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Carola Stauche
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Frage von Hubertus S. •

Frage an Carola Stauche von Hubertus S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Stauche,

Sie wissen gewiss, dass die UNO Verhandlungen über ein vollständiges Verbot von Kernwaffen begonnen hat. 123 von 193 Staaten unterstützen das. Die Bundesregierung boykottiert den Versuch. Dabei lagern hier Atombomben der USA mit 80facher Sprengkraft der Hiroshima-Bombe. Die Bundesregierung hatte bereits gegen die Aufnahme der Verhandlungen gestimmt. Wie stehen Sie als MdB zu dieser Haltung der Bundesregierung? Und können Sie mir erklären, weshalb die Bundesregierung gegen ein Verbot von Kernwaffen auftritt? Ein Beitrag zur Sicherheit unseres Landes ist diese Haltung jedenfalls nicht.

Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Scholz
Wittmannsgereuth

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Scholz,

die CDU-geführte Bundesregierung ist selbstverständlich für eine atomwaffenfreie Welt. Auf dem Weg dahin engagiert sich die Bundesregierung ganz konkret, so beispielsweise in der Non-Proliferation and Disarmament Initiative und in den Bemühungen um einen Fissile Material Cut-off Treaty zur Verhinderung der Produktion von spaltbarem Material.

Dieses Engagement ist zwar weniger öffentlichkeitswirksam und deutlich schwieriger als ein Papier, auf dem die Ächtung aller Atomwaffen festgehalten wird; dafür ist es mittel- bis langfristig deutlich sinnvoller. Denn eine Ächtung von Atomwaffen durch über hundert Länder hat überhaupt keine praktischen Auswirkungen, wenn die aktuellen Atommächte sich nicht daran beteiligen. Es ist aber eine Tatsache, dass die Atommächte diese Initiative nicht mittragen. Beschlüsse der UN-Vollversammlung sind nicht bindend. Ein solcher Beschluss wäre reine Symbolpolitik ohne irgendwelche positiven Auswirkungen. Vielmehr bestünde die Gefahr, dass der Atomwaffensperrvertrag an Wirkung verliert. Er ist zwar nicht perfekt, aber bis heute das wichtigste Instrument im Bereich der Nichtverbreitung von Atomwaffen.

Das heißt: Die Idee einer Resolution zur Ächtung von Atomwaffen klingt erst einmal ganz hervorragend, aber schnell zeigt sich, dass es deutlich bessere Wege in diesem Bereich gibt.

Am 23.03 2017 wurde im Deutschen Bundestag ein Antrag der Grünenfraktion und der Linksfraktion verhandelt, in welchem die Bundesregierung zur Teilnahme an den UN-Verhandlungen über die Ächtung aller Atomwaffen aufgefordert wurde. Als ausführliche Antwort in Ergänzung meiner kurzen Ausführung gebe ich Ihnen den wesentlichen Teil des Redebeitrags meiner Kollegin Dr. Katja Leikert vom 23.03. 2017 in dieser Debatte zur Kenntnis:

„Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen beschäftigen uns heute mit einem gemeinsam formulierten Antrag für eine nuklearwaffenfreie Welt. Sie fordern die Bundesregierung auf, an den Verhandlungen über ein Kernwaffenverbot teilzunehmen. Sie werden wohl keinen hier im Plenum und unter
den Zuhörerinnen und Zuhörern finden, der sich nicht wünschen würde, dass es keine Atomwaffen mehr gibt.

Sie stellen es sich so vor, dass man auf einer Seite Papier zusammen mit ein paar anderen Staaten zusammen aufschreibt, dass Kernwaffen verschwinden und dass wir sie ächten sollen. Wir alle wissen, dass es sich rein um eine Initiative der Nichtkernwaffenstaaten handelt. Das ist ein bisschen so, als wenn sich die Mäuse eines Viertels dazu verabreden, etwas gegen die Katzen zu tun.

[…]

Sie kennen genau das klare Ziel der schwarz-roten Koalition: Wir stehen für eine nuklearwaffenfreie Welt. Dieses Ziel ist ausdrücklich auch so im Koalitionsvertrag benannt. Sie wissen genau, dass Deutschland weltweit ein anerkannter und geschätzter Verhandlungspartner für nukleare Abrüstung ist.

Sie wissen auch, dass Deutschland in seiner Rolle als Brückenbauer schon viel erreicht hat. Wenn Sie ganz ehrlich zu sich selbst sind, dann wissen Sie auch, dass Ihr Antrag an vielen Stellen schlichtweg weltfremd ist. Ich möchte Ihnen das gerne erläutern.

Erstens. Natürlich können wir uns wünschen, dass die Kernwaffenstaaten, die offiziellen und die inoffiziellen, faktisch gemeinsam zu der Einsicht kommen, dass es für alle besser wäre, wenn sie auf Kernwaffen verzichteten. Die Bereitschaft der Kernwaffenstaaten dazu liegt aber schlichtweg nicht vor. Das ist eine Tatsache, an der wir nicht vorbeikommen.

