Frage an Burkhard Lischka von Rafael M. bezüglich Verkehr
Herr Lischka,
Die SPD-Abgeordneten stimmen morgen im Bundestag über eine Grundgesetztänderung ab, um eine Teilprivatisierung der Autobahn zu ermöglichen. Es soll eine Autobahngesellschaft mBH gegründet werden, bei der Ihre Pateiführung versicherte, eine Privatisierung durch eine "Hintertür" sei nicht mehr möglich. Ich verweise auf einen in der Berliner Zeitung zitierten Staats- und Verwaltungsrechtler Christoph Degenhart :"Es handelt sich hier um eine formelle oder Rechtsform-Privatisierung, die auf der Projektebene Effekte einer materiellen Teil-Privatisierung haben könnte." – Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/26972860 ©2017.
Dadurch, dass eine GmbH gegründet wird, verliert das Parlament die Kontrolle oder wird teils entmachtet und das darf nicht sein. Ich möchte von Ihnen wissen, wie die Privatisierung der Autobahn, auch wenn es nur eine Teilprivatisierung sein sollte, Im Einklang mit der Demokratie und Ihrer Verpflichtung das Interesse des Volkes zu vertreten, steht? Ich möchte gerne von Ihnen wissen, wieso es in meinem Interess bzw. im Interesse des Steuerzahlers ist, dass sich Versicherungsgesellschaften in die Autobahnen einkaufen können und dadurch Renditen erzielen wollen, obwohl es doch die SteuerzahlerInnnen der letzten Jahrzehnte waren, die die Autobahn finanziert haben. Wenn Sie morgen mit "Nein" stimmen sollten wären sie wahrlich ein Vertreter unserer Interessen!
Vielen Dank
Mit freundlichen Grüßen
Rafael Murupa
Sehr geehrter Herr Murupa,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Die Behauptung, die SPD würde einer - wie Sie schreiben - Teilprivatisierung der Autobahnen zustimmen, ist falsch. Schon innerhalb der Bundesregierung ist es der SPD gelungen, eine doppelte Privatisierungsschranke im Gesetzentwurf der Regierung zur Änderung des Grundgesetzes durchzusetzen. Im Grundgesetz selbst wird deswegen in Artikel 90 geregelt werden, dass nicht nur die Bundesfernstraßen selbst im unveräußerlichen, 100prozentigen Eigentum des Bundes stehen, sondern auch die Infrastrukturgesellschaft, die für deren Planung, Bau und Betrieb zuständig sein wird. CDU-Finanzminister Schäuble und CSU-Verkehrsminister Dobrindt wären bereit gewesen, 49 Prozent dieser Gesellschaft an private Investoren zu verkaufen. Das haben wir schon verhindert, noch bevor das Gesetzgebungsverfahren den Bundestag erreicht hat.
In intensiven und schwierigen Verhandlungen mit CDU/CSU haben wir als SPD-Bundestagsfraktion nun zwei weitere Grundgesetz-Änderungen durchgesetzt.
1) Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Infrastrukturgesellschaft und deren Tochtergesellschaften wird in Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes ausgeschlossen. Damit ist klar: die Gesellschaft bleibt zu 100 Prozent staatlich, null Prozent privat.
2) Ausgeschlossen wird auch eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte, z.B. durch sogenannte Teilnetz-ÖPP. In Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes wird dazu der Satz eingefügt: „Eine Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ist ausgeschlossen für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile davon umfassen.“ Einfachgesetzlich wird geregelt, dass Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) nur auf der Ebene von Einzelprojekten bis maximal 100 Kilometer Länge erfolgen, die nicht räumlich miteinander verbunden sein dürfen.
Mit diesen Grundgesetz-Änderungen und vielen einfachgesetzlichen Änderungen stellen wir sicher, dass auch theoretisch mögliche Hintertüren für eine Privatisierung fest verschlossen sind. Dies hat inzwischen auch der Bundesrechnungshof bestätigt.
Mit freundlichen Grüßen
Burkhard Lischka