Wie werden Sie bei der beantragten Änderung des Grundgesetzes zur Neuverschuldung abstimmen?
Sehr geehrter Herr Körber,
die CDU hat vor der Wahl neue Schulden abgelehnt. Nun beantragt sie im Bundestag die Ermächtigung für eine Neuverschuldung in Höhe von einigen hundert Milliarden Euro. Darf ich Sie bitten sich dafür einzusetzen, dass die CDU ihre Wahlversprechen einhält? Wie wollen Sie persönlich bei der geplanten Grundgesetzänderung abstimmen?
Mit freundlichen Grüßen
Levin P.

Sehr geehrter Herr P.
vielen Dank für Ihre Anfrage. Bei der Grundgesetzänderung habe ich mit Ja gestimmt.
Ich habe die letzten Wochen viele Zuschriften erhalten, gerade auch von vielen Wählerinnen und Wählern, die bei der Bundestagswahl die CDU gewählt haben. Ich verstehe die Irritation über den Kurs der Union. Auch ich habe die Neuigkeiten aus den Sondierungsgesprächen skeptisch aufgenommen. Ich spüre einen Vertrauensverlust und habe ich mir die Zustimmung zu den Grundgesetzänderungen nicht einfach gemacht. Daher halte ich es für wichtig, meine Entscheidungsfindung für die Grundgesetzänderung und die Aufnahme erheblicher Kredite offen darzustellen. Seien Sie versichert, dass ich die Entscheidung intensiv abgewogen habe, insbesondere aus meiner Verantwortung als Haushälter heraus.
Ich habe lange mit mir gerungen, ob es im Sinne der kommenden Generationen verantwortbar ist, Schulden in dieser erheblichen Höhe aufzunehmen. Mir ist bewusst, dass sich es um eine unvorstellbare Summe handelt. Mir wäre es auch lieber gewesen, wenn wir zunächst eine Priorisierung der bisherigen Ausgaben, notwendige und vertretbare Einsparungen und eine Verschlankung des Staatsapparats vorgenommen hätten.
Eine Koalition einzugehen, bedeutet, kompromissfähig zu sein. In den Sondierungsberatungen sind die verhandelnden Parteien von CDU, CSU und SPD zum Ergebnis gekommen, dass die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und die Herstellung der Verteidigungsfähigkeit unseres Landes keinen Aufschub dulden. Ich möchte Ihnen nachfolgend erläutern, warum ich den Änderungen des Grundgesetzes nach intensiver Abwägung zugestimmt habe.
Die Grundgesetzänderung betrifft drei Säulen:
1. Säule: Verteidigungsausgaben, Ausgaben für den Zivil- und Bevölkerungsschutz, für die Nachrichtendienste, für den Schutz der informationstechnischen Systeme und für die Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten oberhalb von 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nehmen wir von der Schuldenregel des Grundgesetzes aus.
2. Säule: Die Regeln zur Schuldenbremse für die Länder werden so angepasst, dass den Ländern zukünftig – analog zum Bund – eine jährliche Neuverschuldung in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestattet ist.
3. Säule: Wir schaffen ein “Sondervermögen“ von 500 Mrd. EUR mit einem Bewilligungszeitraum von 12 Jahren für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045. Ein Teilbetrag des Sondervermögens von 100 Mrd. EUR kommt den Ländern und Kommunen für eigene Investitionen zugute. Weitere 100 Mrd. EUR aus dem Sondervermögen werden dem Klima- und Transformationsfonds zugeführt.
Die Sonderausgaben sind für mich verantwortbar und über die langjährige Verteilung, zum Teil über 12 Jahre, finanzierbar und tragfähig für unsere Volkswirtschaft. Wir haben in der Vergangenheit schon andere Summen beschlossen. Sicherlich hätten wir mit einer absoluten Mehrheit einige Punkte anders formuliert. Zur Wahrheit gehört aber, dass wir als Union 28,4% bekommen haben.
Die Realität der Demokratie ist, dass Kompromisse mit Fraktionen eingegangen werden müssen, die unser Land voranbringen wollen. Parteien, die russische Interessen vertreten, können keine Partner sein.
Unbestritten ist, dass die Kommunikation über die Grundgesetzänderung und die Sondierungsgespräche hätte besser verlaufen können. Allerdings erschüttert mich die bewusste Verfälschung der Fakten in sozialen und traditionellen Medien. Besonders bedenklich ist die Darstellung durch AfD, BSW und Linke in Bezug auf die notwendigen Sonderausgaben für unsere Verteidigung.
Es ist offensichtlich, dass sich diese Parteien Argumente zu eigen machen, die den Interessen Russlands dienen, unser Land und unsere Freiheit schwächen sollen. Sie vertreten damit eine Haltung, die eine russische Einflussnahme in Deutschland begünstigt. Ich lehne dies entschieden ab und werde mich auch weiterhin für eine verteidigungsfähige Bundesrepublik einsetzen. Die aktuellen Aussagen von Donald Trump über die NATO haben uns eindringlich vor Augen geführt, wie wichtig dies ist.
Unbestritten ist, dass wir vor dem Hintergrund der veränderten sicherheitspolitischen und zugespitzten Weltlage die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes erhöhen müssen. Unsere Bundeswehr braucht deutlich besseres Material und mehr Personal. Die geosicherheitspolitische Lage macht ein sofortiges Handeln notwendig.
