Frage an Carsten Molitor von Gerd B. bezüglich Europapolitik und Europäische Union
Sehr geehrter Herr Molitor,
im Rahmen der Abgabe einer Unterstützungsunterschrift für Ihre Partei habe ich zu meinem Entsetzen erfahren, dass über die geplante EU-Verfassung die Wiedereinführung der Todesstrafe zulässig ist. Was ich zunächst nicht glauben konnte, fand ich bei meinen Nachforschungen leider bestätigt.
Dazu meine Frage: Wie stehen Sie persönlich dazu und was gedenkt Ihre Partei dagegen zu unternehmen?
Mit freundlichen Grüßen
Gerd Bode
Sehr geehrter Herr Bode,
zunächst einmal vielen Dank, dass Sie mit der Abgabe Ihrer Unterschrift den Wahlantritt der ÖDP unterstützt haben.
Ich würde mir sehr wünschen, dass wir eine durch eine Volksabstimmung legitimierte und einfacher verständliche EU-Verfassung bekommen würden. Leider ist die EU nachwievor ein Projekt der Bürokraten und Eliten. Der EU-Reformvertrag von Lissabon wirkt wie eine Verfassung, aber reformiert leider nur wenig. Der von Ihnen angesprochene Passus findet sich hier:
b) Artikel 2 des Protokolls Nr.6 zur Europäischen Menschenrechtskonvention:
"Ein Staat kann in seinem Recht die Todesstrafe für Taten vorsehen, die in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden; diese Strafe darf nur in den Fällen, die im Recht vorgesehen sind, und in Übereinstimmung mit dessen Bestimmungen angewendet werden..."
Es wäre ganz sicher falsch hier unnötige Ängste zu wecken, aber ich denke, dass es unsere Aufgabe ist, diese Regelung kritisch zu hinterfragen. Ich bin übrigens ein entschiedener Gegner der Todesstrafe, aber davon einmal abgesehen, empfinde ich beispielsweise die Formulierung "unmittelbare Kriegsgefahr" als durchaus dehnbar. Die Staaten greifen ja bereits jetzt zu Überwachungsmaßnahmen, die zwar von Teilen der Bevölkerung zum Schutz toleriert, aber auch von anderen als Beschneidung der Freiheitsrechte empfunden werden. Gestatten Sie mir auch noch kurz auf einen anderen Aspekt hinzuweisen, den ich für nicht weniger bedenklich halte:
a) Artikel 2 Absatz 2 Europäische Menschenrechtskonvention: "Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um
a) jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen;
b) jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern;
c) einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen"
Hier wäre beispielsweise zu klären, wann aus einer Demonstration ein Aufruhr wird. Im schlechtesten Fall könnte so eine Regelung dazu führen, dass Menschen aus Furcht ihr Recht auf Demonstration nicht wahrnehmen.
Ich möchte darauf hinweisen, dass meines Verständnisses nach die Europäische Menschenrechtskonvention und die dazugehörigen Protokolle nur indirekt in den Vertrag von Lissabon hineinspielen. Gerade deshalb benötigen wir eine wohl ausgefeilte und öffentlich diskutierte europäische Verfassung, die alte Formulierungen richtigstellt und für jedermann verständlich macht. Sobald man in einen Dialog mit den Bürgern tritt, diese mitarbeiten lässt und die wirklichen Vorteile eines demokratischen Staatenverbundes herausstellt, würden sich auch dementsprechende Mehrheiten für Volksabstimmungen in den einzelnen Ländern finden. Die europäische Union ist ein großartiges Projekt, welches wir unbedingt brauchen, aber diese EU-Verfassung (Vertrag von Lissabon), welche uns übergestülpt werden soll, ist strikt abzulehnen.
Die ÖDP klagt gegen den EU-Vertrag von Lissabon vor dem Bundesverfassungsgericht. Ich hoffe, dass die Richter unserer Argumentation folgen und wir dann gemeinsam die Chance erhalten werden, an einer europäischen Verfassung zu arbeiten, welche die EU demokratischer und effektiver macht, so dass breite Mehrheiten aller Bürger sich damit voll identifizieren können.
Liebe Grüße nach Hannover
Carsten Molitor