Frage an Carsten Sieling von Reinhard T. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Sieling.
Heute hat der bekannte Prof Hickel einen Kommentar zum Eurobonds abgegeben, Eurobonds- Ein Instrument zur Stabilisierung, so die Überschrift im WK. Meine Frage nun: Was halten Sie von Eurobonds.
Sehr geehrter Herr Tümmel,
ich bin für die Einführung von Eurobonds, wie sie der Volkswirt Jakob von Weizsäcker vorgeschlagen hat. Sein Modell sieht vor, dass die Staatsschulden als europäi-scher "Blue Bond" mit gemeinsamer Haftung des europäischen Steuerzahlers nur bis maximal 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausgegeben werden dürfen. Was darüber hinausgeht - nach dem Maastrichter Vertrag also eine übermäßige Verschuldung der Mitgliedstaaten darstellt - dürfte weiter nur als nationale Schuld emittiert werden, als "Red Bond". Mit dem europäischen „Blue Bond“ würde das Vertrauen in den Euro gestärkt, außerdem entstünde ein hoch liquider Markt für europäische Staatsverschuldung. Die Zinsen auf den „Blue Bond“ könnten deshalb sogar niedriger ausfallen als die auf deutsche Staatsanleihen heute.
Die Funktion der „Red Bonds“ hat von Weizsäcker sehr anschaulich mit dem Selbstbehalt bei der Autoversicherung verglichen: Ohne den Selbstbehalt könnte der Euro-Bond zu einer fiskalischen Vollkaskomentalität in der Euro-Zone führen. Die Zinsen auf den Red Bond wären so weiter hoch. Das stärkt die Haushaltsdisziplin in der Euro-Zone.
Gleichzeitig brauchen wir aber in Europa auch weitreichende politische Reformen, so zum Beispiel eine besser abgestimmte Finanzpolitik in den Eurostaaten und einen intelligenten „Haircut“, also einen teilweisen Forderungsverzicht für die Gläubiger der überschuldeten Staaten. Nur diese Mischung kann Stabilität wiederherstellen. Zu lange hat Europa auf wirtschaftliche Integration gesetzt und die politische Integration auf die lange Bank geschoben. Deshalb müssen die europäischen Institutionen so gestärkt werden, dass sie die Stabilität der Haushalte und Volkswirtschaften strenger kontrollieren können. Und wir brauchen gemeinsame Mindeststandards im Hinblick auf die Lohn- und Sozialpolitik sowie die Kapital- und Unternehmensbesteuerung.
Die Bundesregierung hat es seit Monaten versäumt, einen substanziellen Vorschlag einzubringen, welche Konsequenzen aus der Finanzkrise gezogen werden müssen. Das hat nicht nur dem Ansehen Deutschlands massiv geschadet. Durch ihr Zaudern sind die Märkte verunsichert und die Risikoprämien für die Problemstaaten steigen weiter.
Zu lange hat Berlin gebremst und verhindert den Finanzmärkten ein unmissverständliches Signal zu geben: Am Bestand des Euros und der Integrität des Euroraums bestehen keinerlei Zweifel. Damit ist die Aufgabe bestimmt: kein kleinmütiger Streit um Eurobonds, sondern die Einrichtung einer koordinierten Finanz– und Wirtschaftspolitik in Europa.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Carsten Sieling, MdB