Unbestritten ist auch, dass unsere Infrastruktur marode ist. Wir hätten mehr in unsere Schulen, Verkehrswege und die Energieinfrastruktur investieren müssen. Auch in den Städten und Gemeinden finden wir einen immensen Sanierungsstau vor und haben Nachholbedarf. Das sehen wir auch bei uns zuhause, in Sachsen und in der Region Zwickau.
Viele Verkehrswege kommen jetzt nach Jahrzehnten in die Sanierungsbedürftigkeit. Die Herstellung einer intakten öffentlichen Infrastruktur ist ein komplementärer Faktor zur Verteidigungsfähigkeit des Landes. Auch das ist eine Tatsache, die in die Abwägung zur Errichtung eines Sondervermögens der letzten Tage eingeflossen ist.
Mit dem Sondervermögen wird dieser Sanierungsstau in unserem Land angepackt. Eine gute Infrastruktur ist auch Grundlage für die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft. Das Sondervermögen wird daher auch zu einer erheblichen Hebelwirkung führen und wir müssen es schaffen, zusätzliche Anreize für Investitionen von privatem Kapital zu mobilisieren. Dies wird jedoch nur funktionieren, wenn wir die Planungs-, Genehmigungs- und Bauverfahren erheblich vereinfachen und Bürokratie abbauen. Die beschlossenen Sondervermögen entbinden uns nicht die Ausgaben im Bundeshaushalt zu überprüfen, zu priorisieren und Einsparungen vorzunehmen. Ganz im Gegenteil: Beides gehört untrennbar zusammen.
Ich setze mich dafür ein, und das wurde vergangene Woche im Deutschen Bundestag beschlossen, dass wir den kommenden Generationen, unseren Kindern und Enkelkindern, eine gute Infrastruktur und stabile Finanzen hinterlassen wollen. Darum müssen die aufzunehmenden Kredite für die Ertüchtigung der Infrastruktur mit einem verbindlichen Tilgungsplan unterlegt werden. Diese Tilgung muss schnellstmöglich erfolgen und spätestens 2037 mit dem Auslaufen des Sondervermögens beginnen.
Für uns ist entscheidend, dass die aufzunehmenden Mittel in zusätzliche und sinnvolle Infrastrukturprojekte fließen, die das Wachstumspotenzial unserer Volkswirtschaft stärken. Dies muss der Maßstab dafür sein, wie die Mittel in den anstehenden Haushaltsverfahren sorgsam und umsichtig eingesetzt werden. Fehlanreize, nach denen Neuprojekte in Konkurrenz zu Instandhaltungsmaßnahmen treten, müssen vermieden werden. Die Ausnahme einzelner, verteidigungsrelevanter Bereiche aus der Schuldenbremse muss eng begrenzt bleiben. Interpretationsspielräume müssen gegebenenfalls gesetzlich eingeschränkt werden.
Sicherheit und Verteidigung sind die Kernaufgabe des Staates. Um die Erfüllung dieser Kernaufgabe umfassend und in der gebotenen Zeit zu gewährleisten, ist kurzfristig eine Finanzierung unserer Verteidigungsfähigkeit über Kredite unvermeidbar. Unser Ziel bleibt es jedoch, diese staatliche Kernaufgabe aus den laufenden Einnahmen und nicht über Kredite zu finanzieren. Darum wollen wir, analog zur Laufzeit des Sondervermögens für die Infrastruktur, bis 2037 das Ziel erreichen, die erforderlichen Mittel für die Landes- und Bündnisverteidigung aus den laufenden Einnahmen des Bundes bereitzustellen und die Struktur des Bundeshaushaltes dahingehend anzupassen. Die europäischen Fiskalregeln sichern die finanzielle Stabilität der Europäischen Union und des Euroraums. Sie begrenzen auch weiterhin die Ausgaben und die Verschuldung Deutschlands. Ausnahmen von diesen Regeln gilt es darum zu vermeiden. Sie dürfen, wenn überhaupt, nur zeitlich befristet und auf Verteidigungsausgaben im engen Sinne begrenzt, erfolgen.
Eine oft verbreitete Falschinformation ist, dass Klimaneutralität bis 2045 als Staatsziel ins Grundgesetz aufgenommen wird. Dies ist falsch! Richtig ist, dass die Grundgesetzänderung Investitionen in Projekte ermöglicht, die zur Erreichung der Klimaneutralität beitragen. Klimaneutralität wird nicht zu einem neuen Staatsziel im Grundgesetz, sondern zu einem Zweck des Sondervermögens. Juristisch einklagbar ist die Klimaneutralität damit nicht. Es geht hier vor allem um die Unabhängigkeit von autokratischen Energielieferanten. Parteien wie AfD, BSW und Linke zeigen in diesem Punkt erneut eine auffällige Nähe zu russischen Interessen.
Mit meiner Zustimmung verbinde ich die Erwartung, dass wir die notwendigen grundlegenden Strukturreformen für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft, den Abbau von Bürokratie und Berichtspflichten, den Umbau des Sozialstaates, die Reformierung des Bürgergeldes und die Bekämpfung der illegalen Migration entschlossen im Sinne eines Politikwechsels für unsere Heimat umgehend angehen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit dieser Stellungnahme die Beweggründe zu meiner Zustimmung für die Aufnahme neuer Schulden in der vergangenen Woche erläutern.
Mit freundlichen Grüßen
Carsten Körber