Frage an Carsten Sieling von Gregor E. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Dr. Sieling,
zusammen mit einem Schulkameraden befasse ich mich im Rahmen einer Seminarbeit mit Thilo Sarrazin und seinen Thesen.
Deswegen haben wir an Sie folgende Fragen:
- Wie stehen SIe zu seinen Thesen in Bezug auf Integration und der sozialen Unterschicht?
- Wie stehen Sie zu seinem geplanten Parteiausschluss?
Wir würden uns sehr über eine Antwort von Ihnen freuen!
M.f.G.
G. Erdtmann
Sehr geehrter Herr Erdtmann,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich leider erst jetzt beantworten kann.
Ich bitte Sie um Verständnis.
Zu Ihren Fragen:
Das Buch von Herrn Sarrazin handelt im Kern nicht von Integration. Es geht vielmehr um ein „oben“ und „unten“ innerhalb einer Gesellschaft, was sich nach Herrn Sarrazins Ansicht auch biologisch begründen lässt. So behauptet er, dass die Anhörigkeit zu einer sozialen Schicht überwiegend mit vererbter Intelligenz zu tun habe. Einflussfaktoren wie Einkommensverhältnisse, Bildung, Sozialstatus, kulturelle Prägung, Integration oder Desintegration in den Arbeitsmarkt sind für Herrn Sarrazin zu vernachlässigende Restgrößen.
Der Erfolg oder Misserfolg einer Gesellschaft hängt also davon ab, dass die „richtigen“ Menschen viele Kinder bekommen, um ihre Intelligenz zu vererben. Das Einstehen unserer Solidargemeinschaft durch Sozialhilfe für die Schwächsten unserer Gesellschaft führe im Endeffekt nur dazu, dass die „falschen“ Menschen, also die unteren Schichten, die Möglichkeit erhalten, Kinder zu ernähren.
Die kruden Thesen des Herrn Sarrazin gehen sogar soweit zu behaupten, dass die in Süddeutschland lebenden Menschen einen höheren IQ besitzen, als die Norddeutschen. Würden sich Süddeutsche und Norddeutsche „vermischen“, so würde nur die durchschnittliche Intelligenz der Süddeutschen sinken.
Insgesamt betrachtet seien persönlicher Erfolg und Mißerfolg genetisch angelegt. Für Herrn Sarrazin steht fest, „dass Menschen unterschiedlich sind - nämlich intellektuell mehr oder weniger begabt, fauler oder fleißiger, mehr oder weniger moralisch gefestigt - und dass noch so viel Bildung und Chancengleichheit daran nichts ändert.“ (S. 9.)
Mit diesen Aussagen hat Herr Sarrazin endgültig vom gemeinsamen Wertekanon der Sozialdemokratie verabschiedet.
Aus diesem Grund befürworte ich auch das Parteiordnungsverfahren gegen Herrn Sarrazin, an dessen Ende auch ein Parteiausschluss stehen kann. Ich fände es jedoch besser, wenn Herr Sarrazin die Sozialdemokratische Partei Deutschlands freiwillig verlassen würde.
Grundsätzlich empfehle ich Ihnen die Lektüre „Welch hoffnungsloses Menschenbild!“ von Sigmar Gabriel in „Die Zeit“ vom 16. September 2010 sowie „Drehen und dehnen, bis es passt“ in der Süddeutschen Zeitung vom 11. Januar 2011.
Mit freundlichen Grüßen
Carsten Sieling, MdB