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Frage von sarah T. •

Frage an Caren Marks von sarah T. bezüglich Verbraucherschutz

Guten Tag Frau Marks,

wie stehen Sie zum Transatlantisches Freihandelsabkommen ?
Werden sie dafür stimmen?

Mit freundlichen Grüßen

Sarah Twardowski

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Twardowski,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ (TTIP).

Von einem transatlantischen Freihandelsabkommen erhoffen sich Europa und die USA wirtschaftliche Wachstumspotenziale auf beiden Seiten des Atlantiks. Wirtschafts-, wettbewerbs- und handelspolitische Interessen sollen hiermit harmonisiert werden. Hierbei legt die SPD-Bundestagsfraktion besonderen Wert darauf, dass die jeweils fortschrittlichsten Regeln hinsichtlich ökonomischer, sozialer, verbraucherpolitischer, ökologischer und datenschutzrechtlicher Standards, der Regulierung der Finanzmärkte und deren Transparenz zugrunde gelegt werden. Gelingt dies, stehen wir, die Abgeordneten der SPD-Bundestagsfraktion, einem solchen Abkommen grundsätzlich positiv gegenüber. Insbesondere an einem Punkt müssen wir weiter arbeiten, damit dieses Abkommen unsere Standards nicht gefährdet, und das ist die Frage des Investitionsschutzes, auf die ich im Folgenden genauer eingehen möchte.

Handels- und Investitionsbeziehungen müssen offen und transparent ausgehandelt werden und auf fairen Voraussetzungen und gegenseitigem Respekt basieren. In Europa und in den USA wird hinreichender Schutz für Investitionen durch die jeweiligen Rechtsordnungen gewährt. Investitionsschutzvorschriften sind deshalb unserer Ansicht nach nicht erforderlich, wie das Ausmaß wechselseitiger Investitionen im transatlantischen Verhältnis zeigt.

Dass im Rahmen der Verhandlungen zum TTIP- Kooperationsabkommen auch gemeinsame Regeln für Investitionen gefunden werden sollen, ist Neuland für die EU, die bislang noch kein eigenständiges Investitionsabkommen mit einem Drittstaat abgeschlossen hat. Umso wichtiger wird also die Ausgestaltung der Regelungen im TTIP sein, da diese - wie auch die Vereinbarungen im Abkommen mit Kanada, dessen Abschluss noch aussteht - durchaus Modell für andere Abkommen werden können.

Investitionsschutz darf Investoren aus den USA, die in der EU tätig sind, keine größeren Rechte einräumen, als sie europäischen Investoren gewährt werden. Das gilt auch im Verhältnis von europäischen Investoren in den USA. Für alle Investoren müssen der ordentliche Rechtsweg und das Rechtsschutzsystem in dem Staat, in welchem investiert wurde, bindend sein. Über Investitionsschutzabkommen darf darüber hinaus nicht das geltende Recht im Zielland umgangen werden.

Die sogenannten „investor-to-state“-Streitverfahren, also die Möglichkeit von Schadensersatzklagen vor privaten internationalen Schiedsgerichten, sind häufig einseitig auf die Interessen der Investoren ausgerichtet. Zwischen den legitimen Interessen der Investoren auf Rechtsschutz, also insbesondere Schutz vor Enteignung, und denen des aufnehmenden Staates, seine Politiken an neue Gegebenheiten anzupassen, gibt es ein Spannungsfeld. Es ist keinesfalls akzeptabel, dass hier Konzerninteressen Vorrang haben vor Änderungen in der Politik, beispielsweise zur Verbesserung des Umwelt- oder Gesundheitsschutzes.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt, dass diese Schiedsgerichte eben gerade keine gerechten und neutralen Vermittler im Spannungsfeld der staatlichen und privaten Interessen sind, sondern einseitig den Konzerninteressen zuneigen. Ein Beispiel ist die Klage von Vattenfall gegen Deutschland nach dem Beschluss zum Atomausstieg. In den letzten Jahren kam es – auch aufgrund der Ausgestaltung der Regeln zum Investitionsschutz – zu einer ganzen Flut von Investorklagen gegen Staaten. Hier hebelt eine kleine Gruppe von Anwälten die Gesetzgebung ganzer Staaten aus.

Die SPD-Bundestagsfraktion lehnt „investor-to-state“-Schiedsverfahren im Kooperationsabkommen mit den USA daher ab. Aus Gründen des Investitionsschutzes sind sie nicht erforderlich, zur Erhaltung nationaler Spielräume sind sie schädlich. Wir brauchen ein gerechtes und neutrales System der Streitbeilegung. Zumal bei diesem Abkommen - anders als bei anderen Abkommen der EU - auf keiner Seite die Gefahr von vermeintlich befangenen oder korrupten Gerichten besteht. Wir setzen uns dafür ein, dass der Verhandlungsgegenstand Investor-Staat-Streitbeilegung fallen gelassen und nicht weiter verfolgt wird.

Als weiteren Kritikpunkt sehe ich die Vertraulichkeit der Verhandlungen. Hier fragen wir kritisch nach und versuchen, diese Praxis zu ändern. So hat in der Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 19. Februar 2014, in der TTIP auf der Tagesordnung stand, mein Kollege Dr. Matthias Miersch genau diesen Punkt angesprochen und bemängelt. Inzwischen hat die EU-Kommission entschieden, dass es zum Bereich des Investitionsschutzes eine dreimonatige öffentliche Konsultation zur Klärung offener Fragen geben wird.

Zudem ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das Europäische Parlament und die Mitgliedsstaaten TTIP ratifizieren müssen. Sie geht davon aus, dass es sich bei TTIP um ein so genanntes Gemischtes Abkommen handeln wird, bei dem die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten Vertragsparteien sind. Es würde deshalb sowohl einer Ratifizierung auf europäischer Ebene als auch durch die Mitgliedstaaten bedürfen.

Im Fall eines Gemischten Abkommens geht die Verabschiedung mit einem Verfahren der Ratifizierung des Abkommens durch die Mitgliedstaaten einher. Hier greifen die jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften. In Deutschland müssten dann Bundestag und Bundesrat zustimmen (Art. 59 des Grundgesetzes). Wir, die Abgeordneten der SPD-Bundestagsfraktion, werden dafür Sorge tragen, dass die Inhalte dieses Vertrages im Bundestag gründlich diskutiert werden, bevor es überhaupt zu einer Ratifikation kommt. Erst wenn der Inhalt zu unserer Zufriedenheit ist, können wir zustimmen.

Zunächst muss aber das Europäische Parlament dem Vertrag zustimmen. Auf europäischer Ebene erlässt der Rat nach Zustimmung des Europäischen Parlaments einen Beschluss über die eigentliche Verabschiedung des Abkommens, mit dem es auf europäischer Ebene als ratifiziert gilt. Und hier wird Martin Schulz, unser Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten, im Falle seiner Wahl zum Kommissionspräsidenten die TTIP-Verhandlungen zur Chefsache machen und an sich ziehen. Er wird einen Beirat schaffen, der aus Vertreterinnen und Vertretern verschiedenster gesellschaftlicher Gruppierungen und Verbänden bestehen wird. Dieser Beirat wird die Verhandlungen kritisch beleuchten. Und sollten sich die bisherigen Verhandlungen als ungenügend herausstellen, wird es einen Neustart geben.

Ich versichere Ihnen, dass ich dieses Thema weiterhin kritisch begleiten werde.

Mit freundlichen Grüßen,

Caren Marks