Zweitens. Ihr Antrag ist unrealistisch, nicht nur, weil er die Grundlagen der internationalen Machtverteilung schlichtweg ignoriert, sondern auch, weil die von Ihnen geforderten Verhandlungen aus unserer Sicht das wertvollste Vertragswerk, das wir im Bereich der nuklearen Abrüstung haben, gefährden würden: den internationalen Nichtverbreitungsvertrag. Sie wollen, dass wir am Ende ein Papier haben, auf dem steht: „Wir ächten Atomwaffen.“ Darin stünde aber nichts, was mit denjenigen Staaten passieren soll, die kernwaffenfähiges Material schon haben, oder was mit denjenigen Staaten passieren soll, die schon Atomwaffen haben oder ein Programm für die zivile Nutzung von Atomenergie haben. Wer soll das denn alles überprüfen? Sie riskieren, dass sich die Nichtkernwaffenstaaten aus dem Nichtverbreitungsvertrag zurückziehen und dass damit die Kontrollen ihrer Atomanlagen durch die Internationale Atomenergie-Organisation entfallen. Wie wollen wir dann in Zukunft eigentlich noch verhindern, dass nicht die nächsten Staaten nachziehen und heimlich Atomwaffen entwickeln? Es ärgert mich, dass Sie genau wissen, dass wir schon viel weiter sind mit dem bestehenden Regime, und die etablierten Verifikationsmechanismen über Bord werfen wollen.

Drittens. Alle Verhandlungen innerhalb des Nichtverbreitungsvertrags haben einen entscheidenden Vorteil, dass nämlich beide Seiten verhandeln: die Atomwaffenstaaten und die Nichtatomwaffenstaaten. Das ist aus unserer Sicht absolut essenziell; denn was wir in dieser Welt nicht brauchen können, sind ein weiteres Wettrüsten und eine weitere Spaltung in diesem
Bereich.

Wir halten den Antrag von Linken und Grünen an dieser Stelle für sinnlos bis gefährlich; ich habe das vorhin schon ausgeführt. Die CDU/CSU-Fraktion setzt vielmehr auf das große Engagement Deutschlands innerhalb des Nichtverbreitungsregimes, das wir aufrechterhalten und ausbauen wollen. Wir verfolgen dabei einen schrittweisen Ansatz, und Sie kennen ihn auch. Ich nenne nur drei Punkte, die uns dabei besonders wichtig sind. Ein Baustein dabei ist Transparenz. Ohne Transparenz mit Blick auf die Atomwaffenarsenale der Atomwaffenstaaten werden wir keine messbaren Fortschritte erzielen. Deshalb werden wir auch weiterhin innerhalb der Non-Proliferation and Disarmament Initiative in den Dialog mit den fünf Atommächten treten.

So haben wir es schon geschafft, mehr Transparenz in Bezug auf die Kernwaffenarsenale der Atomwaffenstaaten zu bekommen. Wir alle sind natürlich noch nicht besonders zufrieden mit den Fortschritten, die dort erzielt wurden, aber wir wollen an dieser Initiative festhalten und sie weiter ausbauen. Zu unserem schrittweisen Ansatz gehört auch, dass wir die Produktion von spaltbarem Material unterbinden wollen. All das erreichen Sie nicht mit Ihrem nuklearen Bann. Hier haben wir eine konkrete Resolution, die Deutschland gemeinsam mit Kanada und den Niederlanden in die UN-Generalversammlung eingebracht hat. Eine Expertengruppe wird mögliche Vertragselemente für einen Fissile Material Cut-off Treaty identifizieren. Wir haben dabei sichergestellt, dass zumindest vier Kernwaffenstaaten eng eingebunden sind.

Ich möchte noch ein weiteres Element hervorheben: Deutschland setzt sich schon lange dafür ein, dass der Umfassende Nukleare Teststoppvertrag gestärkt und weiter ratifiziert wird. Auch dieses Engagement wollen wir in Zukunft aufrechterhalten. Sie sehen, dass all diese Schritte zu einem klaren Konzept führen.

Lassen Sie mich daher feststellen: Solange die machtpolitischen Realitäten so sind, wie sie sind, solange einzelne Staaten in der Lage sind, immer wieder zu destabilisieren, so lange ist es gut für uns, wenn wir eine starke Allianz mit unseren NATO-Partnern bilden. So viel Realitätsbewusstsein muss sein. Deshalb wird die CDU/CSU-Fraktion keinen Antrag unterstützen, mit dem wir uns aus unseren Bündnispflichten innerhalb der NATO verabschieden. Ich sage es hier ganz deutlich: Ich möchte im Deutschen Bundestag nichts beschließen, was unsere Sicherheit gefährdet.

Gleichzeitig wissen wir, dass die nukleare Abrüstung immer wieder neue Impulse braucht. Wir werden auch weiterhin alles dafür tun, um hier greifbare Erfolge zu erzielen. Was wir dabei aber nicht zulassen werden, ist, dass die hervorragenden bestehenden Verträge und Initiativen zur
nuklearen Abrüstung für ein einziges wirkungsloses Blatt Papier geopfert werden.

Ich möchte Ihnen aber abschließend eine Brücke bauen und freue mich im Zuge der Beratung über richtig gute Initiativen für eine nuklearwaffenfreie Welt, die wir alle wollen.“

Mit freundlichen Grüßen

Carola Stauche