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Carsten Sieling
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Frage von Michael W. •

Frage an Carsten Sieling von Michael W. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Sieling,

als Student der Betriebswirtschaft der eventuell in der Finanzdienstleistung seine berufliche Zukunft sieht würde ich gerne die Position von Ihnen und Ihrer Partei zur aktuellen Debatte im Finanzausschuss über die Regulierung von Finanzdienstleistern erfahren.

Unterstützen Sie die Banken und sonstige Provisionsberater denen neuerlich wieder mit einem Stiftung Warentest Urteil "mangelhaft" testiert wurde dass ihnen alles am Herzen liegt außer das Wohl der Kunden oder unterstützen sie die kleine innovative Bewegung der unabhängigen Kapitalanlageberatung / Honorarberatung?

Wenn sie Zweitere unterstützen, wie wollen sie die Gesetzgebung zu deren Regulierung gestalten?
Wollen sie aktuelle gesetzliche Misstände die jedem ehrlichen Berater fast unüberwindbar hohe Hürden in den Weg stellen beibehalten und ihnen noch zusätzlich den Lebensunterhalt durch den Vertrieb offener Fonds wegnehmen und diesen Zweig in die Hände der großen Provisionsberater legen?
Oder wollen sie ermöglichen dass sich fair geprüfte, qualifizierte Personen schon mit weniger als 100.000€ selbstständig machen und im Interesse der Kunden gegen die Provisionsberatung antreten können?

Vielen Dank im Vorraus für Ihre Bemühungen sich mit diesem wenig öffentlichen aber für das wohlergehen aller Sparer wichtigen Fragestellung zu beschäftigen.

Mit freundlichen Grüßen

M. Weidner

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Weidner,

vielen Dank für Ihre Frage vom 3. August 2010.

Sie sprechen mit ihrer Frage mehrere wichtige und drängende Themen an, auf die ich Ihnen gern ausführlich antworten will.

Erstens: Wie können wir die Anlegerinnen und Anleger vor Bankberatern schützen, die nur ihre Provisionen im Sinn haben und ihnen für ihr Geld Finanzprodukte empfehlen, die für sie nicht geeignet sind oder auf ihre persönliche Situation gar nicht passen?

Zweitens: Wie können wir die Anlegerinnen und Anleger darüber hinaus vor unserösen Anbietern und Beratern schützen, die mit besonders risikoreichen oder gar betrügerischen Geschäftsmodellen großen Schaden hervorrufen ohne die Branche der freien Vermittlerinnen und Vermittler übermäßig zu belasten?

Zunächst: Die SPD hat sich schon sehr früh für neue Regelungen im Bereich des Anlegerschutzes ausgesprochen. In der letzten Legislaturperiode haben wir einige Verbesserungen erreicht: Die Verjährung bei Schadensersatzansprüchen gegen die Bank bei Falschberatung wurde von drei auf zehn Jahre verlängert, ein Beratungsprotokoll ist jetzt bei jeder Anlageberatung – auch am Telefon- Pflicht. Aber wir müssen feststellen, dass diese Regelungen noch nicht ausreichen. Tests haben ergeben, dass Beratungsprotokolle entweder gar nicht oder jedenfalls nicht rechtzeitig von den Banken herausgegeben wurden oder der Berater selbst fundamentale Tatsachen über den Anleger nicht erfragt hat.

Deshalb hat die SPD-Bundestagsfraktion unter meiner Federführung vor der Sommerpause ein Gesamtkonzept zur Stärkung des Verbraucherschutzes bei Finanzdienstleistungen erarbeitet, das im Moment im Bundestag beraten wird. Darin schlagen wir eine ganze Reihe von Maßnahmen und Verbesserungen vor, in deren Mittelpunkt der oder die Einzelne mit seiner oder ihrer konkreten Lebenssituation steht. Wir nennen dieses Paket „Finanz-TÜV“.

Darin fordern wir standardisierte Informationsblätter für Finanzprodukte, damit die Anleger zwischen den einzelnen Produkten vergleichen können. Angaben wie seine Risiken oder die Höhe der Provisionen für den Verkäufer müssen künftig klar erkennbar sein. Wir wollen, dass die Beratungsprotokolle noch besser darüber Auskunft geben, was der Anleger eigentlich will. Schluss sein muss auch damit, dass Anlageberater nur auf ihre Provision schielen. Dazu schlagen wir die Schaffung eines Berufsbildes „zertifizierter Finanzberater/zertifizierte Finanzberaterin“ und einer Honorarordnung für Finanzberater vor. Parallel dazu sollte wie in den Niederlanden die provisionsabhängige Beratung durch eine Deckelung der Abschlussprovisionen auf maximal 50 Prozent der Gesamtvergütung verbessert werden.

