Portrait von Carola Stauche
Carola Stauche
CDU
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Carola Stauche zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Hubertus S. •

Frage an Carola Stauche von Hubertus S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Stauche,

Sie kennen gewiss die unwürdigen Vorgänge in Unterwellenborn um die Aufnahme von Flüchtlingen.Welche Möglichkeiten sehen Sie, sich persönlich als Abgeordnete des Bundestages dort einzubringen und mitzuhelfen, dass würdige Verhältnisse hergestellt werden können? Den Menschen, die unsere Hilfe und Unterstützung benötigen, würde das sehr helfen.
Noch ein anderes Anliegen.Die Feierlichkeiten zu 25 Jahre Grenzöffnung sind vorüber. Im nächsten Jahr stehen wieder 25 Jahre in Aussicht. Ich frage Sie deshalb, welche Pläne und Gedanken hat Ihre Fraktion und Sie persönlich, Art. 146 GG in die Tat umzusetzen?. Schließlich leben wir mit einem Provisorium als GG. Es wäre doch an der Zeit, das demokratische Anliegen Art. 146 GG Wirklichkeit werden zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Scholz

Portrait von Carola Stauche
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Scholz,

vielen Dank für Ihre Frage vom 15. November 2015; bitte entschuldigen Sie die späte Antwort.

Zu Ihrer ersten Frage: In den vergangenen Monaten standen viele Regionen in Deutschland vor der Herausforderung, eine deutlich gestiegene Anzahl an Flüchtlingen aufzunehmen, so auch wir im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. An so manchen Stellen kam es dabei zu Problemen, die zum Teil auf infrastrukturelle Herausforderungen zurückzuführen waren, zum Teil auch mit mangelnder Kommunikation zu tun hatten.

Der Bund hat sich in den vergangenen Monaten mit der Thematik auseinandergesetzt und in mehreren Punkten im Rahmen seines Verantwortungsbereichs gehandelt (die konkrete Unterbringung von Flüchtlingen ist Sache der Länder). Hier einige Beispiele:

- So gibt es zeitlich befristete Erleichterungen und Vereinfachungen im Bereich des Bauleitplanungsrechts und der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Anlagen zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Möglich wird etwa die Umwidmung von Büro- oder Geschäftsgebäuden zu Unterkünften oder die Unterbringung von Flüchtlingen auf solchen Flächen, die unmittelbar an einen bebauten Ortsteil anschließen bzw. in Gewerbegebieten.
- Auch haben sich Bund und Länder auf ein Gesamtkonzept zur finanziellen Entlastung von Ländern und Kommunen bei der Unterbringung von Asylbewerbern geeinigt. Im Bereich der Betreuung von minderjährigen Flüchtlingen soll die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern organisatorisch und finanziell vertieft werden.
- Nach den Misshandlungen von Asylsuchenden durch Angehörige privater Sicherheitsfirmen soll das Bewachungsrecht überarbeitet werden, so dass solche Ereignisse sich nicht wiederholen können.

Der Bund nimmt seine Verantwortung ernst und trägt seinen Teil dazu bei, dass Flüchtlinge und Verfolgte bei uns eine Zuflucht erhalten.

Zu Ihrer zweiten Frage: Artikel 46 GG lautet in der gegenwärtigen Fassung: „Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“ In der ursprünglichen Fassung von 1949 hieß es dagegen: „Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.
Dies bedeutete, dass das Grundgesetz nur in den damals bereits zur Bundesrepublik Deutschland gehörenden Ländern - damals also ohne das Saarland und die Länder im Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone/DDR - und nur für eine Übergangszeit beschlossen worden war und seine Gültigkeit verlieren sollte, wenn eine andere, vom Deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossene Verfassung in Kraft treten würde.

Damit war nicht nur die räumliche Selbstbeschränkung des Grundgesetzes auf das Gebiet der damaligen Bundesrepublik dokumentiert; sondern es wurde auch festgelegt, dass es seine eigene zeitliche Geltung zur Herstellung der Einheit in Freiheit unter Vorbehalt gestellt hatte.

