Frage an Burkhard Lischka von Daniel G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Lischka.
Grundlage meiner Frage ist das Dokument "DATENSCHUTZ UND SCHWEIGEPFLICHT IN DER SCHULSOZIALARBEIT EINE ORIENTIERUNG FÜR SACHSEN-ANHALT", das Sie unter (1) abrufen können und die Grundannahme der unwiderlegbaren Unreife von Kindern, unter der verstanden wird, dass Kinder die Folgen ihres Handelns nicht abschätzen können u. müssen.
Darin verfassen der Jurist Prof. Dr. iur. Rainer Patjens zusammen mit Larissa Meinunger, Andreas Heft, Ministerium für Bildung des Landes Sachsen-Anhalt u.a. , eine Anleitung dafür, wie man die Tat des § 203 StGB begehen kann, und wie sich im Falle des "Ertappens" juristisch herausgeredet werden könne.
Weiterhin sind darin Anleitungen zu finden, in denen ein Sozialpädagoge mit sachfremden und unwissenschaftlichen Anstellungen zur Einschätzung gelangen soll, dass das Kind trotz unwiderlegbarer Unreife in eine Schweigepflichtsentbindung einwilligen könnte, ohne Eltern zu informieren.
Hierzu meine Fragen:
1. Warum werden Sozialpädagogen statt Lehrer eingestellt, um Schulerfolg zu sichern?
1.a.) Was können Sozialpädagogen (ein Fach ohne eigene Wissenschaft) zum "Schulerfolg sichern" beitragen?
2. Warum erhalten die Eltern keine Abschrift dieses Dokumentes zur Aufklärung und der Zustimmung oder Ablehnung (nimmt teil/nimmt nicht teil)?
3. Wie kann es sein, dass Kinder eine Schweigepflichtentbindung unterschreiben dürfen sollen?
4. Wie können Ihrer Meinung nach bspw. Zehnjährige rechtserheblich über die Folgen ihres Handelns aufgeklärt werden?
5. Das Kind weiß ja nicht, dass Daten erhoben werden, wenn es in der Schulstunde mit der Schulsozialarbeiterin ein lustiges Frage- Antwort- Ballspiel spielt. Woher stammt hierfür die Einwilligung und von wem?
(1) https://www.dkjs.de/fileadmin/Redaktion/Dokumente/programme/170504_Datenschutz_und_Sozialarbeit.pdf
Mit freundlichem Gruß
Sehr geehrter Herr G.,
vielen Dank für Ihre Fragen zur Schulsozialarbeit in Sachsen-Anhalt. Zunächst zu Ihrer Frage nach der Unterscheidung zwischen Lehrkräften und Sozialpädagogen. Im Rahmen des Landesprogramms „Schulerfolg sichern“ setzen sich seit 2008 Jugendhilfe, Schulen und regionale Partner gemeinsam dafür ein, dass Kinder und Jugendliche den gleichen Zugang zu einem hohen Niveau schulischer Bildung bekommen. Ein wesentliches Ziel ist die Verringerung und Verhütung des vorzeitigen Schulabbruchs. Sozialpädagogen werden jedoch nicht anstelle von Lehrkräften eingestellt, sondern zusätzlich im Rahmen des von der Europäischen Union und dem Ministerium für Bildung geförderten Landesprogramms „Schulerfolg sichern“ durch freie Träger der Jugendhilfe beschäftigt und an Schulen mit nachgewiesenem Bedarf an Schulsozialarbeit eingesetzt. Anders als Lehrkräfte unterrichten Schulsozialarbeiter auch keine Schulklassen. Ihre Aufgaben sind stattdessen die Beratung junger Menschen vor allem in schwierigen Lebenslagen bzw. in akuten schulischen Krisensituationen, die Förderung der Konfliktbewältigung, die Zusammenarbeit mit und Unterstützung von Elternhäusern, die Gestaltung des Übergangs von der Grundschule über die weiterführenden Schulen in den Beruf und die Vermittlung von Bildungsangeboten und Freizeitaktivitäten für die Schülerinnen und Schüler. Schulsozialarbeiter verfügen als Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe über akademische Abschlüsse in den Studienrichtungen Soziale Arbeit, Sozialpädagogik oder einer vergleichbaren Studienrichtung im Bereich des Sozialwesens. Diese Studiengänge sind an vielen Hochschulen akkreditiert und umfassen die Vermittlung wissenschaftlicher und fachlicher Kenntnisse in den Basisdisziplinen Pädagogik, Soziologie, Politikwissenschaft, Medizin, Psychologie sowie Sozial- und Rechtswissenschaften. Über den konkreten Einsatz von Schulsozialarbeitern entscheidet bei bestehendem Bedarf im Übrigen die Gesamtkonferenz der Schule mit Vertretern von Lehrern, Schülern und Eltern.
In der Schulsozialarbeit anvertraute Geheimnisse sowie persönliche Daten der Kinder und Jugendlichen sind sensible Bereiche, die grundsätzlich der Schweigepflicht bzw. dem Datenschutz unterliegen. Über Einwilligungserklärungen kann jeder selbst darüber entscheiden, ob er einen Eingriff in seine Rechte gestattet. Für die Rechtswirksamkeit muss die einwilligende Person selbst einwilligungsfähig sein. Das bedeutet, dass sie in der Lage sein muss, die Bedeutung und Tragweite ihrer eigenen Erklärung zu verstehen. Dafür muss diese Person jedoch nicht geschäftsfähig sein. Auch beschränkt geschäftsfähige, minderjährige Personen können einwilligungsfähig sein. Dagegen wäre es rechtlich zweifelhaft, bei der Schweigepflichtentbindung stets die Unterschrift der Sorgeberechtigten zu verlangen, ohne die Einwilligungsfähigkeit des Kindes oder Jugendlichen zu prüfen. Das bedeutet, soweit Schülerinnen und Schüler einwilligungsfähig sind, tritt die elterliche Sorge zurück. In der Regel wird diese Einsichtsfähigkeit bei Jugendlichen angenommen. Bei Kindern vor dem vollendeten 14. Lebensjahr wird deren Einsichtsfähigkeit im jeweiligen Einzelfall vom Schulsozialarbeiter eingeschätzt. Eine Weitergabe vertraulicher Informationen durch Schulsozialarbeiter ist ohne Einwilligung der Betroffenen nur dann zulässig, wenn nach struktureller Einschätzung des Einzelfalles eine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Schulsozialarbeiter schicken in solchen Fällen lediglich ihre Hinweise an das Jugendamt, welches darüber, ob eine Kindeswohlgefährdung tatsächlich vorliegt, zu entscheiden hat. Sind Kinder unter 14 Jahren noch nicht einsichtsfähig, obliegt es den Sorgeberechtigten, eine schweigepflichtige Person von der Schweigepflicht zu entbinden. Dasselbe gilt für datenschutzrechtliche Einwilligungen.
Mit freundlichen Grüßen
Burkhard Lischka