Frage an Carsten Schneider von Lars H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Wie stehen Sie als MdB zu dem verfassungswidrigen Versuch der CDU-Familienministerin, ( kinderleicht zu umgehende ) DNS Sperren zu errichten, nicht verifizierbare BKA-Sperrlisten in Anwendung zu bringen ? Warum werden solche Verbrecherseiten nicht auf Basis vorhandener Gesetze von den (deutschen ) Servern gelöscht. Können Sie mir sagen, was mit irrtümlich derartige Seiten aufrufenden Surfern geschehen soll. Eine irgendwie erfaßte IP- Adresse kann die strafverfolgende Behörde nicht in zur Tatermittlung nutzen . Was sagen Sie allgemein zur fachlichen Qualifikation der Entscheidungsträger -und -Vorbereiter ? Haben Sie schon von OpenDNS, TOR, JAP gehört ?
Sehr geehrter Herr Harder,
sexuelle Gewalt gegen Kinder ist ein abscheuliches Vergehen. In den vergangenen Jahren haben wir deshalb das Herstellen, die Verbreitung und den Besitz von Kinderpornografie lückenlos unter Strafe gestellt. Die Verbreitung von Kinderpornografie hat insbesondere im Internet in den vergangenen Jahren dramatisch zugenommen. Gleichzeitig ist eine Tendenz zu immer jüngeren Opfern festzustellen. Der kommerziellen Verbreitung über das Internet darf nicht tatenlos zugesehen werden.
Klar ist, dass wir uns in einem Spannungsfeld zwischen dem notwendigen Kampf gegen Kinderpornografie im Internet und Freiheitsrechten der Bürgerinnen und Bürger bewegen. Deshalb gibt es berechtigte Vorbehalte gegen das Gesetz. So ist nicht von der Hand zu weisen, dass hier eine Infrastruktur und eine Verfahrensweise eingerichtet werden, die theoretisch auch für andere Internetseiten verwendet werden können, auch wenn das jetzige Gesetz dies explizit ausschließt. Dagegen finde ich das Argument der Kritiker schwach, die Sperren seien leicht zu umgehen. Schließlich geht es vor allem auch darum, die Hemmschwelle, die in den letzten Jahren deutlich gesunken ist, wieder zu erhöhen.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat durchgesetzt, dass es zum Gesetzentwurf am 27. Mai eine Anhörung des Wirtschaftsausschusses gab. Anschließend hat der endgültige Beschluss auf Druck der SPD folgende Änderungen gebracht, die ich begrüße.
1. "Löschen vor Sperren":
Die Regelung kodifiziert den Grundsatz "Löschen vor Sperren". Danach kommt eine Sperrung durch die nicht verantwortlichen Internet-Zugangsvermittler nur dann in Betracht, wenn eine Verhinderung der Verbreitung der kinderpornografischen Inhalte durch Maßnahmen gegenüber dem Verantwortlichen nicht möglich oder nicht in angemessener Zeit Erfolg versprechend ist.
2. Kontrolle der BKA-Liste:
Die Neuregelung nimmt den Wunsch nach mehr Transparenz auf und etabliert ein unabhängiges Expertengremium beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Mit Blick auf die vornehmlich juristischen Aufgaben, nämlich zu bewerten, ob Inhalte die Voraussetzungen des § 184 b StGB erfüllen, muss die Mehrheit der Mitglieder des fünfköpfigen Gremiums die Befähigung zum Richteramt haben. Die Mitglieder sind berechtigt, die Sperrliste jederzeit einzusehen und zu überprüfen. Mindestens einmal im Quartal erfolgt zudem zusätzlich auf der Basis einer relevanten Anzahl von Stichproben eine Prüfung, ob die Einträge auf der Sperrliste den Voraussetzungen des Paragrafen 1 Satz 1 erfüllen. Sollte die Mehrheit des Gremiums zu der Auffassung kommen, dies sei nicht der Fall, hat das Bundeskriminalamt den Eintrag bei der nächsten Aktualisierung von der Liste zu streichen. Das Expertengremium soll vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit für die Dauer der Geltung des Gesetzes (31. Dezember 2012) bestellt werden.
3. Datenschutz:
Das Gesetz dient ausschließlich der Prävention. Verkehrs- und Nutzungsdaten, die aufgrund der Zugangserschwerung bei der Umleitung auf die Stopp-Meldung anfallen, dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden. Damit wird auch ausgeschlossen, dass sich durch Spam-Mails fehlgeleitete Nutzer/innen einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sehen könnten. Zudem ist keine Speicherung personenbezogener Daten bei den Internetprovidern mehr vorgesehen.
4. Spezialgesetzliche Regelung:
Die im Gesetzentwurf bisher für das Telemediengesetz vorgeschlagenen Regelungen zur Zugangserschwerung werden in eine spezialgesetzliche Regelung überführt. Ausschließliches Ziel des Gesetzes ist die Erschwerung des Internetzugangs zu kinderpornografischen Inhalten. Mit dem neuen Regelungsstandort in einem besonderen Gesetz soll noch deutlicher werden, dass eine Zugangserschwerung auf weitere Inhalte ausgeschlossen bleiben soll. Der Änderungsantrag geht damit auf die vielfach geäußerten Befürchtungen ein, die Zugangserschwerung könnte mittelfristig weiter ausgedehnt werden.
5. Befristung:
Die Geltungsdauer des Gesetzes ist bis zum 31.12.2012 befristet. Auf der Grundlage der nach zwei Jahren vorzunehmenden Evaluierung wird der Gesetzgeber in die Lage versetzt, zu prüfen und zu bewerten, ob die Maßnahme erfolgreich war, um endgültig zu entscheiden.
Dennoch: Die Diskussion um das beschlossene Gesetz zeigt, dass wir eine grundsätzliche Debatte darüber brauchen, welche Funktion das Internet in unserer Gesellschaft hat beziehungsweise haben sollte, und ob und wie der Staat mit groben Rechtsverstößen im Internet umgehen sollte. Dass die Politik derzeit den schnellen Entwicklungen im Netz hinterherhinkt, ist kein Geheimnis.
Außerdem sind weitere Schritte erforderlich, um Kinderpornografie effektiv zu bekämpfen. Die SPD-Fraktion hat dazu mit einem Anfang Mai beschlossenen 10-Punkte-Plan zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung ein umfassendes Konzept mit weiteren konkreten Maßnahmen vorgelegt.
Mit freundlichen Grüßen
Carsten Schneider