Frage an Burkhard Lischka von Daniel G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Hr. Lischka.
Vielen Dank für Ihre Antwort vom 20.09.17 zum Thema "Schulsozialarbeit" und "Schulerfolg Sichern" Link: https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/burkhard-lischka/question/2017-09-02/288612
Sie schreiben, "Schulsozialarbeiter verfügen als Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe über akademische Abschlüsse in den Studienrichtungen Soziale Arbeit, Sozialpädagogik oder einer vergleichbaren Studienrichtung im Bereich des Sozialwesens.
Die Prüfung Ihrer Aussage brachte mich auch zur Drucksache 7/1814 der Landesregierung auf die Anfrage von "Die LINKE". Darin heißt es " Für eine vor dem 01.08.15 seit mehr als 2 Jahren im Tätigkeitsfeld "Schulsozialarbeit" "beschäftigte erfahrene Fachkraft" gilt der Nachweis der Qualifikation als erbracht.
Zu den Übrigen von den ca. 250 in Umlauf gebrachten Sozialarbeiterinnen - also jene mit Abschluss ggf. auch alle mit Abschluss in vergleichbaren Studiengängen im Bereich des Sozialwesens - interessiert mich, wie mit dem vermittelten Halbwissen in den Bereichen Pädagogik, Soziologie, Politikwissenschaft, Medizin, Psychologie sowie Sozial- und Rechtswissenschaften die Einsichtsfähigkeit und damit die Einwilligungsreife eines Kindes bis 16 Jahren für die Unterzeichnung der eigenen Schweigepflichtsentbindung eingeschätzt wird und mit welchen vermittelbaren Methoden die Schulsozialarbeiterin dieses nachprüfbar "einschätzt". Und wie machen das jene ohne Abschluss in irgendwas?
Wie kann es sein, dass mit dieser Einschätzung von einem Schulsozialarbeiter ohne gerichtliche Entscheidung - ohne Anhörung der Eltern - in das Elternrecht und Sorgerecht der Eltern eingegriffen wird?
Und: Ist es zutreffend, dass die Schulsozialarbeiter/innen der "freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe" weder der Weisung noch der Aufsicht des Schulleiters unterliegen? Wenn ja, unter wessen Aufsicht sowie Fachaufsicht und Leitung stehen diese Schulsozialarbeiter?
Sehr geehrter Herr G.,
vielen Dank für Ihre erneuten Fragen. Für die Koordination der Schulsozialarbeit in Sachsen-Anhalt ist die Landesweite Koordinierungsstelle Schulerfolg sichern mit Sitz in Magdeburg zuständig. Diese teilte mir mit, dass sie aus der konkreten Zusammenarbeit mit den Trägern der Schulsozialarbeit im von EU und Land geförderten Programm wisse, dass fast alle in der Schulsozialarbeit tätigen Fachkräfte einen entsprechenden akademischen Abschluss besitzen – mehrheitlich in Sozialer Arbeit und Sozialpädagogik. Es handelt sich demnach um Fachkräfte, die ein mehrjähriges Studium erfolgreich absolviert haben und die zudem überwiegend über mehrjährige Berufserfahrungen im entsprechenden Tätigkeitsbereich verfügen. Ihr Vorwurf, es handele sich bei den Studieninhalten um „vermitteltes Halbwissen“, muss zurückgewiesen werden. Denn das Studium der Sozialen Arbeit enthält in allen Bundesländern die intensive mehrsemestrige Auseinandersetzung mit relevanten Rechtsbereichen wie dem Sozialgesetzbuch VIII einschließlich verschiedener Praxisseminare, in denen die Grundlagen der Sozialen Arbeit von den Studierenden entwickelt und unter Anleitung der Lehrkräfte erprobt werden. Dazu gehören auch die intensive Einzelfallbearbeitung sowie die Einschätzung des Selbstständigkeitsgrades Heranwachsender. Außerdem entspricht es dem gesetzlichen Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe, die Entwicklung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu fördern (vgl. SGB VII § 1). Aus diesem Grund entspricht die Einschätzung der Einwilligungsfähigkeit junger Menschen durch die sozialpädagogischen Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe einem notwendigen, der Profession und den rechtlichen Grundlagen entsprechenden Prinzip.
Nach Auskunft der Koordinierungsstelle Schulerfolg sichern wurden in den letzten beiden Schuljahren angebotene Weiterbildungen zu den Themen Datenschutz und Schweigepflicht in der Schulsozialarbeit sowohl von den entsprechenden Fachkräften als auch von Lehrkräften gut besucht. Es gibt ferner eine intensive Zusammenarbeit zum Thema mit den Trägern der Schulsozialarbeit und der LIGA der freien Wohlfahrtspflege als ihrer Interessensvertretung, mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz, mit dem Landesschulamt und dem Bildungsministerium. In diesem Zusammenhang wurden und werden auch Schulleiterinnen und Schulleiter beraten, es wurde eine ausführliche Handreichung erstellt und von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung herausgegeben ( online auf www.dkjs.de/fileadmin/Redaktion/Dokumente/programme/170504_Datenschutz_und_Sozialarbeit.pdf ) und es wurden konkrete Qualitätschecklisten für die Träger erarbeitet. Außerdem wurden und werden die regionalen Netzwerkstellen als Multiplikatoren zu den Themen Datenschutz und Schweigepflicht gezielt sensibilisiert. Darüber hinaus ist geregelt, dass öffentliche und nichtöffentliche Stellen, darunter auch Schulen, Schulträger und Träger der Kinder- und Jugendhilfe nach dem Bundesdatenschutzgesetz (§ 4 f. BDSG) bzw. dem Landesdatenschutzgesetz (§ 14a DSG LSA) unter den dort geregelten Bedingungen verpflichtet sind und dass sie eine Beauftragte oder einen Beauftragten für den Datenschutz zu bestellen haben. Diese sind Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in Fragen des Datenschutzes und haben unter anderem die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die bestehenden Vorschriften beachtet werden. Außerdem führen die Träger regelmäßige Dienstberatungen und Supervisionen durch, da ihnen die Fach- und die Dienstaufsicht für die Schulsozialarbeiter/innen im Programm obliegt.
Zur Einschätzung der Einwilligungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen im Zuge der Schweigepflicht im Verhältnis zum Elternrecht: Das Elternrecht geht stets der Schweigepflicht vor, deshalb darf nur in Not- und Konfliktlagen ohne Kenntnis der Eltern beraten werden. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Schüler/in und Schulsozialarbeiter/in durch Einbezug der Eltern massiv gestört werden würde, weil das Kind oder der/die Jugendliche einwilligungsfähig ist und ausdrücklich nicht den Einbezug der Eltern wünscht und deswegen eine notwendige Hilfe nicht geleistet werden könnte (etwa bei Schwangerschaft, Drogenkonsum, Gewalt, Kriminalität). Daher wäre in diesen Fällen die Weitergabe der Informationen an die Eltern gegen den Vertrauensverlust beim Schüler abzuwägen. Dies ist auch der Fall bei häuslicher Gewalt und drohender oder bereits bestehender Kindeswohlgefährdung durch den/die Erziehungsberechtigten selbst. Die Fach- und die Dienstaufsicht liegt im Übrigen beim freien oder öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe, bei dem die Fachkraft angestellt ist.
Mit freundlichen Grüßen
Burkhard Lischka