Wer war Ende 2019 der entscheidende Wegbereiter für die oft kritisierte Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG?
Sehr geehrter Herr Brodesser,
mit §20 Abs.6 S.5 EStG wurde Ende 2019 eine Verlustverrechnungsbeschränkung auf Termingeschäfte eingeführt. Der Gesetzentwurf wurde am 11.12.19 vom Finanzausschuss eingebracht. Sie waren seinerzeit Aussschussmitglied:
dserver.bundestag.de/btd/19/158/1915876.pdf
www.bundestag.de/webarchiv/Ausschuesse/ausschuesse19/a07
Kürzlich griff die FAZ das Thema wieder auf:
www.faz.net/aktuell/finanzen/steuern-auf-termingeschaefte-laesst-expertinnen-an-kompetenz-der-politik-zweifeln-19579287.html
www.faz.net/aktuell/finanzen/kommentar-binding-steuer-unmoralische-gesetzgebung-19579285.html
Vom Autor wird unterstellt, dass Lothar Binding der entscheidende Wegbereiter oder "Erfinder" der Regelung ist. Sein Name steht tatsächlich auf Seite5 der obigen Beschlussempfehlung. Und er verteidigte die Regelung u.a. auf abgeordnetenwatch vehement.
Können Sie bestätigen, dass Herr Binding tatsächlich der Wegbereiter des §20 Abs.6 S.5 EStG war? Können Sie weitere Details nennen?

Sehr geehrter Herr M.,
die einzelnen finanz- und steuerpolitischen Themen im Finanzausschusses werden bei uns nach Sachgebieten auf einzelne Berichterstatter (BE) aufgeteilt. Seinerzeit war Lothar Binding der entsprechende BE für die SPD. Bislang war die Verrechnung von Verlusten aus Kapitalvermögen bei der Einkommensteuererklärung nur bis 20.000 Euro möglich. Das damals SPD-geführte Bundesfinanzministerium unter Olaf Scholz hatte uns in den Beratungen zum Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen vom 21. Dezember 2019 kurzfristig dazu gedrängt, der Verlustverrechnungsbeschränkung zuzustimmen. Seitdem haben sowohl die Fachebene des BMF als auch wir als CDU/CSU immer wieder darauf gedrängt, diesen Verlustverrechnungskreis zu streichen.
Mit dem Jahressteuergesetz 2024 werden die Verlustverrechnungsbeschränkung von Verlusten aus Kapitalvermögen bis zu 20.000 Euro sowie Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften, wodurch solche Verluste künftig mit allen positiven Einnahmen aus Kapitalgeschäften verrechnet werden können, mit der Verkündung aufgehoben. Die Verlustverrechnungsbeschränkungen sind dann auf alle offenen Fälle nicht mehr anwendbar.
Das BMF führt in der Begründung zur Streichung selbst aus, dass die unterschiedlichen Verlustverrechnungskreise innerhalb der Einkünfte aus Kapitalvermögen in einem Widerspruch zur Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen im Wege der Abgeltungsteuer stehen. Mit der Streichung des gesonderten Verlustverrechnungskreises für Termingeschäfte und der betragsmäßigen Beschränkung der Verrechenbarkeit von Verlusten aus Forderungsausfällen solle dem Vereinfachungsaspekt der Abgeltungsteuer wieder mehr Bedeutung zukommen. Gleichzeitig solle den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Verlustverrechnungsbeschränkung damit Rechnung getragen werden, vgl. Beschluss des BFH vom 7. Juni 2024, VIII B 113/23.
Der Bundesfinanzhof wird in seinem Beschluss noch deutlicher, indem er schreibt, dass bei summarischer Prüfung die von § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG bewirkte doppelte Ungleichbehandlung sachlich nicht durch ausreichend tragfähige Gründe gerechtfertigt ist. Er bestätigt damit den zitierten Beschluss des FG Rheinland-Pfalz vom 5. Dezember 2023, 1 V 1674/23.
Insofern ist diese Rechtsänderung zu begrüßen, weshalb wir dem Umdruck 4a im JStG 2024 auch zugestimmt haben, siehe S. 211 der Beschlussempfehlung a.E. (https://dserver.bundestag.de/btd/20/134/2013419.pdf).
Ich hoffe, dass Ihnen diese Ausführungen weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
Carsten Brodesser