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Carmen Wegge
SPD
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Frage von Daniela F. •

Werden Sie dem Antrag 20/4886 der CDU/CSU Fraktion zum Thema ME/CFS zustimmen? Falls nicht: Warum?

Sehr geehrte Frau Wegge, ich gehöre zu den mindestens 500.000 an ME/CFS erkrankten Menschen in Deutschland. Der zum Thema ME/CFS gestellte Antrag 20/4886 wurde, wie Sie sicher wissen, am 19.01.2023 im Bundestag diskutiert. Alle Fraktionen waren sich einig, dass dringend etwas passieren muss, um den Erkrankten zu helfen.
Ich würde gern wissen, ob Sie persönlich dem Antrag zustimmen werden? Und falls nicht: Warum? Über eine kurze Rückmeldung würde ich mich freuen. Vielen Dank und freundliche Grüße
Daniela F.

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SPD

Sehr geehrter Frau F.,

 

vielen Dank für ihre Nachricht, Ihren Wunsch nach mehr Unterstützung für die Behandlung und bessere Versorgung von Personen, die an ME/CFS erkrank sind, kann ich gut verstehen. Hilfe für die Diagnose ME/CFS zu bekommen ist leider ein Herausforderung: Es gibt aktuell kaum medizinische Spezialist*innen für die Behandlung und auch die Krankheit als solche ist noch zu wenig erforscht. Mir ist bewusst, welch langwierigen Leidensweg Menschen und ihre Angehörigen hinter sich haben, bis sie zu dieser niederschmetternden Diagnose gelangen. Sie können sich sicher sein, dass wir als SPD-Fraktion Ihre Sorgen und Anliegen sehr ernst nehmen.

 

Die Union hat Anfang des Jahres einen Antrag eingebracht, der fordert die bereits von der Koalition geplanten Maßnahmen noch weiter zu fördern und an einigen Stellen auszuweiten. Der Bundestag hat über diese Vorschläge beraten und den Antrag anschließend an den Gesundheitsausschuss überweisen, der ihn in einer Beschlussempfehlung abgelehnt hat. Der Antrag stellt Forderungen, die nicht in der Kompetenz des Bundes liegen, in Teilen sollen sogar Handlungsanweisungen für die medizinische Behandlung vorgeben werden, was weder möglich noch vernünftig ist.

 

Die inhaltliche Grundrichtung des Antrags teile ich allerdings. Wir brauchen eine bessere Versorgung für Personen mit ME/CFS. Die Bundesregierung hat diese Notwendigkeit ebenso klar erkannt. Das ist auch der Grund, warum das Bundesministerien für Gesundheit (BMG) und das Bundesministerium für Bildung & Forschung (BMBF) bereits in enger Abstimmung mit uns im Parlament zahlreiche Maßnahmen auf den Weg gebracht haben.

 

Die Erforschung von ME/CFS ist derzeit leider noch unbefriedigend. Die konkreten Ursachen der Erkrankung sind weiter nicht im Detail bekannt, da es sich um ein sehr vielfältiges Krankheitsbild handelt. Grundlagenforschung ist daher das Gebot der Stunde, um Anhaltspunkte für die Entwicklung einheitlicher Diagnosekriterien und wirksamer Therapieansätze zu finden. Das BMBF fördert deshalb bereits die Etablierung der Nationalen Klinischen Studiengruppe „Post-Covid Syndrom und ME/CFS“ zur Durchführung von klinischen Phase II-Studien mit insgesamt zehn Millionen Euro bis Ende 2023. Hier sollen bereits zugelassene Medikamente identifiziert werden, die bei positiven Studienergebnissen schnell in die Versorgung gelangen können.

 

Das BMG wiederum fördert im Rahmen seiner Ressortforschung derzeit einen Verbund des Klinikums rechts der Isar der TU München und der Charité Berlin. Ziel ist der Aufbau eines altersübergreifenden klinischen Registers mit einer Biodatenbank. Die durch das Register gewonnenen Daten werden explizit auch Patientinnen und Patienten mit ME/CFS nach einer COVID-19-Infektion erfassen.

