Frage an Carola Stauche von Jens-Uwe G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Stauche,
Ihre allgemeine Antwort auf die Frage von Herrn Müller,fordert die fi#olgenden Fragen heraus:
Haben Sie die UN-Resolutionen 2199 und 2249 gelesen? Wissen Sie was im EU-Vertrag Artikel 42 steht? Dort geht es um den Beistand bei einem Angriff eines anderen Staates. Warum hat wohl die NATO nicht den Bündnisfall ausgerufen? Wissen Sie, was im Artikel 222 des EU-Vertrages steht? Kennen Sie den Wortlaut des Artikel 51 der UN-Charta? Die gesamte UN-Charta beruht auf der Souverenität der Staaten. Syrien ist Mitglied der UNO.Ich gehe doch mal davon aus, dass Sie Syrien wie Frankreich die staatliche Souverenität zugestehen.
Jede Beteiligung an einenm militärischen Einsatz in und über Syrien verletzt doch die Souverenität des UNO-Mitgliedes Syrien, wenn keine Resolution des UN-Sicherheitsrates oder die Zustimmung der Regierung Syriens vorliegt. Können Sie dem zustimmen?
Sie wissen, dass Syrien mehrfach gegen die nicht autorisierten Einsätze fremder Streitkräfte über dem Territorium Syriens protestiert hat?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Groh,
ich bitte Sie, die stark verspätete Antwort zu entschuldigen. Durch ein Büroversehen ist Ihre Anfrage leider zwischenzeitlich aus dem Blick geraten.
Ich verstehe Ihre Frage dahingehend, dass Sie die rechtlichen Grundlagen des Syrien-Einsatzes in Zweifel ziehen. Lassen Sie mich dazu erklären:
Rechtsgrundlage des Einsatzes ist Artikel 24 Absatz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen (Recht auf kollektive Selbstverteidigung). Die Vereinten Nationen sind ein System kollektiver Sicherheit im Sinne unseres Grundgesetzes.
Art. 24 (2) GG: „(2) Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen; er wird hierbei in die Beschränkungen seiner Hoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeiführen und sichern.“
Art. 51 UN-Charta: „Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Maßnahmen, die ein Mitglied in Ausübung dieses Selbstverteidigungsrechts trifft, sind dem Sicherheitsrat sofort anzuzeigen; sie berühren in keiner Weise dessen auf dieser Charta beruhende Befugnis und Pflicht, jederzeit die Maßnahmen zu treffen, die er zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit für erforderlich hält.“
Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 ist anerkannt, dass ein Staat sich (auch mithilfe anderer Staaten) gegen Angriffe eines internationalen Terrornetzwerks verteidigen darf.
Für die Ausübung des Selbstverteidigungsrechts ist es nicht erforderlich, dass stets eine ausdrückliche Sicherheitsratsresolution nach Kapitel VII der VN-Charta vorliegt. Ansonsten wäre die Bestimmung des Artikels 51 der VN-Charta überflüssig. Das Selbstverteidigungsrecht besteht vielmehr so lange, bis es dem Sicherheitsrat gelingt, mittels einer Kapitel-VII-Resolution die internationale Sicherheit wiederherzustellen. Dies ist bislang nicht erfolgt.
Verstärkende Legitimationswirkung für die Ausübung des kollektiven Selbstverteidigungsrechts entfaltet die Sicherheitsratsresolution 2249. Sie ist zwar keine Resolution nach Kapitel VII der VN-Charta. Sie stellt aber mit den Formulierungen des Kapitel VII fest, dass der IS eine Bedrohung für den Frieden und die internationale Sicherheit ist. Des Weiteren erwähnt sie mehrfach, dass diese Bedrohung auch darin begründet liegt, dass der IS weite Gebiete des Iraks und Syriens beherrscht. Daher ruft der Sicherheitsrat die Staaten, die dazu in der Lage sind, dazu auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um weitere Terrorakte des IS zu verhindern.
Ergänzend stützt sich der Einsatz auf die EU-Beistandsklausel nach Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrages. Dieser lautet: „(7) Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung, im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen. Dies lässt den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt. Die Verpflichtungen und die Zusammenarbeit in diesem Bereich bleiben im Einklang mit den im Rahmen der Nordatlantikvertrags-Organisation eingegangenen Verpflichtungen, die für die ihr angehörenden Staaten weiterhin das Fundament ihrer kollektiven Verteidigung und das Instrument für deren Verwirklichung ist.“
Es ist lediglich von einem Angriff auf das Hoheitsgebiet eines Staates die Rede, nicht jedoch davon, dass der Angriff von einem souveränen Staat ausgehen muss. Auf dem Treffen des Rates der EU-Verteidigungsminister in Brüssel am 17. November 2015 haben alle Mitgliedstaaten einhellig den französischen Antrag nach Artikel 42 Absatz 7 EU-Vertrag unterstützt und ihren Beistand zugesichert.
Mit freundlichen Grüßen
Carola Stauche