Sie sprechen in Ihrer Frage das Problem der Ausdehnung des Finanzinstrumentebegriffes des Kreditwesengesetzes (KWG) auf Produkte des sogenannten „Grauen Kapitalmarktes“, insbesondere auf (geschlossene) Fonds an. Dabei befürchten Sie, dass durch die Einstufung der Fonds als Wertpapiere im Sinne des KWG für eine Reihe von freien Vermittlern unüberwindbare Hürden in der Berufsausübung für viele Vermittlerinnen und Vermittler entstehen.

Zunächst: Ich bin dafür, dass das Schutzniveau im Bereich von Fonds für Anlegerinnen und Anleger nachhaltig erhöht wird. Nach Schätzungen der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. investieren private Anleger jährlich 40 bis 50 Mrd. Euro in Produkte des sog. „Grauen Kapitalmarktes“. Dieser ist, weil weitgehend nicht reguliert und beaufsichtigt, für die Verbraucherinnen und Verbraucher besonders risikoreich. Unseriöse Anbieter und Vermittler bringen Kunden, die beispielsweise eine lukrative Altersvorsorge anstreben, über Schneeballsysteme oder sogar mit Fantasieprodukten wie Depositendarlehen (zins- und tilgungsfreie Kredite) im schlimmsten Fall nicht nur um die Vermögenserträge, sondern auch um ihre ursprünglichen Kapitaleinlagen. Spektakuläre Fälle wie die Insolvenz der Phoenix Kapitaldienst GmbH mit rund 30.000 betrogenen Anlegerinnen und Anlegern und einem Gesamtschaden von über 200 Mio. Euro oder der Skandal um die Göttinger Gruppe Vermögens- und Finanzholding GmbH & Co. KGaA mit geschätzten 200.000 Geschädigten sind nur die bekanntesten Einzelfälle.

Für mich ist die künstliche Trennung hinsichtlich der Anforderungen an Beratung, Qualifikation der Berater, Information des Kunden, Offenlegung der Provisionen, Prüfung der Eignung des Produktes oder der Organisation des Unternehmens für Finanzinstrumente nach dem KWG bzw. des Wertpapierhandelsgesetzes und dem Vertrieb von Fonds aus dem Graumarktbereich angesichts der Komplexität der Fonds nicht nachvollziehbar.

Es muss schließlich auch im Interesse der vielen seriösen (freien) Vermittlerinnen und Vermittler sein, diejenigen Anbieter vom Markt zu drängen, die eine ganze Branche in Verruf bringen können. Nach den Fondsdebakeln der letzten Jahre können zusätzliche gesetzliche Regelungen auch verloren gegangenes Vertrauen der Anleger wiederherstellen.

Ich bin mir bewusst, dass die gesetzlichen Neuregelungen auch mit zusätzlichen Belastungen für die freien Vermittler in Deutschland verbunden sind. Deshalb müssen wir in den kommenden parlamentarischen Beratungen auf beides achten: ausreichender Schutz der Anlegerinnen und Anleger und die Möglichkeit der Berufsausübung für freie Vermittlerinnen und Vermittler.

Leider verzögert die Bundesregierung jegliche Diskussion im Bereich des Anlegerschutzes seit Monaten. Verbraucherschutzministerin Aigner hat bisher zu diesem Thema wenig bis gar nichts beigetragen und der Diskussionsentwurf von Finanzminister Schäuble ist nach dem Widerstand der Finanzbranche wieder in der Schublade verschwunden. Wie mir die Bundesregierung auf eine schriftliche Frage mitteilte, sei nicht vor Frühjahr 2011 mit einer Verabschiedung des Gesetzentwurfes zu rechnen. Einen Presseartikel zu dieser bitteren Niederlage für alle Anlegerinnen und Anleger finden Sie Sie hier. ( http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/koalition-uneins-bundesregierung-legt-besseren-anlegerschutz-auf-eis;2630464 )

Den Antrag der SPD zur Verbesserung des Anlegerschutzes bei Finanzdienstleistungen können Sie hier nachlesen. ( http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/021/1702136.pdf )

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Carsten Sieling, MdB