 

Die gemeinsamen Anstrengungen der Bundesregierung werden in einem beim BMG angesiedelten Arbeitsstab zwischen den beteiligten Ressorts fortlaufend koordiniert. In die Arbeit des Stabes fließen kontinuierlich auch Hinweise und Forschungsanstrengungen aus aller Welt mit ein. Darüber hinaus hat das BMG das Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bereits im März 2021 damit beauftragt, den aktuellen Wissenstand zu ME/CFS bis Juni 2023 systematisch aufzuarbeiten. Das IQWiG hat gemäß gesetzter Frist bereits am 15.05.2023 einen umfassenden vierteiligen Bericht vorgelegt. Darin wird ausführlich auf den Wissensstand zum Krankheitsbild sowie die Studienlage zu etablierten Therapieverfahren und deren Nutzen eingegangen. Der Bericht stellt fest, dass die Evidenzlage zur Behandlung von ME/CFS schwach und die Erkrankung insgesamt noch wenig verstanden ist. Dennoch wurden Empfehlungen zu notwendigen und weitergehenden Gesundheitsinformationen sowie Handlungsoptionen für die Gesundheitspolitik, Ärzteschaft und Wissenschaft formuliert. Gemeinsam mit der Bundesregierung sind wir nun mit der Auswertung dieser Informationen befasst.

 

Im Lichte dieses Berichts werden dann auch  die bereits laufenden Aufklärungskampagnen – beispielsweise durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) – weiter ausgebaut und auf eine noch validere Grundlage gestellt. Auch dies wird jedoch noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

 

Darüber hinaus hat der Bundesminister für Gesundheit, Prof. Dr. Karl Lauterbach, erst jüngst die Dringlichkeit verstärkter Forschungsanstrengungen zu Long-Covid und ME/CFS öffentlichkeitswirksam unterstrichen. In diesem Zusammenhang hat er angekündigt, sich für die Aufstockung der Forschungsmittel des Bundesministeriums für Gesundheit für diesen Bereich in den kommenden Haushaltsberatungen des Deutschen Bundestages einzusetzen. 

 

Die Ampelkoalition hat sich außerdem in ihrem Koalitionsvertrag auf das Ziel der Schaffung eines deutschlandweiten Netzwerks von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen für Long-COVID und ME/CFS-Betroffene verständigt. Nun wird es darauf ankommen, diese Vereinbarung gemeinsam mit Ländern und Kassenärztlichen Vereinigungen auch umzusetzen. Hierzu laufen zwischen den beteiligten Ressorts der Bundesregierung bereits intensive Gespräche. Mit einer Umsetzung rechne ich derzeit in der zweiten Jahreshälfte 2023.

 

Selbsthilfevereinigungen und die Akteure des Gesundheitswesens sind aber ihrerseits bereits aktiv geworden und haben Anlaufstellen für die betroffenen Menschen und ihre Angehörigen identifiziert und veröffentlicht. Beispiele sind das Fatigue Centrum der Charité — Universitätsmedizin Berlin oder auch das Netz von Long-Covid-Ambulanzen. Um die Versorgungssituation zügig weiter zu verbessern, haben wir im Parlament bereits mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz im Dezember 2022 den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), das höchste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, gesetzlich damit beauftragt, bis zum 31. Dezember 2023 eine Richtlinie für eine berufsgruppenübergreifende koordinierte und strukturierte Versorgung für Personen mit Long-/Post-COVID zu beschließen. Der G-BA kann dabei den Anwendungsbereich der Richtlinie auch auf die Versorgung von ähnlichen oder hiermit in Verbindung stehenden Krankheitsbildern erstrecken. Hierfür käme auch ME/CFS in Betracht. 

 

Uns ist bewusst, dass trotz aller Anstrengungen die Forschungs- und Versorgungslage für die betroffenen Menschen und Ihre Angehörigen derzeit noch nicht zufriedenstellend ist. Darum werden wir nicht nachlassen, auf Ihr Anliegen auch weiterhin im Rahmen unser Möglichkeiten bei Wissenschaft, Forschung und Ärzt*innenverbänden hinzuweisen, Fortschritte anzumahnen und durch finanzielle Mittel zu unterstützen. Wir sind Ihnen deshalb für ihre Fragen und kritischen Anmerkungen sehr dankbar.

 

Ich hoffe, dass Sie Hilfe vor Ort erhalten. Mehrere neurologische Praxen spezialisieren sich zunehmend besser für ME/CFS Patient*innen an, beispielsweise das MRI Chronisches Fatigue Centrum (MCFC) München bietet Sprechstunden für betroffene Kinder und Jugendlich an. Auf der Plattform https://www.fasynation.de/ informieren und unterstützen sich Betroffene gegenseitig.

 

Ich wünsche Ihnen persönlich viel Kraft und alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen

Carmen Wegge

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