Frage an Caren Marks von Stephan W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Frau Marks!
Ich weiss, dass dieses Thema nicht zu Ihren Kernthemen zählt, aber ich will dennoch eine öffentliche Frage an Sie stellen, weil Sie ja als meine Vertreterin im Bundestag abstimmungsberechtigt sind:
Wie stehen Sie angesichts der Snowden-Enthüllungen zur geplanten Vorratsdatenspeicherung?
Halten Sie es für vertretbar, dass jegliche Kommunikation z.B. mit Ihnen, Psychologen, Ärzten, Rechtsanwälten, Journalisten, Seelsorgern, etc... zukünftig in Datenbanken verpflichtend gespeichert werden (und dabei auch sämtliche Standortdaten Ihrer Wähler), obwohl bekannt ist, dass diese von befreundeten genauso wie "verfeindeten" Geheimdiensten durch solche Datenbanken ausgewertet werden können?
Könnten Sie verantworten, dass der "höhere Zweck" der "Terror-" oder Kriminalitätsbekämpfung, das Grundrecht auf "Privatheit" (Art. 2 i.V.m. Art 1 GG) mit staatlichem Wissen und Wollen aufhebt?
Mir persönlich ist es beinahe vollkommen egal, dass es "totale Vollidioten" (ja, diesen Begriff habe ich mit Bedacht gewählt!) gibt, die ihre Menschenrechte via Facebook, Apple-Produkten, Whatsapp, oder ähnlichen privaten Überwachungstools aus Bequemlichkeits- oder gar wirtschaftlichen (Versicherungstarife für KFZ oder Gesundheit) Gründen gedankenlos aufgeben. Ich tue es aus guten Gründen nicht!
Was bitte spricht jemals für eine Totalüberwachung jedes gesetzestreuen Bürgers? Halten Sie persönlich die "Stasi" nur für Stümper, die lediglich für die "falschen Ziele" gearbeitet haben? Ihre Antwort erwarte ich tatsächlich brennendem Interesse, weil ich bisher der Meinung bin/war, dass eine linke(re) Politik gegenüber den offenen Verfassungsfeinden der CxU-Parteien eine wirkliche Alternative bieten könnte.
Sehr geehrter Herr Walter,
gern nehme ich Stellung zu Ihrer E-Mail vom 28. Mai, in der Sie sich kritisch zur Vorratsdatenspeicherung äußern. Vorausschicken möchte ich, dass weder Verbindungsdaten noch Kommunikationsinhalte mit den von Ihnen erwähnten Psychologen, Ärzten, Rechtsanwälten, Seelsorgern oder anderen Personen, die Berufsgeheimnisträger sind, gespeichert werden. Diese Daten unterliegen einem Verwertungsverbot. Dies gilt auch bei Zufallsfunden. Die so genannte Vorratsdatenspeicherung ist ein Mittel der Strafverfolgung und nicht der Strafprävention. Der Datenabruf ist dabei nur zur Verfolgung schwerster Straftaten möglich. Mit den von Bundesjustizminister Heiko Maas vorgelegten Leitlinien wird eine eng begrenzte Pflicht für alle Telekommunikationsanbieter zur Speicherung von wenigen, genau bezeichneten Verkehrsdaten unter Ausnahme von Diensten der elektronischen Post, also E-Mail, eingeführt. Oberste Richtschnur aller Regelungen sind für uns die strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes. Die Vorschläge des Ministers sind viel restriktiver als das vom Bundesverfassungsgericht aufgehobene, ehemalige Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, als die aufgehobene europäische Richtlinie und auch deutlich restriktiver als CDU/CSU es wollen:
- Gespeichert werden müssen nur genau bezeichnete Verkehrsdaten, die bei der Telefonkommunikation anfallen (Rufnummer, Beginn und Ende des Telefonats, im Fall von Internet-Telefondiensten auch die IP-Adressen). Diese Daten sollen zehn Wochen gespeichert werden.
- Für die Bezeichnung der Funkzellen, die durch den anrufenden und den angerufenen Anschluss bei Beginn der Verbindung genutzt werden, gilt eine deutlich kürzere Speicherfrist von vier Wochen. Diese kurze vierwöchige Speicherfrist ist vorgesehen, weil über Funkzellendaten der Aufenthaltsort des Mobilfunknutzers bestimmt werden kann und wir nicht wollen, dass mittels dieser Daten Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile erstellt werden können. Zusätzlich muss im richterlichen Anordnungsbeschluss einzelfallbezogen begründet werden, warum der Abruf von Funkzellendaten erforderlich und angemessen ist. Anders als etwa in Frankreich dürfen Kommunikationsinhalte und aufgerufene Internetseiten nicht gespeichert werden.
- Wichtig ist, dass der Zugriff auf die gespeicherten Daten transparent und restriktiv geregelt ist: Es gibt einen strengen Richtervorbehalt, d.h. nur auf richterlichen Beschluss hin dürfen Ermittlungsbehörden die Daten abrufen und es gibt keine Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft oder der Polizei. Im Vergleich zu der vom Bundesverfassungsgericht verworfenen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung ist der von Minister Maas vorgelegte Straftatenkatalog deutlich reduziert worden. Der Abruf von Daten wird nur für schwerste Straftaten möglich sein. Darüber hinaus müssen die Betroffenen grundsätzlich über jeden Abruf informiert werden. Nach Ablauf der Speicherfrist von zehn bzw. vier Wochen müssen die gespeicherten Daten gelöscht werden. Verstöße gegen die Löschpflichten oder die Weitergabe von Daten haben strenge Sanktionen für die Diensteanbieter zur Folge.
- Die Leitlinien enthalten zudem eine datenschutzrechtliche Verbesserung zur geltenden Rechtslage: Das Gesetz wird die Befugnis der Ermittlungsbehörden zum Abruf der genannten Daten abschließend regeln. Speichert ein TK-Anbieter die Daten über den verpflichtend vorgegebenen Zeitraum auf Grund einer anderen Rechtsgrundlage, z.B. zu Zwecken der Vertragserfüllung, weiterhin, so ist der Abruf nach diesem Gesetz dennoch nach Ablauf der 10 bzw. 4 Wochen untersagt.
- Um die Sicherheit der gespeicherten Daten zu gewährleisten, werden die Diensteanbieter zudem verpflichtet, die Daten zu schützen. Auch müssen die Server, auf denen die Daten gespeichert werden, innerhalb Deutschlands stehen. Wenn ein Diensteanbieter mit den gespeicherten Daten Datenhandel treibt und diese unbefugt an Dritte weitergibt, ist dies zukünftig eine Straftat nach dem neu zu schaffenden Tatbestand der Datenhehlerei.
Wie Sie sicher der Presse entnommen haben, wird das Thema Vorratsdatenspeicherung auch in der SPD sehr kontrovers diskutiert. Meines Erachtens müssen wir uns der Herausforderung stellen, dass die Verfolgung schwerster Kriminalität ohne einen verbesserten, gesetzlich geregelten, unter richterlichem Vorbehalt stehenden Zugang zu Kommunikationsdaten immer schwieriger wird. Der nun von Heiko Maas vorgelegte Gesetzentwurf ist, wie ich finde, ein Kompromiss zwischen den berechtigen Interessen der Bürgerinnen und Bürger am Schutz ihrer Daten und den verbesserten Möglichkeiten zur Strafverfolgung und bietet eine gute Grundlage für weitere parlamentarische Beratungen.
Mit freundlichen Grüßen
Caren Marks, MdB