Frage an Carsten Molitor von Gudrun S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
1.) Ist es nicht an der Zeit europaweit einheitliche Sozialstandards für z.B. Mindestlöhne und eine Grundsicherung anzustreben, um Unterschiede auszugleichen und somit die Wanderungsströme zu harmonisieren?
2.) Welcher Fraktion würden Sie als Parlamentsangehöriger ödp`ler anschließen und wäre die Basis im Landkreis Leer zur Kommunalwahl 2011 gesichert, da Sie dann ja ausfallen?
3.) Wie würde die Flüchtlings- und Asylpolitik der ödp in Europa aussehen?
4.) Befürwortet die ödp die Aufnahme der Türkei in die EU?
Sehr geehrte Frau Sievers,
vielen Dank für Ihre Fragen, die ich gerne wie folgt beantworten möchte:
1) Es ist sicherlich an der Zeit, europaweite Sozialstandards einzuführen und eine Harmonisierung innerhalb des Staatenverbundes anzustreben. Betrachtet man allerdings die Vorgabe aus dem EU-Arbeitsweisevertrag, dass Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und der sozialen Sicherheit nur dann durchgeführt werden sollen, wenn sie die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft nicht beeinträchtigen, dann darf man keine allzugroße Erwartung in die etablierte Politik hegen. Wir in der ödp sind ganz klar für einen EU-einheitlichen Mindestlohn. Arbeit muss fair und angemessen entlohnt werden. Zudem muss es sowohl eine Pflicht zum Abschluss einer Krankenversicherung geben als auch eine Grundsicherung. Möchte man die von Ihnen angesprochenen Unterschiede ausgleichen, dann darf auch das kritikwürdige EU-Subventions- und Fördertopfsystem nicht außer Acht gelassen werden. Subventionen führen zwangsläufig zu Marktmanipulationen und -verwerfungen.
2) Realistisch gesehen wird sich mir diese Frage nicht stellen, denn auf Listenplatz 64 sehe ich meine Kandidatur eher ideell. Ich persönlich würde von mir sagen, dass ich wahrhaft grün und lobbyismuskritisch denke, auch wenn dieses Schubladendenken nie ganz zutreffend sein kann. Ob man sich wirklich in eine Fraktion einordnen sollte, bleibt für mich hinterfragbar. Es besteht immer die Gefahr, dass man so große Kompromisse eingehen muss, dass man seine wirklichen Ideale und Werte nicht mehr vollumfänglich vertreten kann. Im Landkreis Leer haben wir als ödp in den vergangenen Monaten gute Fortschritte gemacht. Von Anfang an war die Kommunalwahl 2011 unser erklärtes Ziel, denn der Aufbau guter und beständiger politischer Arbeit kann nur von unten nach oben erfolgen. Ich bin überzeugt davon, dass wir hier ein junges und frisches Team haben, dass 2011 kommunale Mandate gewinnen wird.
3) Wir brauchen ein einheitliches Grundrecht auf Asyl in der EU. Viele kennen die erschreckenden Fernsehbilder von den Grenzfestungsanlagen und dem Aufbringen der Flüchtlingsboote. Hier ist ein klares Bekenntnis zu den Menschenrechten gefordert. Allerdings gilt es auch, die Ursachen an der Wurzel zu bekämpfen. In den großen Industrienationen leben wir in Wegwerf- und Verschwendungsgesellschaften. Es gibt keinen fairen Welthandel. Den Großkonzernen werden Tür und Tor geöffnet, um sich am Weltmarkt zu bedienen. Bald wird es konkrete Gefahren geben, dass Nationen für ihre Öl- und Gasversorgung Kriege führen. Die EU ist gefordert sich davon zu distanzieren, dass man fremden Nationen Preis und Fördermengen ihrer Bodenschätze vorschreibt. Darüberhinaus ist anzumerken, dass die EU-Subventionspolitik fremde Märkte negativ beeinflußt, schädigt oder gar zerstört. Subventionierte Exporte haben die Fähigkeit andere Volkswirtschaften zu zersetzen oder Handelskriege auszulösen. Für Probleme, die wir zumindest zum Teil mitzuverantworten haben, sind wir auch verantwortlich. Der erniedrigende und menschenverachtende Umgang mit Flüchtlingen und Vertriebenen muss sofort gestoppt werden. Die EU-Abschieberichtlinie verstößt gegen Menschenrechte.
Abseits von dem bereits ausgeführten, sieht das ödp-Konzept vor, dass die Entwicklungshilfe schrittweise auf mindestens 0,7% des Bruttonationaleinkommens erhöht werden soll. Den ärmsten und höchst verschuldeten Entwicklungsländern sind die Schulden völlig zu erlassen. (Finanzielle) Hilfen müssen gezielt geleistet werden und nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip. In vielen Fällen bietet sich die Zusammenarbeit mit verlässlichen Hilfsorganisationen an. Fairer Umgang mit allen Handelspartnern muss das oberste Gebot werden.
4) Bei der EU handelt es sich hauptsächlich um eine Werte- und Wirtschaftsgemeinschaft. Somit müssen gemeinsame Werte vorliegen und die Kopenhagener Kriterien, wie Schutz der Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Minderheitenschutz, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit usw., erfüllt sein. Da die Türkei diese Kriterien nicht oder nur teilweise erfüllt, ist sie für mich momentan kein potentielles neues EU-Mitglied. Beispielsweise wird die kurdische Minderheit unterdrückt, die Gleichberechtigung von Mann und Frau existiert in manchen Gegenden höchstens auf dem Papier und auch die Meinungsfreiheit ist nicht vollständig gewährleistet. Allerdings bleibt auch anzumerken, dass die Türkei in den vergangenen Jahren durchaus Fortschritte gemacht hat. Es ist ein bedeutendes Land, mit welchem politisch und wirtschaftlich eng zusammengearbeitet werden sollte.
Ich hoffe, dass ich mit meinen Ausführungen Ihre Fragen ausreichend beantwortet habe. Vielen Dank nochmals, dass Sie Ihre Fragen an mich gerichtet haben. Sollten Sie weitere haben, so würde ich mich freuen, auch diese beantworten zu dürfen.
Liebe Grüße
Carsten Molitor