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Frage von Jan-Peter H. •

Frage an Cajus Caesar von Jan-Peter H. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Caesar

Ich bin seit 20 Jahren selbständiger Unternehmer in der IT- und Druckbranche und bin ein Anhänger von Marktwirtschaft, Wettbewerb und schlanken Staat.

Ausgehend vom (Super?)-GAU in Fukushima habe ich mich sachkundig gemacht, wie die Haftungsregelungen für Kernkraftwerke in Deutschland aussehen.

Die derzeitige Regelung macht mich fassungslos. Eine angemessene Risikoprämie sollte meiner Meinung nach mind. 10 Cent pro KW/H betragen, damit im Eintreten des Versicherungsfalls zumindest wesentliche Teilschäden abgedeckt sind.
Weiterhin halte ich es für zwingend notwendig, dass jeder (auch ausländischer!) Lieferant von Kernenergie in Deutschland für den gelieferten Strom in oben genannter Höhe einer Zwangshaftpflicht pro gelieferter KW/H unterworfen wird.

Nur wenn die Risiken der Atomkraft in den Strompreis eingepreist werden, bestehen überhaupt die Voraussetzung für einen fairen Wettbewerb im Strom-Markt.

An Sie als Abgeordneter im Ausschuss Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit habe ich folgende Fragen:

1) Stimmen Sie der 1992er Prognos Studie "Abschätzung der Schäden durch einen sogenannten "Super-GAU" zu, dass die Kosten für Deutschland in einer Größenordnung von ca. 5 Billionen EURO liegen würden ?

2) Welchen Anteil könnte ungefähr davon die Deutsche Kernreaktor Versicherungsgemeinschaft tragen, wenn die Risikoprämie auf einen Betrag von 10 Cent pro KW/H Strom aus Kernkraftwerken angehoben würde ?

3) Welche Möglichkeiten sehen Sie, dass inländische als auch ausländische Lieferanten für nach Deutschland gelieferten Strom aus Kernenergie, die gleiche Risikoprämie pro KW/H an die Deutsche Kernreaktor Versicherungsgemeinschaft zahlen müssen ?

4) Wie sieht ihrer persönlichen Meinung nach eine angemessene Beteiligung der Kernkraftwerksbetreiber an den Risiken der Technologie aus ?

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Homann,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage vom 20. Juni zu haftungsrechtlichen Fragen im Bereich des Atomsrechts. Hierzu kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:

Das Atomgesetz enthält für die Kompensation von Drittschäden, die durch ein nukleares Ereignis verursacht werden, verbindliche Regelungen. Gemäß dem Pariser Atomhaftungsübereinkommen in Verbindung mit §§ 25 ff. des Atomgesetzes haftet ausschließlich der Inhaber einer Kernanlage. Durch die Kanalisierung der Haftung auf den Anlageninhaber werden zugunsten der geschädigten Personen komplizierte und zeitaufwendige gerichtliche Auseinandersetzungen zur Ermittlung des Haftpflichtigen vermieden. Die Haftung setzt ein Verschulden des Inhabers nicht voraus (Gefährdungshaftung). Sie ist summenmäßig unbegrenzt.

Ersatzpflichtig ist die Verursachung von Schäden an Leben oder Gesundheit von Menschen sowie von Schäden an oder Verlust von Vermögenswerten. Darüber hinaus können auch die Zahlung von Schmerzensgeld (§ 29 Absatz 2 des Atomgesetzes) und die Zahlung einer Geldrente für Schäden wegen Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, wegen Vermehrung der Bedürfnisse oder wegen Erschwerung des Fortkommens (§ 30 des Atomgesetzes) in Betracht kommen.

Zur Erfüllung etwaiger gesetzlicher Schadensersatzverpflichtungen haben die Inhaber kerntechnischer Anlagen Deckungsvorsorge zu treffen (§ 13 des Atomgesetzes). Einzelheiten sind in der Atomrechtlichen Deckungsvorsorgeverordnung geregelt.

Mit der Atomgesetznovelle 2002 hat der Gesetzgeber die Höchstgrenze der Deckungsvorsorge auf 2,5 Milliarden Euro und damit auf rund das Zehnfache des früheren Betrages angehoben. Die Höhe der Deckungsvorsorge ist für jedes in Deutschland betriebene Kernkraftwerk auf diesen Maximalbetrag festgesetzt.

