Frage an Carsten Brodesser von Heike R. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Brodesser,
ist zu erwarten, dass die EZB nicht nur die Zinsen auf extrem niedrigen Niveaus halten, sondern dass sie auch die Geldmengen immer weiter ausdehnen wird, mit Zustimmung unserer Regierung?
Falls ja, wird dies absehbar die Güterpreise – sowohl die Konsumgüter- als auch die Vermögenspreise – in die Höhe treiben, also die Kaufkraft des Euro weiter herabsetzen?
Falls ja, verstößt dies gegen irgendwelche EU Verträge oder deutsche Gesetze?
Falls nein, gibt es keine Stabilitätsgesetze?
Falls erneut ja, welche rechtlichen Schritte erwägt dann die CDU/CSU zum Schutz und vor allen Werterhalt meiner Spareinlagen und gegen wen?
Ganz konkret gefragt, mit meiner Bitte um eine eindeutige Antwort: Was plant für diesen Fall unsere, in Europa mit verantwortliche, Regierung zur Entschädigung der kleinen Sparerinnen, Sparer, Rentner und Wählerinnen und Wähler der Union?
Mit freundlichem Gruß
Heike Rogall
Sehr geehrte Frau Rogall,
haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen. Die EZB ist zu Recht unabhängig in ihren Entscheidungen, gerade um sie den nationalen Einflüssen zu entziehen und die Stabilität ganz Europas im Blick zu haben. Grundlage hierfür ist Artikel 130 und Artikel 282 Absatz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV). Danach ist die EZB verpflichtet, das vorrangige Ziel der Preisstabilität zu verfolgen. Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist, unterstützt sie die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Union (Artikel 127 AEUV). Eine aktive Einmischung der EZB in wirtschaftspolitische Entscheidungen auf nationaler Ebene lehnen wir als Union strikt ab. Auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann lehnt eine Geldpolitik der EZB ab, die ausdrücklich weitergehende politische Ziele verfolgt. "Unsere geldpolitischen Wertpapierkäufe müssen sich weiterhin nach dem Grundsatz der Marktneutralität richten", sagte er Ende vergangenen Jahres. Der Deutsche Bundestag als demokratisch legitimiertes Parlament muss entscheiden, mit welchen Mitteln sich unsere Gesellschaft ihre individuellen Probleme löst. Sie tragen hierfür die Verantwortung", sagte Weidmann.
Mit Urteil vom 5. Mai 2020 - 2 BvR 859/15 u.a.- hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) festgestellt, dass die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag verpflichtet sind, auf die EZB dergestalt hinzuwirken, dass sie ihre Prüfung darlegt, dass das Programm zum Ankauf von Wertpapieren des öffentlichen Sektors an den Sekundärmärkten (PSPP - Public Sector Purchase Programme) nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgewogen ist. Hier wurde also durch das Bundesverfassungsgericht eine durchaus kritische Begleitung und Würdigung der EZB-Politik festgeschrieben. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU, sowie die FDP und die Grünen haben am 1.7.2020 mit der Bundestags-Drucksache 19/20621 gemeinsam einen entsprechenden Antrag im Bundestag eingebracht, dem Sie auch weiterführende Informationen entnehmen können.
Die Ausdehnung der Geldmenge in Form von Staatshilfen ist in der coronabedingten momentanen Krisenzeit aber derzeit die einzige Möglichkeit, die Wirtschaft am Laufen zu halten. Bundesregierung und Bundesbank sind hier aber ebenfalls gefordert, auf nationaler Ebene weitere Justierungen vorzunehmen. Kernaufgabe ist es, im Moment Investitions- und Konsumimpulse zu setzen. Das große Konjunkturpaket von Anfang Juni dient daher einerseits dazu, der Wirtschaft Sicherheit zu geben und kritische Situationen zu stabilisieren sowie z.B. durch die Mehrwertsteuersenkung eine Senkung der Preise herbeizuführen. Sinkende Güterpreise sollen Kaufanreize schaffen, um der Wirtschaft wieder Perspektiven zu geben und die Menschen aus der Kurzarbeit zu bekommen. Die Nullzinspolitik wird daher wahrscheinlich auf absehbare Zeit anhalten, was den Menschen ihre Sparentscheidung und die Wahl ihrer Anlageform nicht erleichtert.
Eine von Ihnen angesprochene Entschädigung , wird nicht möglich sein, da die Preisgestaltung allein der Entscheidung der einzelnen Marktteilnehmer obliegt. Hier bleibt Ihnen als Kunden nur, im freien Markt andere Anbieter zu suchen, die bessere Konditionen bieten und evtl. auch über andere Anlagen nachzudenken.
Mit freundlichen Grüßen
Carsten Brodesser