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Frage von Jürgen R. •

Frage an Carola Stauche von Jürgen R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Stauche,

vielen Dank für Ihre Antwort vom 15. Mai 2012.
Ich hatte die Erwartung, Sie würden meine Fragen beantworten. Stattdessen werde ich mit Textbausteinen und inhaltsleeren Worthülsen abgespeist, drehen Sie semantische Pirouetten um die Begriffe „ausreichend“ und „geeignet“.
Sie wurden in der DDR sozialisiert und haben in der Schule gelernt, dass das Kriterium der Wahrheit die Praxis ist. Das dürfte auch heute noch stimmen.
In der Praxis gibt es schon seit langem Tarifverhandlungen. Und Sie gehen allen Ernstes davon aus, dass die von Ihnen favorisierte „tarifliche Lohnuntergrenze“ eine andere Wirkung entfalten wird als das Tarifverhandlungen gegenwärtig tun?
Inzwischen sind 1,4 Mio. Menschen darauf angewiesen, ihren Lohn mit Hartz IV aufzustocken, Tendenz steigend.
Abgesehen von der Entwürdigung der Menschen, die trotz Arbeit Hilfe zum Lebensunterhalt beantragen müssen, ist es auch völlig unverständlich, warum Unternehmensgewinne über diese Leistungen subventioniert werden – zu Lasten der Steuerzahler.
Die von Ihnen beschriebenen „Erfolge in der Arbeitsmarktpolitik“ sind schlicht und ergreifend auf die Folgen des demografischen Wandels zurückzuführen.
Welchen Mindestlohn halten Sie persönlich für ausreichend bzw. geeignet, ein Leben in Würde (Art.1 GG) führen zu können?

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Reuß

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Reuß,

ich habe Ihnen meine Position zu diesem Thema klar gemacht.

In der Kommission sitzen nicht nur Arbeitgeber, sondern auch Arbeitnehmervertreter. Ich bin überzeugt, diese werden gemeinsam eine faire Lohnuntergrenze aushandeln. Wie bereits gesagt, halte ich persönlich es für wichtig, dass bei den Gehältern kein Unterschied mehr zwischen Ost und West gemacht wird.

Wenn Sie vom Kriterium der Wahrheit sprechen, sollten Sie bei der Wahrheit bleiben. Die Zahlen, die Sie in Bezug auf Hartz IV-Aufstocker nennen, sind irreführend. Mitnichten handelt es sich bei den Hartz IV-Aufstockern um Vollzeitbeschäftigte. Ferner zeigt sich, dass von den 1,3 Millionen so genannten Aufstockern nur ein geringer Teil im ursprünglichen Sinne Aufstocker ist. Denn der überwiegende Teil von ihnen (ca. 75 Prozent) arbeitet in Teilzeit (IW 2009): 57 Prozent der erwerbstätigen ALG II-Empfänger arbeiten in einem Mini-Job, rund 20 Prozent gehen einem Midi-Job nach. Eine echte Aufstockung, die auf einer vollzeitnahen Tätigkeit gründet (Bruttoeinkommen von mindestens 800 Euro je Monat), erhalten etwa 25 Prozent der erwerbstätigen Hilfebedürftigen.

Ob dieses Befundes ist der Begriff „Aufstocker“ irreführend. Der Begriff suggeriert, dass man trotz Vollzeitarbeit hilfebedürftig ist. Da aber der überwiegende Teil der erwerbstätigen Hilfebedürftigen in der Regel nur einer Erwerbstätigkeit in geringfügigem Umfang (v.a. Minijobs) nachgeht und daneben Grundleistungen bezieht, ist Aufstockung trotz Vollzeittätigkeit eher die Ausnahme.

Die echte Aufstockung ist vor allem bei größeren Bedarfsgemeinschaften zu beobachten. Die meisten der oben genannten vollzeitnahen Tätigkeiten werden daher von Familien ausgeübt, bei denen einer oder sogar beide Partner voll arbeiten und allein aufgrund ihrer Familiengröße ergänzend Grundsicherungsleistung erhalten. Bei diesen vollzeiterwerbstätigen Aufstockern beläuft sich das durchschnittliche Bruttoeinkommen auf rund 10,40 Euro je Stunde (IW 2007). Aufstockung trotz Vollzeitarbeit kann daher nicht in erster Linie mit einem zu geringen Stundenlohn begründet werden, sondern ist vielmehr der Größe der zu versorgenden Bedarfsgemeinschaft geschuldet.

Übrigens stelle ich mir demokratische Öffentlichkeit so vor: Bürgeranfragen ohne Mittler direkt zu beantworten: in meiner Bürgersprechstunde, in meinen regelmäßigen Politikbriefen, auf meiner eigenen Internetseite und in meinen Antworten auf schriftliche Bürgeranfragen. Bitte schicken Sie weitere Fragen an mich persönlich unter: carola.stauche@bundestag.de. Dann werde ich ohne Umwege antworten.

Ich biete Ihnen an, Ihre Frage und meine Antwort auf meiner Internetseite einzustellen, wenn Sie es wünschen. Damit können Sie die Öffentlichkeit herstellen, die wir uns gemeinsam wünschen. Denn wie Sie halte ich Transparenz für sehr wichtig. Deshalb freue ich mich, wenn Sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen würden.

Mit freundlichen Grüßen

Carola Stauche