Frage an Carsten Schneider von Thomas S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Schneider,
alle reden derzeit über Konjunkturpakete. Über deren bleibenden Auswirkungen redet keiner. Natürlich muss der Staat in der Krise die entstehenden Defizite hinnehmen und auch die Konjunktur anschieben mit Infrastrukturprogrammen und Kaufkraftstärkungen. Aber es ist ja nicht so, dass nach der Wirtschaftskrise der Bundeshaushalt plötzlich wieder voll konsolidiert.
Wenn man in den Urlaub fährt z.B. nach Dänemark und Schweden, fällt einem eines sofort auf: sämtliche öffentlichen Anlagen des Staates sind in einem ausgezeichneten Zustand, ob Straßen, Brücken, Tunnel, Schulen, Pflegeheime, Rathäuser usw. In Deutschland dagegen macht sich der Verfall breit: Als Mitarbeiter eines städtischen Betriebes weiß ich dies sehr genau einzuschätzen.
Der Investitionsstau ist riesig. Grund sind vor allem - so leid es mir tut, dies auszusprechen - die Steuersenkungen und Konsolidierungsmaßnahmen der letzten Jahre. Sie schädigen die Städte und Gemeinden langfristig und führen wohl auch zu einem Wettbewerbsnachteil Deutschlands gegenüber dem Ausland. An der Zukunft versündigt sich nicht der, der in Beton und Köpfe investiert und dafür Schulden aufnimmt. Für was würden sie einen Unternehmer halten, der auf Investitionen verzichtet, nur weil er sich dann verschulden muss?
Der Kredit ist Motor unseres Wirtschafssystems und kein Übel. Warum schreibe ich das? Vermutlich werden die Regierenden schon bald wieder die Investitionen zurückfahren um die Staatsschuld zu senken. Der Investitionsstau bleibt, das Wirtschaftswachstum nimmt ab, die Einkommen wachsen langsamer, also auch die Renten.
Wenn Sie einen schwedischen Kommunalpolitiker fragen, warum er so viel gutes für seine Gemeinde tun kann, dann wird er antworten: Wir haben eine Mehrwertsteuer von 25 %. Deutschland hat 19 %. Müssen nicht die Steuern erhöht statt gesenkt werden, wie dies populistisch mittlerweile fast jede Partei fordert? Lohnnebenkostensenkungen gehören in die selbe Kategorie.
Liebe Grüße, Thomas Schäfer
Sehr geehrter Herr Schäfer,
ich denke nicht, dass der Grund für einen gewissen Investitionsstau in Deutschland in erster Linie die Steuersenkungen und Konsolidierungsmaßnahmen der letzten Jahre sind, wie Sie schreiben. Vielmehr ist es so, dass die zumindest im Bundeshaushalt eingestellten Ausgaben für Investitionen in den vergangenen vier Jahren jeweils leicht angestiegen, im Mindesten aber gleich geblieben sind und in etwa bei 24 Mrd. Euro jährlich liegen.
Mit dem zweiten Konjunkturpaket, das die Bundesregierung nun aufgrund des "Steinmeier-Planes" verabschiedet und vorgestellt hat, werden insgesamt 13,3 Mrd. Euro für Investitionen in den Kommunen zur Verfügung gestellt. Weitere 4 Mrd. Euro investiert der Bund unmittelbar. Zusammen mit den Investitionsmaßnahmen des ersten Konjunkturpaketes - ich erinnere hier an die zwei Milliarden Euro schwere Verstärkung der Investitionsmittel in Straße, Schiene und Wasserstraße, aber auch an die Verstärkung der Städtebauprogramme und Sanierungsinvestitionen - werden insgesamt Investitionen in Infrastruktur, Arbeit, Umwelt und Energie deutlich erhöht.
Im Übrigen teile ich Ihre Auffassung nicht, dass Steuern und Lohnnebenkosten erhöht werden sollten. Richtig ist, dass eine weitere Steuersenkung zunächst nicht in Betracht kommt. Schon die jetzigen Forderungen gerade der CSU habe ich für unvertretbar gehalten. Der Kompromiss mit den Unionsparteien an dieser Stelle ist kein leichter. Richtig ist aber, die Lohnnebenkosten konsequent dort zu senken, wo es möglich ist. Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden so in gleicher Weise entlastet. Eine Senkung bedeutet hier ein echtes Mehr an Netto vom Brutto, ohne dass Steuereinnahmen wegbrechen würden, und zugleich eine Stärkung der Wirtschaftskraft und des Konsums, die die Steuereinnahmen sogar eher erhöhen dürfte.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Carsten Schneider