Die Deckungsvorsorge kann durch eine Haftpflichtversicherung oder durch sonstige finanzielle Sicherheit bereit gestellt werden (§ 14 des Atomgesetzes). Die Inhaber der Kernkraftwerke praktizieren ein gemischtes Modell: Bis zu 255,645 Millionen Euro wird die Deckungsvorsorge durch Versicherung erbracht. Darauf aufstockend bis zu dem Betrag von 2,5 Milliarden Euro stellen die Muttergesellschaften der Anlageninhaber die Deckungsvorsorge durch gegenseitige Garantiezusagen sicher.

Sofern der tatsächlich eingetretene Schaden die festgesetzte Deckungssumme überschreitet, hat der Betreiber des Kernkraftwerks infolge der unbegrenzten Haftung mit seinem gesamten Betriebsvermögen einzustehen. Auf der Grundlage von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen gilt dies auch für die jeweilige Muttergesellschaft. Das Betriebsvermögen der Muttergesellschaften der deutschen Kernkraftwerksbetreiber liegt um ein Vielfaches höher als die gesetzlich vorgesehene Deckungsvorsorge.

Sollte die Haftungsmasse dennoch nicht ausreichen, erfolgt eine Regelung über das Verteilungsverfahren gemäß § 35 des Atomgesetzes. Danach wird das bei der Verteilung der Mittel zu beobachtende Verfahren durch Gesetz und bis zum Erlass eines solchen Gesetzes durch Rechtsverordnung geregelt.

Im Einzelnen:

1) Stimmen Sie der 1992er Prognos Studie "Abschätzung der Schäden durch einen sogenannten "Super-GAU" zu, dass die Kosten für Deutschland in einer Größenordnung von ca. 5 Billionen EURO liegen würden?

Antwort:

Die hypothetischen Kosten des Risikos von Kernkraftwerksunfällen mit Kernschmelze in Deutschland wurden von unterschiedlichen Autoren berechnet. Im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft wurde 1992 in der Prognos-Schriftenreihe eine Studie zur „Identifizierung, Monetarisierung und Internalisierung externer Kosten der Energieversorgung“ veröffentlicht, die unter anderem auch eine beispielhafte Abschätzung der Schäden durch einen sogenannten Super-Gau enthielt. Die Ergebnisse solcher Abschätzungen über Schäden und Folgekosten derartiger Unfälle hängen sehr stark von den getroffenen Annahmen ab und können deshalb nicht verlässlich bewertet werden. Die Bundesregierung macht sich die Ergebnisse daher nicht zu eigen.

2) Welchen Anteil könnte ungefähr davon die Deutsche Kernreaktor Versicherungsgemeinschaft tragen, wenn die Risikoprämie auf einen Betrag von 10 Cent pro KW/H Strom aus Kernkraftwerken angehoben würde?

3) Welche Möglichkeiten sehen Sie, dass inländische als auch ausländische Lieferanten für nach Deutschland gelieferten Strom aus Kernenergie, die gleiche Risikoprämie pro KW/H an die Deutsche Kernreaktor Versicherungsgemeinschaft zahlen müssen?

Antwort auf die Fragen 2 und 3:

Die in Deutschland gesetzlich geforderte Deckungsvorsorge (vgl. Vorbemerkung) knüpft unmittelbar an die Genehmigung zum Betrieb eines Kernkraftwerks an, und zwar unabhängig davon, ob in der Anlage Elektrizität erzeugt wird oder nicht. Sie kann u.a. durch eine Haftpflichtversicherung erbracht werden (§ 14 Atomgesetz / § 1 Atomrechtliche Deckungsvorsorge-Verordnung). Diese ist der zuständigen Behörde in geeigneter Form nachzuweisen, wobei die besonderen Anforderungen der AtDeckV und sonstiger rechtlicher Anforderungen zu beachten sind. Abgesehen davon ist jeder Anlageninhaber frei in der Ausgestaltung seines Vertragsverhältnisse zu dem von ihm gewählten Haftpflichtversicherer.

4) Wie sieht ihrer persönlichen Meinung nach eine angemessene Beteiligung der Kernkraftwerksbetreiber an den Risiken der Technologie aus?

Antwort:

Der Anlageninhaber sowie aufgrund von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen auch dessen Muttergesellschaft haften unbegrenzt mit dem gesamten Vermögen. Zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist ein Nachweis des Verschuldens nicht erforderlich (Gefährdungshaftung). Damit hat der Gesetzgeber zutreffend für den Betrieb eines Kernkraftwerks im deutschen Recht für den Schadensfall die schärfstmögliche Haftungsform vorgesehen. Daneben ist eine Deckungsvorsorge in Höhe von 2,5 Mrd. Euro pro Kernkraftwerk nachzuweisen. Dies ist die höchstmöglich geregelte Deckungsvorsorgesumme, europaweit.

Mit freundlichen Grüßen
Cajus Caesar MdB