Frage an Carsten Molitor von Gerd H.G. S. bezüglich Europapolitik und Europäische Union
Sind Sie für den Lissabon-Vertrag?
Ist der Euro die richtige Währung für uns in Deutschland?
Sehr geehrter Herr Schulze,
ich bin gegen den Vertrag von Lissabon und die ödp klagt auch gegen diesen vor dem Bundesverfassungsgericht.
Eines aber vorweg - meiner Meinung nach ist die EU absolut notwendig, da die Globalisierung, der Wettbewerbsdruck, der dramatisch sinkende Rohstoffbestand und der voranschreitende Klimawandel nicht an Landesgrenzen haltmacht.
Nichtsdestotrotz lautet unser Motto "Europa ja - aber nicht so". Es darf nicht geschehen, dass es zu einer Entdemokratisierung oder gar einem Diktat der Konzerne kommt.
Wir brauchen den Staatenverbund EU, um gemeinschaftliche Lösungen zu finden, die den Frieden sichern, soziale Standards ausweiten und mögliche Synergien nutzen. Allerdings ist es bisher nicht gelungen, den Menschen dieses zu vermitteln, da es zu der Thematik gar keine wirklich öffentliche Diskussion gegeben hat. Vielmehr erscheint es mir so, dass man das Konstrukt den Menschen einfach überstülpen möchte, was dann in mangelnder Akzeptanz mündet. Als über den Vertrag von Lissabon in Bundestag und Bundesrat abgestimmt wurde, stand der Öffentlichkeit nicht einmal eine lesbare Version des Vertrages zur Verfügung.
Wir in der ödp fordern bezüglich des Vertrags von Lissabon eine Volksabstimmung, da dieser wie eine Verfassung wirkt. Weitere wichtige Kritikpunkte in der Kurzform sind:
- die Gewaltenteilung ist mangelhaft, denn nur die nicht gewählte EU-Kommission hat das Recht zur Gesetzesinitiative. Ihr wird schätzungsweise von bis zu 15.000 Lobbyisten zugearbeitet.
- EU-Richtlinien und Verordnungen stehen über dem nationalen Recht. Circa 80% unserer Gesetze sind bereits heute Umsetzungen von Vorgaben aus Brüssel.
- der EU-Ministerrat entscheidet hinter verschlossenen Türen über Kriegseinsätze und Aufrüstungen. Kein Parlament kann diese Entscheidungen ändern.
- Tötungen zur rechtmäßigen Niederschlagung eines Aufruhrs sind erlaubt.
- Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und der sozialen Sicherheit sollen nur durchgeführt werden, wenn sie die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft nicht beeinträchtigen.
- Umfassende Privatisierungen in der sozialen Daseinsvorsorge werden angestrebt.
- Bei den Wahlen zum EU-Parlament zählen Stimmen in den kleinen Mitgliedsländern ein vielfaches einer Stimme beispielsweise in Deutschland oder Frankreich.
- Eine Rüstungsagentur wird geschaffen und die EU-Staaten quasi zur fortwährenden Aufrüstung verpflichtet.
Nun zum zweiten Teil Ihrer Frage, ob der Euro die richtige Währung für uns ist? Zum heutigen Zeitpunkt sicherlich "ja", aber ich sehe die gleichen bereits oben beschriebenen Defizite bei der Einführung. Erstens hätte es auch zu der Thematik eine viel breitere öffentliche Diskussion geben müssen und zweitens hätte man auch diesen Beschluß an eine Volksabstimmung knüpfen sollen. Die etablierte Politik traut dem einzelnen Bürger viel zu wenig zu und betrachtet diesen teilweise als naiv und von oben herab. Man könnte gar soweit gehen zu sagen, dass die Politiker Angst vor der Meinung des Bürgers haben, was es ja eigentlich nicht geben dürfte. Diese "Entmündigung" führt dann leider zu der heutigen Politikverdrossenheit, in der viele sagen, dass "die da oben eh machen, was sie wollen".
Zu Zeiten der Einführung des Euros gab es sicherlich sowohl gute Gründe für als auch gegen den Euro. Ich hätte mir gewünscht, dass damals das Volk die Argumente abgewogen hätte. Nicht umsonst gehen beispielsweise die Schweiz oder Norwegen andere Wege.
Ich hoffe, dass ich mit diesen Ausführungen Ihre Fragen umfassend beantwortet habe. Vielen Dank nochmals, dass Sie diese an mich gerichtet haben. Sollten Sie weitere haben, freue ich mich natürlich, diese zu beantworten.
Liebe Grüße
Carsten Molitor