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Carsten Schneider
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Frage von Jürgen K. •

Frage an Carsten Schneider von Jürgen K. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Schneider,

gemäß dem Schuldrechtsanpassungsgesetz von 1994 ist der Investitionsschutz für Garagennutzer auf fremden Grund am 31.12.2006 beendet worden.

Als Eigentümer einer Garage auf ehemaligen Grund der KOWO-Erfurt wurde auch meine Garage zum 31.03.2007 gekündigt. Finden Sie es nicht auch eine riesige Ungerechtigkeit, dass die ehemaligen Garagenbesitzer ( in unseren Fall in Erfurt, Roststraße) nicht nur keine Entschädigung für ihr Eigentum an den Garagen bekommen, sondern jetzt vom neuen Eigentümer des Grundes (Hausverwaltungsgesellschaft mbH, Mühlhausen) noch mit der Hälfte der Abrisskosten für ihre Garagen belangt werden sollen?

Warum konnte es zu keinen Interessenausgleich zwischen Garagenbesitzern und Grundstückseigentümern kommen und wie hat sich ihre Partei zu diesem Enteignungsgesetz verhalten?

Wie würden Sie sich an meiner Stelle bzw. an Stelle der übrigen Betroffenen (zumeist Rentner) fühlen, bzw. wie würden Sie reagieren?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Knechtel,

im Zuge der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten mussten für die offenen Eigentums- und Vermögensfragen gesetzliche Lösungen im Interesse der Betroffenen gefunden werden. Das unübersichtliche Erbe des sozialistischen Staats- und Gesellschaftssystems der DDR war in die soziale Marktwirtschaft und die Rechtsordnung der Bundesrepublik zu überführen. Das ist unter anderem mit dem zum 1. Januar 1995 in Kraft getretenen Schuldrechtsanpassungsgesetz geschehen. Es galt, in den fünf neuen Bundesländern eine Fülle schwieriger rechtlicher Einzelprobleme zu regeln und im Sinne des Einigungsvertrags die in der DDR bestehenden Nutzungsverhältnisse im Interesse der Nutzer zu erhalten. Als die SPD 1998 an die Regierung kam, wollte sie die Bedingungen für die Grundstücksnutzer verbessern. Doch dann erklärte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1999 Teile des Schuldrechtsanpassungsgesetzes für verfassungswidrig beziehungsweise mit dem Grundgesetz unvereinbar, woraufhin der Deutsche Bundestag gezwungen war, im Jahr 2002 eine Gesetzesänderung zu beschließen, die unserer ursprünglichen Intention nicht entsprach. Leider hatten wir in dieser Frage aus juristischen Gründen keine andere Wahl. Aus diesem Grund kann ich ihren Unmut sehr gut nachvollziehen. Ich möchte Ihnen erläutern, wie sich die Rechtslage aus meiner Sicht derzeit darstellt.

Das Schuldrechtsanpassungsgesetz ist insbesondere anwendbar auf Nutzungsverträge zur Erholung, aufgrund derer der Nutzer auf fremden Grundstücken eine Baulichkeit (eine Datsche, Garage usw.) errichten konnte. Diese Nutzungsverträge werden durch das Schuldrechtsanpassungsgesetz in Miet- und Pachtverträge umgewandelt. Es handelt sich hier also um Übergangsrecht. Der vertraglich berechtigte Nutzer war auch zu DDR-Zeiten Besitzer auf Zeit. Nutzungsverträge konnten auch nach dem Recht der DDR vom Grundstückseigentümer gekündigt werden. An weitergehende Ansprüche war für den Personenkreis der Nutzer auch in der DDR nie gedacht.

Grundsätzlich besteht nach allgemeinem Miet- und Pachtrecht die Verpflichtung zur Rückgabe der Mietsache in ihren ursprünglichen Zustand. Vom Nutzer müssen also selbst errichtete Bauwerke auf seine Kosten beseitigt werden. Von diesem Grundsatz macht das Schuldrechtsanpassungsgesetz zum Schutze der Nutzer für eine Übergangszeit eine Ausnahme: Der Nutzer ist bei Vertragsbeendigung zur Beseitigung eines entsprechend den Rechtsvorschriften der DDR errichteten Bauwerks nicht verpflichtet. Der Nutzer hat jedoch nach § 15 Schuldrechtsanpassungsgesetz die Hälfte der Kosten für den Abbruch des Bauwerks zu tragen, wenn erstens das Vertragsverhältnis vom Nutzer selbst gekündigt wird oder er dem Grundstückseigentümer durch sein Verhalten Anlass zur Kündigung aus wichtigem Grund gegeben hat oder ihm nach Ablauf der Investitionsschutzfrist (bei Garagengrundstücken nach dem 31. Dezember 2006) vom Grundstückseigentümer gekündigt wird und zweitens der Abbruch innerhalb eines Jahres nach Besitzübergang auf den Eigentümer vorgenommen wird.

Darüber hinaus hat der Grundstückseigentümer nach § 15 Schuldrechtsanpassungsgesetz dem Nutzer den beabsichtigten Abbruch des Bauwerks rechtzeitig anzuzeigen. Der Nutzer ist berechtigt, die Beseitigung selbst vorzunehmen oder vornehmen zu lassen.

Ziel des Schuldrechtsanpassungsgesetzes ist es, die widerstreitenden Interessen von Nutzern und Grundstückseigentümern auszugleichen. In der Frage der Abbruchkosten erfolgt dies in Form einer Entlastung der Nutzer, die nach allgemeinem Miet- und Pachtrecht die Abbruchkosten hätten ganz allein tragen müssen.

Ihrer Frage ist leider nicht zu entnehmen, ob der Eigentümer des Grundes Sie vorab über den bevorstehenden Abbruch ihrer Garage informiert und ihnen die Gelegenheit gegeben hat, den Abbruch selbst vorzunehmen. Sollte der Eigentümer den Abbruch nicht innerhalb eines Jahres nach Besitzübergang auf den Eigentümer vorgenommen haben, entfällt zudem die Verpflichtung des Nutzers, die Hälfte der Abbruchkosten zu tragen. Sollte ihre Garage also - wie Sie schreiben - bereits zum 31.3.2007 gekündigt und in den Besitz des Grundstückseigentümers übergegangen sein und der Garagenabbruch im Anschluss daran nicht innerhalb eines Jahres erfolgt sein, hätten Sie keine Abrisskosten zu tragen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Carsten Schneider

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