Frage an Caren Lay von Horst G. bezüglich Soziale Sicherung
Hallo Caren,
die Stadt Bautzen hat im zurückliegenden 1 3/4 Jahr 3 x die Stromkosten für Verbraucher, insgesamt um ca 30 % erhöht. Das, obwohl die Einkaufspreise an der Strombörse Leipzig seit Jahren gesunken sind und der Bund der Energieverbraucher (bund der energieverbraucher.de) alle Stromversorger auforderte diese Preissenkungen an die Kunden weiter zugeben, was sie bis heute verweigert haben. Im letzten Jahr wurden die Stadtwerke Bautzen (EWB) von der Bundesnetzagentur deshalb sogar öffentlich gerügt, leider ohne Erfolg. Eine diesbezügliche Anfrage über den Oberbürgermeister in Bautzen wurde von den EWB inhaltlich nicht wirklich beantwortet.
Diese Angelegenheit ist auch deshalb bedeutend, da auch der Bundesgerichtshof die Grundversorger Strom, damit auch die EWB verpflichtet hat alle Kostensenkungen an die Verbraucher weiter zu geben. (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 39 VIII ZR 81/08, Rn. 18)
Meine Fragen :
-wenn sich der Bundesgerichtshof mit dieser Problematik befaßt und eindeutige Forderungen gestellt hat, warum kann die Stadt Bautzen dann dieses Urteil so einfach unterlaufen?
- meinen sie nicht, daß die Stadtverordneten Bautzen, vor allem die der Linken, diese Problematik in den Stadtrat hätten bringen müssen oder es noch tun sollten?
Viele Grüße und Erfolg in Ihrer Tätigkeit
Horst Gellert
Sehr geehrter Herr Gellert,
besten Dank für Ihre Anfrage.
Viele Energieversorger haben in letzter Zeit ihre Preise für Strom mehrfach erhöht. So zahlen ca. 25 Millionen Privathaushalte seit dem Jahreswechsel 2011 im Schnitt sieben Prozent mehr für Strom. Andersrum funktioniert es nicht so gut: So gut wie kein Stromanbieter hat Preissenkungen weiter gegeben.
DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass Energie bezahlbar bleibt. Wir fordern daher unter anderem Sozialtarife für Menschen mit niedrigen Einkommen und die Wiedereinführung der staatlichen Preisaufsicht.
Sie führen in ihrer Anfrage ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) an und fragen, weshalb die Bautzner EBW bzw. die Stadt Bautzen als Hauptanteilseigner dieses Urteil unterlaufe. Nun, die rechtliche Situation ist leider sehr klar: Der BGH hat die Preiserhebungsklausel bzw. die AGBs des konkret beklagten Energieversorgers beanstandet. Dieser wurde höchstrichterlich dazu verpflichtet, seine AGBs zu ändern und dem klagenden Kunden die gesunkenen Kosten zu erstatten. Jedoch ist das Urteil des BGH ausschließlich für die Beteiligten dieses Gerichtsverfahrens (also für den/die Kläger und den Beklagten) sowie die nachfolgenden Gerichte rechtsverbindlich. Es besteht kein Automatismus, dass ein solches Urteil für andere Unternehmen bzw. Kunden praktische Auswirkungen hat. Verbraucherinnen und Verbraucher sind daher gezwungen, selbst gegen ihren Energieversorger zu klagen. Dabei können sie sich zwar auf das entsprechende BGH-Urteil berufen. Trotzdem wird immer der Einzelfall geprüft.
Konkret heißt das, die Bautzner EBW-KundInnen müssten sich die AGBs ihrer Verträge ansehen. Wenn sie mit denen, die der BGH in seinem Urteil als unwirksam bezeichnet hat, übereinstimmen, müssten sie schriftlich dagegen Widerspruch einlegen und selbst gegen die EBW klagen. Sie können sich ggf. auch an die Verbraucherzentrale Sachsen wenden, da diese gegen Preiserhöhungen bei den Gasanbietern Erdgas Südsachsen und Enso geklagt hatte. Auch diese Urteil entfalten aber nur ihre Wirkung für diejenigen Verbraucherinnen und Verbraucher, die schriftlichen Widerspruch gegen die Preiserhöhungen eingelegt haben. Die Verbraucherzentrale hat die damaligen juristischen Widerspruchsverfahren der Betroffenen gesammelt und dann Klage eingereicht.
Für die Kunden, die keinen Widerspruch eingelegt hatten, galt das damalige Urteil nicht, das die beiden Gasversorger dazu verpflichtete, ihre Preise zu senken bzw. ihre gesunkenen Preise an ihre Kunden weiterzugeben. Weder vor- noch rückwirkend.
DIE LINKE kann leider qua Gesetz keine Rechtsberatung anbieten, weshalb sich die Betroffenen an eine Verbraucherzentrale in ihrer Nähe wenden sollten.
Wir sind der Meinung, dass die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern dringend gestärkt werden müssen. Es kann nicht sein, dass jede/r Einzelne sein Recht einklagen und dabei noch das finanzielle Risiko einer möglichen juristischen Niederlage tragen muss. DIE LINKE setzt sich deshalb dafür ein, dass Sammelklagen eingeführt und die Verbraucherorganisationen in ihren Rechten und Möglichkeiten gestärkt werden, damit sie die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher besser durchsetzen können.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Caren Lay