Neben dem damit offen gehaltenen Weg zu einer Wiedervereinigung über eine Neukonstituierung mit einer neuen Verfassung sah das Grundgesetz in seinem ursprünglichen Artikel 23 aber von vornherein auch die Möglichkeit vor, durch einen Beitritt der andere Teile Deutschlands die Einheit herzustellen und das Grundgesetz dort in Kraft zu setzen. Dazu passt auch die Aussage der Präambel, wonach das deutsche Volk in den 1949 mitwirkenden Ländern „auch für jene Deutschen gehandelt hat, denen mitzuwirken versagt war“. Insofern stellte der oben genannte Vorbehalt weder einen Automatismus noch eine Notwendigkeit dar, sondern lediglich eine Möglichkeit.

Zunächst wählte das Saarland, später auch die DDR den Weg über den Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland. Infolgedessen wurde das Grundgesetz 1956 im Saarland und am 03.10.1990 im Gebiet der ehemaligen DDR in Kraft gesetzt.

Ebenfalls im Einigungsvertrag vereinbart und vom verfassungsändernden Gesetzgeber mit Zweidrittelmehrheit beschlossen wurden darum die Verfassungsänderungen der Präambel und des Artikels 146. Die in der ursprünglichen Fassung des Grundgesetzes offen gehaltene Möglichkeit, dass mit ihm nur für eine Übergangszeit eine neue Ordnung geschaffen wurde, wurde 1990 gestrichen und durch die Feststellung ersetzt, dass die Deutschen in den seit dem 03.10.1990 zur Bundesrepublik Deutschland gehörenden Ländern in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet haben und dass das Grundgesetz damit für das gesamte deutsche Volk gilt.

Die Feststellung, dass das Grundgesetz nach der Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, ist darum heute auch Bestandteil des geltenden Artikels 146 GG. Eine Aufforderung an das Parlament oder das deutsche Volk, das Grundgesetz noch einmal zu beschließen oder über eine andere Verfassung abzustimmen, ist dieser Bestimmung nach der in der Rechtswissenschaft herrschenden Ansicht nicht zu entnehmen. Der verbliebene Hinweis, dass das Grundgesetz seine Gültigkeit an dem Tag verliert, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die vom deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist, bedeutet nach herrschender Meinung lediglich den Hinweis auf die Möglichkeit einer späteren Verfassungsablösung und das Erfordernis, dass jede Verfassung, die das Grundgesetz ablösen wollte, durch eine freie Entscheidung des deutschen Volkes legitimiert sein müsste.

Auch die Annahme, nur eine durch Volksabstimmung angenommene Verfassung könne das als Provisorium gedachte Grundgesetz ablösen, ist nicht haltbar. Durch das Prinzip der repräsentativen Demokratie kommt der Volkswille zum Ausdruck. Eine freie Entscheidung des Volkes muss nicht gleichbedeutend sein mit „Volksentscheid“, sondern ist auch gewährleistet durch die freie, gleiche, geheime und direkte Wahl des Gesetzgebers.

Zusammengefasst lässt sich sagen: Weder ist das Grundgesetz ein Provisorium, noch ist eine Volksabstimmung darüber notwendig. Das bedeutet nicht, dass es keine neue Verfassung mit einer Volksabstimmung geben könne. In der Diskussion wurde auch gelegentlich darauf hingewiesen, dass eine neue Verfassung eine integrierende Wirkung haben könne. Ob dies der Fall ist, sei dahingestellt; ich denke, Einheit und Integration lebt viel mehr vom positiven Wollen der Menschen, als vom Buchstaben dieses oder jenes Gesetzes.

Ich habe jedenfalls den Eindruck, dass das unsere Verfassung, von der wir als Grundgesetz sprechen, eine hervorragende Basis für ein freies und friedliches Miteinander bietet.

Mit freundlichen Grüßen

Carola Stauche