Frage an Carsten Schneider von Jürgen W. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Schneider,
einem Artikel in der FAZ entnehme ich, daß Sie den Hinweis des Herrn Professor Hans Werner Sinn auf die Target-Problematik als Panikmache bezeichnet haben. In Anbetracht der dezidierten Darstellung dieser Problematik in seinem Buch "Die Targetfalle" und der aktuellen Aufforderung Ihres Kanzlerkandidaten an die Regierung Merkel, die Karten über die Finanzierungsrisiken endlich offen zu legen meine ich doch: Sie sollten Ihr Urteil nochmals überdenken.
Das Targetsystem kann nur funktionieren, wenn über die Notenbanken ausgeglichene Zahlungsströme fließen. Das dies nicht der Fall ist, beweisen die Rettungsschirme.
Ich möchte Sie deshalb fragen:
Können Sie sich vorstellen, daß bei den riesigen Schuldenvolumen der GIIPSZ-Staaten diese Symmetrie in absehbarer Zeit je wieder erreicht werden kann?
Mit bestem Dank
Jürgen Walther
Sehr geehrter Herr Walther,
vielen Dank für Ihre Fragen, die ich gerne beantworte.
Ich stimme Ihnen zu, dass die Regierung Merkel endlich einmal die Karten über die Finanzierungsrisiken für Deutschland offen auf den Tisch legen muss. Wir haben gerade bei der Freigabe weiterer Gelder für Griechenland im Rahmen der EFSF-Finanzhilfe gesehen, dass die Trickserei und Behauptung der Regierung Merkel, es entstünden für Deutschland keine Kosten, schlichter Unsinn ist.
Das Target-II-System der Europäischen Zentralbank (EZB), dass Sie ansprechen, steht aber nicht in Verbindung mit den Rettungsschirmen EFSF und ESM. Ziel der Rettungsschirme ist, Euro-Mitgliedstaaten Finanzhilfen zur Verfügung zu stellen, wenn und soweit sie sich nicht alleine am Kapitalmarkt finanzieren können. Das Target-System hat eine andere Zielrichtung.
Das Buch von Prof. Dr. Werner Sinn, das Sie ansprechen, beschäftigt sich mit dem Target-II-Ausgleichssystem der Europäischen Zentralbank (EZB). Prof. Dr. Sinn sieht in diesem Ausgleichsmechanismus für Zahlungsbilanzen eine große Gefahr für den Euro insgesamt. Ich teile diese Auffassung nicht. Die Target-Salden sind letztlich ein Fieberthermometer der Finanzmarktkrise und des Nichtfunktionierens des Interbankenmarktes. Im Norden der Euro-Zone, insbesondere in Deutschland, wird sehr viel Geld bei den Banken eingelegt oder angelegt, das aus dem Süden stammt. Die Forderungen, die dadurch entstehen, wären nur dann ein Risiko, wenn sie fällig gestellt würden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Euro-Zone auseinander bräche oder ein Mitgliedstaat die Euro-Zone verließe. Im letzten Fall wäre die Forderung aber nicht verloren, sondern müsste in eine andere Währung transferiert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Carsten Schneider