Frage an Carsten Brodesser von Hans Jürgen S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag, Herr Dr. Brodesser,
ich habe heute gelesen, dass die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen Oliver Schröm (Chefredakteur Correctiv) wegen des Verdachts auf „Anstiftung zum Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen” nach §17 UWG (Gesetz gegen Unlauteren Wettbewerb) ermittelt..
Unter seiner Leitung hatte CORRECTIV im Oktober 2018 zusammen mit 18 Medienpartnern Recherchen zu den CumEx-Files veröffentlicht und damit den größten Steuerraubzug Europas aufgedeckt: 12 EU-Staaten wurden mit CumEx- und ähnlichen Aktiengeschäften um mindestens 55 Milliarden Euro erleichtert. Dies als Betrug zu bezeichnen verbietet sich, da ja die Akteure offensichtlich "nur die Gestaltungsmöglichkeiten", die die Gesetzeslage Ihnen eingeräumt hat, genutzt haben.
Für mich ist unfassbar, dass offensichtlich das Controlling dieser Bereiche diese "Gestaltungsmöglichkeiten" erst geschlossen hat, als der Staatskasse bereits riesige Summen entgangen waren.
Das nun gegen Journalisten, die diese Sachverhalte aufgedeckt und in die Öffentlichkeit gebracht haben, ermittelt wird, ist für mich nicht nachvollziehbar.
Daher besorgt mich auch das neue Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG), das der Bundestag derzeit berät. Der aktuelle Entwurf gefährdet den Informantenschutz und damit die Grundlage investigativer journalistischer Arbeit. Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut und daher muss gewährleistet bleiben,
dass Journalisten ihre Arbeit auch weiterhin in diesem Sinne uneingeschränkt leisten dürfen.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie zu den geschilderten Vorgängen Stellung beziehen und Ihre Auffassung zu meinen Befürchtungen hinsichltich des neuen GeschGehG mitteilen würden.
Vielen Dank im Voraus.
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank, dass Sie mit Ihrer Anfrage an mich herangetreten sind.
Oliver Schröm war daran beteiligt, einen der größten Aktien-Skandale aller Zeiten (Cum-Ex-Geschäfte) aufzudecken. Auch wir haben uns in unserer Fraktion das Ziel gesetzt, die Cum-Ex-Affäre lückenlos aufzuklären. Aus diesem Grund hat es in der vergangenen Wahlperiode dazu bereits einen eigenen Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag gegeben.
Die Meinungs- und Pressefreiheit ist in Deutschland ein elementares Grundrecht, welches in unserem Grundgesetz verankert ist. Aus diesen Grund sehe ich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im ersten Moment ebenfalls als kritisch an. Allerdings haben wir in Deutschland eine gesetzliche Gewaltenteilung. Da ich in meiner Position als Bundestagsabgeordneter als Vertreter der Legislative fungiere, habe ich keine Befugnis die Entscheidungen der Judikative zu beeinflussen. Ich möchte dazu festhalten, dass ich vollstes Vertrauen in unsere Staatsanwaltschaft habe.
Das Gesetz zum Schutz für Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) wird derzeit im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages erarbeitet. Seit wenigen Monaten liegt dazu auch ein entsprechender Regierungsentwurf vor. Nach Rücksprache mit meinen Kollegen in der entsprechenden Arbeitsgruppe, wurde mir jedoch mitgeteilt, dass das Gesetz keinesfalls die Pressefreiheit in Deutschland behindern soll. Ich habe Ihre Anregungen weitergeleitet und diese werden bei den weiteren Beratungen berücksichtigt.
Ich wünsche Ihnen nun eine besinnliche Weihnachtszeit und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Dr. Carsten Brodesser