Frage an Carola Stauche von Ute W. bezüglich Verkehr
Werden Sie der Autoprivatisierung zustimmen?
Liebe Frau Stauche,
Sie sollen am 1. Juni über eine große Grundgesetzänderung abstimmen unter anderen die Privatisierung der Autobahnen. Die Verwaltung der Bundesautobahnen wird in Bundesverwaltung geführt. Der Bund kann sich zur Erledigung seiner Aufgaben einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen. Damit wird das Prinzip "Gewinnmaximierung vor Gemeinwohl" eingeführt. Ist die Autobahn-GmbH erst einmal gegründet, kommen ÖPPs und sonstige private Anlageformen zum Zug. Bezahlt werden muss das über die Steuern und die Maut. Diese Grundgesetzänderung darf nicht kommen. Bitte stimmen Sie gegen die Autobahnprivatisierung.
Mit freundlichen Grüßen
Ute Walther
Sehr geehrte Frau Walther,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur Grundgesetzänderung, in der Sie Ihre Sorge über eine Privatisierung der Bundesautobahnen äußern.
Lassen Sie mich vorab erklären:
Als Mobilitäts- und Exportnation kann Deutschland nur mit einem flächendeckend gut ausgebauten Verkehrsnetz wettbewerbsfähig bleiben. In den letzten Jahren haben wir uns daher darauf konzentriert, den massiven Sanierungs- und Investitionsstau in der Straßeninfrastruktur zu lösen. Mit einem historischen Investitionshochlauf sorgen wir für die nötigen Finanzmittel. Bis 2018 steigen die Investitionen in unsere Infrastrukturen auf rund 14 Milliarden Euro im Jahr. Zudem haben wir eine neue Generation der Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP) mit einem Investitionsvolumen von 15 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Parallel treiben wir die Digitalisierung voran, um die Potentiale der bestehenden Infrastruktur noch besser nutzen zu können. Mit der langfristigen Verstetigung der Investitionen ist auch mehr Effizienz und Wirtschaftlichkeit bei der Realisierung von Verkehrsprojekten zu schaffen.
Ganz wichtig ist es jedoch, dass die vorhandenen Investitionsmittel für Erhaltung sowie Neu- und Ausbau von Bundesautobahnen schnellstens verkehrswirksam eingesetzt werden. Bisher bezahlt der Bund die Autobahnen zwar, aber die Länder planen und bauen. Das ist ein suboptimales System mit vielen Reibungsverlusten.
Mit der nun beschlossenen Reform werden die Bundesautobahnen in unmittelbare Bundesverwaltung übernommen. Dabei steht die Einrichtung der Infrastrukturgesellschaft im Zentrum der Modernisierung. Mit der Bündelung von Finanzierung, Planung, Bau und Betrieb des Autobahnnetzes in einer Hand beim Bund wird dafür gesorgt, dass Bundesautobahnen nach bundesweit einheitlichen Vorgaben zur Qualität und Verfügbarkeit gebaut, erhalten und betrieben werden. Es ist dabei sichergestellt, dass die neue Infrastrukturgesellschaft vollständig im Eigentum des Bundes verbleibt, in der Rechtsform einer GmbH. Sowohl im Grundgesetz als auch in den Begleitgesetzen ist festgehalten, dass sich Dritte an der Gesellschaft und ihren Tochtergesellschaften nicht beteiligen können, auch nicht mittelbar.
Um der Gesellschaft das erforderliche Maß an unternehmerischer Flexibilität zu ermöglichen, haben wir gesetzliche Regelungen zum flexiblen Mitteleinsatz und zur Aufnahme von zinslosen Liquiditätshilfen aus dem Bundeshaushalt aufgenommen.
Öffentlich-Private Partnerschaften auf einzelnen Streckenabschnitten bleiben weiterhin möglich. Dieser Beschaffungsvariante wird allerdings durch den Ausschluss von sogenannten „Netz-ÖPP“ im Grundgesetz ein Rahmen gesetzt.
Gleichzeitig wurden Regelungen getroffen, um das Parlament bei der Gründung der Gesellschaft eng einzubinden und ihm weitreichende Informations- und Kontrollrechte zu gewähren. Dies geschieht u.a. durch die parlamentarische Zustimmungspflicht zum Gesellschaftsvertrag sowie zum fünfjährigen Finanz- und Realisierungsplan.
Die Kontrolle der Gesellschaft wird durch Vertreter des Bundestags im Aufsichtsrat sowie einem Auskunftsrecht des für die Beteiligungsführung zuständigen Gremiums des Deutschen Bundestags sichergestellt. Der Bundesrechnungshof erhält zudem weitrechende Kontrollrechte bei der Gesellschaft und seinen Tochtergesellschaften.
Die zu gründenden Gesellschaft wird effiziente Strukturen erhalten. Ihr wird die Möglichkeit, bedarfsgerecht bis zu 10 regionale Tochtergesellschaften einzurichten eingeräumt. Bestehende Organisationsstrukturen sollen am jeweiligen Standort erhalten bleiben. Dabei ist uns insbesondere wichtig, den Betriebsdienst mit den vorhandenen Autobahnmeistereien zu erhalten. Die Interessen der Beschäftigten haben wir durch umfassende Regelungen gewahrt.
Für einen sukzessiven Übergang wurde im Begleitgesetz eine Übergangsregelung geschaffen, durch die bereits ab 2020 die Aufgaben zur Verwaltung der Autobahnen an den Bund übergeben werden können. Ferner soll die Gesellschaft in 2018 zügig gegründet und durch sie die künftigen Strukturen aufgebaut werden.
Mit der nun eingeleiteten Reform der Auftragsverwaltung erreichen wir unser in der Koalitionsvereinbarung getroffenes Ziel. Die Reform wird zusammen mit der Administration und den Beschäftigten zu einer nachhaltigen Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur beitragen.
Ich will noch einmal deutlich machen:
Wenn die Infrastrukturgesellschaft als Gesellschaft Privaten Rechts eingerichtet wird, heißt das nicht, dass sie in private Hände gegeben wird. Es heißt lediglich, dass sie als GmbH geführt wird. Diese GmbH wird vollständig in der Hand des Bundes bleiben. Das ist in der entsprechenden Grundgesetzänderung festgehalten.
Diese Entscheidung sind auch keine Nacht- und Nebel-Aktion, wie gelegentlich zu hören ist. Vorausgegangen sind vielmehr umfangreiche, lange und langwierige Beratungen.
Deshalb haben wir mit den Änderungen ein Gesetzespaket verabschiedet (auch mit meiner Stimme), mit dem wir das Beste erreichen für unsere Infrastruktur und damit für den Standort Deutschland und für jeden von uns. Dabei behält der Bund die Hoheit; Autobahnen werden nicht zum Spielball privater Investoren.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weitergeholfen zu haben und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Carola Stauche