge haben längst dazu geführt, dass täglich weitere Unternehmen und Gewerbetreibende das Handtuch werfen müssen. Dies liegt nicht nur daran, dass die Bevölkerung immer weniger Kaufkraft in der Tasche hat. Es ist ein Teufelskreis: Die wegbleibende Kundschaft trübt die Wachstumsaussichten und dies führt wiederum dazu, dass die Banken den Unternehmern immer weniger Kredite zur Verfügung stellen. Damit wird die bereits existierende Substanz der griechischen Wirtschaft stückweise immer stärker ausgehöhlt, anstatt die bereits existierende Wirtschaftsstruktur gerade jetzt in einem ersten Schritt zunächst einmal zu stärken.
Mittelfristig sollte ein griechischer Marshall-Plan aber auch für dringend notwendige Zukunftsinvestitionen eingesetzt werden. Hier könnte ein Ausbau der alternativen Energieproduktion sicherlich einen wichtigen Impuls darstellen. Darüber hinaus sollte der Öffentliche Dienst aber nicht abgebaut, sondern vielmehr gestärkt werden. Es ist einfach nicht wahr, dass der Öffentliche Dienst in Griechenland überdimensioniert ist. Laut OECD ist der Anteil der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst und in Öffentlichen Unternehmen an den gesamten Beschäftigten in Griechenland zwischen 2000 und 2008 leicht von ca. 7 Prozent auf 8 Prozent gestiegen. In Deutschland lag der Anteil 2008 etwas unter 10 Prozent, in Frankreich bei über 20 Prozent und im OECD-Durchschnitt bei ca. 15 Prozent. Gerade um auch in Zukunft eine gute Ausbildung zu gewährleisten, muss mit den einseitigen Entlassungen im Öffentlichen Dienst endlich Schluss sein.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Carsten Sieling, MdB