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Frage von Wolfgang T. •

Frage an Burkhard Lischka von Wolfgang T. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Lischka,

in zwei Schritten sind weitere Diätenerhöhungen für die Abgeordneten des Bundestages vorgesehen. Wie vereinbart sich dies mit der Tatsache, dass der wirtschaftliche Aufschwung bei den meisten Bürgern nicht ankommt ? Statistisch belegt sind sogar die Reallöhne in den letzten 10 Jahren, vor allem bei den kleinen und mitteren Einkommen, um ca. 20 % gesunken. Desweiteren nehmen die atypischen Beschäftigungsverhältnisse mit Niedriglöhnen enorm zu. Damit können immer weniger Beschäftigte von ihrem Einkommen leben. Besonders betroffen von dieser Entwicklung ist Ostdeutschland. Wie sehen Sie dieses Missverhältnis, dass zudem Politiker immer unglaubwürdiger macht. ?

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Tonn

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Tonn,

vielen Dank für Ihre Frage vom 26. Juli 2011, in der Sie die kürzlich beschlossene Diätenerhöhung für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages thematisieren.

Die Grundsätze der Versorgung der Bundestagsabgeordneten sind in Art. 48 Abs. 3 Grundgesetz geregelt. Dieser besagt, dass die Abgeordneten einen Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung haben. Eine angemessene Entschädigung der Abgeordneten soll verhindern, dass nur diejenigen in die Politik gehen, die es sich finanziell leisten können. Darüber hinaus soll sie die Unabhängigkeit der Abgeordneten sicherstellen: sie sollen nicht in die Versuchung geraten, sich andere Einkommensquellen zu suchen und dadurch von anderen Menschen und Interessen abhängig zu werden.

Was angemessen ist, ist ein kontrovers diskutiertes Thema: häufig wird uns Abgeordneten in diesem Zusammenhang der Vorwurf der Selbstbedienung angetragen. Sowohl Grundgesetz als auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schreiben vor, dass die Höhe der Entschädigung durch Gesetz festgelegt werden muss. Als Legislativorgan ist der Bundestag für die Beratung und Verabschiedung von Gesetzen im inhaltlichen und formellen Sinn und damit auch für mögliche Änderungen des Abgeordnetengesetzes zuständig. Die Übertragung der Entscheidung über die Höhe der Abgeordnetenentschädigung an eine unabhängige Kommission ist somit ausgeschlossen.

Selbst über die Höhe des eigenen Gehalts zu entscheiden, ist nicht einfach. Nicht zuletzt deshalb erfolgte die letzte Erhöhung der Bezüge der Bundestagsabgeordneten im Jahr 2009.
Die nun beschlossene Diätenerhöhung bewegt sich im Zeitraum 2010 - 2013 bei 1,9 Prozent pro Jahr und damit im Rahmen der Inflationsrate. Das ist auch im Vergleich zu aktuellen Tarifabschlüssen moderat: so wurde in der Chemischen Industrie eine Tariferhöhung von 4,1 Prozent zum April 2011 vereinbart, im Baugewerbe steigen die Löhne und Gehälter dieses Jahr um 3,0 Prozent.

Die Entschädigung der Abgeordneten soll sich an dem Gehalt anderer Amtsinhaberinnen und Amtsinhaber mit ähnlicher Verantwortung und Belastung orientieren. Als Richtgröße gelten die Bezüge von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern kleiner Städte und Gemeinden mit 50.000 bis 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern und die der einfachen Richterinnen und Richter bei einem obersten Gerichtshof des Bundes, die in ihrer Amtsausübung ähnlich wie Abgeordnete unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind. Sie erhalten eine Vergütung nach den Besoldungsgruppen B6 bzw. R6.

Die Entschädigung der Abgeordneten entspricht derzeit dem Niveau von B6/R6 aus dem Jahr 2007. Um die Abgeordnetenentschädigung wie gesetzlich vorgesehen anzupassen, wurde entschieden, die Diäten in zwei Schritten, jeweils zum 1. Januar 2012 und 2013 um 292 Euro anzuheben. Sie wird damit im Jahr 2013 dem Stand von B6/R6 im Jahr 2010 entsprechen. Außerdem wird eine unabhängige Kommission beim Deutschen Bundestag eingesetzt, die ein Verfahren empfehlen soll, wie die Diäten künftig angepasst und die Altersversorgung künftig geregelt werden kann.

Sehr geehrter Herr Tonn, Sie haben in ihrer Frage die Entwicklung der Reallöhne in den letzten zehn Jahren angesprochen. Auch ich betrachte diese, unabhängig von der derzeitigen Debatte über die Abgeordnetendiäten, mit größter Sorge! Meines Erachtens muss die Wirtschaft den Menschen dienen und nicht umgekehrt: deshalb kämpfe ich seit langem gemeinsam mit meiner Partei für „Gute Arbeit“, das meint sowohl einen gesetzlich verbindlichen Mindestlohn, der vor allem im Niedriglohnsektor zu einer angemesseneren Bezahlung führen würde, als auch für faire Arbeitsbedingungen.

Die Menschen müssen von ihrer Arbeit leben können, das bedeutet auch, dass die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern endlich geschlossen wird. Gerade in Ostdeutschland und insbesondere in Sachsen-Anhalt sind Frauen im Niedriglohnsektor, in Mini-Jobs und prekärer Beschäftigung überrepräsentiert. Die Teilzeitquote steigt, gerade weil entsprechende Vollzeitarbeitsplätze fehlen.
Die Leiharbeit, die ursprünglich dazu gedacht war, den Unternehmen ausreichend Flexibilität zu er-möglichen, um Auftragsspitzen abzufedern, darf nicht als Wettbewerbsvorteil missbraucht werden. Wettbewerb muss über gute Ideen und Angebote, nicht über Niedriglöhne, befristete Arbeitsverträge und schlechte Arbeitsbedingungen geführt werden.

Hier bleibt noch viel zu tun. Die zahlreichen Initiativen in diesem Zusammenhang wurden jedoch stets von der schwarz-gelben Koalition blockiert.

Mit den besten Grüßen

Burkhard Lischka, MdB