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Carmen Wegge
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Frage von Michael S. •

Sehr geehrte Frau Wegge, wie stehen sie zum Thema "Dienstpflicht"?

Sollte eine sog. Dienstpflicht eingeführt werden, die unter anderem die alte Wehrpflicht ersetzt? Wäre es sinnvoll eine Dienstpflicht von 12 Monaten einzuführen die für Männer und Frauen gleichermaßen gilt und in den verschiedensten Bereich abgeleistet werden kann wie z.B. Wehrdienst, Katastrophenschutz, Umweltschutz, Sozial- und Pflegeberich?

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Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Frage. Nach der Aussetzung der Wehrpflicht und damit auch dem Ende des verpflichtenden Zivildienstes wurde immer wieder über die Rückkehr der Wehrpflicht oder die Einführung eines verpflichtenden sozialen Jahres mit Möglichkeit eines Wehrdienstes diskutiert. 

Als Argumente wurden immer wieder die Stärkung der Landesverteidigung zum einen und die Verhinderung rechtsextremer Strukturen und einer in sich geschlossenen Berufsarmee als Staat im Staat genannt. Beide Ziele sehe ich allerdings heute nicht mehr als Begründung eines Wehrdienstes: Zum einen war der Wehrdienst in den letzten Jahrzehnten seiner Existenz ein Minusgeschäft und anstatt einer Grundausbildung, die zur Landesverteidigung hilfreich wäre oder gar gewinnbringenden Erfahrung für die jungen Männer mehr eine Zeitverschwendung. Sogar die Bundeswehr selbst setzt bei Ihren Forderungen zur besseren Ausrüstung und Aufrüstung nicht auf eine Wehrpflicht. Zum anderen darf es nicht die Aufgabe von jungen Wehrdienstleistenden sein, sich gegen rechtsextreme Strukturen zu stellen, sondern die Aufgabe des Staates und seiner Sicherheitsbehörden. 

Anstatt einer Wehrpflicht wird immer wieder ein verpflichtendes soziales Jahr ins Spiel gebracht, aber auch gegen ein solches Konzept sehe ich klare Argumente. 

Schon heute gibt es viele Möglichkeiten für junge Menschen, sich ehrenamtlich in politischen Organisationen, sozialen Einrichtungen oder im Rahmen eines freiwilligen sozialen Jahres (FsJ) oder Bundesfreiwilligendienstes (BfD) zu engagieren. Diese Angebote werden auch zahlreich angenommen, stehen allerdings natürlich nur denjenigen Jugendlichen offen, die die finanziellen Freiheiten haben, eine ehrenamtliche Tätigkeit oder ein meist sehr schlecht bezahltes Freiwilligenjahr zu leisten. Viele Kinder und Jugendliche sind auf besser bezahlte Nebenjobs angewiesen, weil sie von ihren Eltern nicht ausreichend unterstützt werden können. Für sie würde ein verpflichtendes soziales Jahre auf Basis eines Lohns ähnlich von dem ehemaliger Zivildienstleistender, große finanzielle Probleme auslösen. 

Freiwillige Angebote müssen daher deutlich besser bezahlt werden, ehrenamtliche Tätigkeit unterstützt und wertgeschätzt werden und junge Menschen generell finanziell entlastet werden, durch elternunabhängiges BAföG, eine Kindergrundsicherung, die Teilhabe mit in den Blick nimmt und ein Bildungssystem, dass nicht nur auf Leistung trimmt, sondern die Kinder und Jugendliche wirklich auf ihr Leben vorbereitet.

Zudem bin ich auch im Hinblick auf den Freiwilligendienst der Meinung, dass das Funktionieren von Krankenhäusern oder Altersheimen nicht auf den Schultern von unterbezahlten und unausgebildeten Freiwilligen liegen darf. Pflegeberufe sind nicht umsonst Ausbildungsberufe, die man nicht innerhalb einer kurzen Grundausbildung erlernen kann. Der Pflegenotstand muss dadurch behoben werden, dass Angestellte im Gesundheitsbereich Anerkennung und Lohnerhöhungen erhalten, die sie verdienen und diese Berufe dadurch attraktiver werden, nicht dadurch, dass Freiwillige zu schlechten Bezügen in diese Jobs gezwungen werden. Das ist im Übrigen auch die Forderung zahlreicher Interessensvertreter*innen aus der Pflege, die immer wieder artikulieren, dass mehr Freiwillige nicht die Probleme in der Pflege lösen würden. Auch den Katastrophenschutz müssen wir besser finanziell unterstützen und ausbauen, woran wir seit mehreren Jahren bereits arbeiten. 

Insgesamt lehne ich sowohl die Wiedereinführung der Wehrpflicht als auch die Einführung eines verpflichtenden sozialen Jahres ab und diese Einschätzungen teilt auch die überwiegende Mehrheit in meiner Partei.

Mit freundlichen Grüßen 

Carmen Wegge

 

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