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Britta Haßelmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Peter F. •

Frage an Britta Haßelmann von Peter F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Liebe Frau Haßelmann,

mit großer und leider täglich steigender Sorge muss man beobachten, wie von Seiten der Innen- und Justizministerien immer hanebüchenere Vorschläge zur "Terrorabwehr" kommen, die nichts anderes sind als eine Untergrabung der Bürgerrechte, des Gedankens der Freiheit und des des Rechtsstaats. Wie gedenkt ihre Partei diesen Verbrechen an Grundgesetz und Bürgerrechten zu begegnen?

Die vermeintliche Sicherheit, die hier zu erzeugen versucht wird, ist nichts anderes als die Förderung von Unsicherheit, da den Bürgern das Gefühl der Rechtssicherheit zugunsten von juristischer und polizeilicher Willkür und damit eines Gefühls des "Ausgeliefertseins" genommen wird.

Als Wähler möchte ich sie bitte, alle politischen und verfassungsrechtlich offenen Wege zu gehen um diesem Angriff auf unser aller Lebensumstände mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten.

Besorgte Grüsse, P. Feldkamp

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Feldkamp,

spätestens mit dem 11. September 2001 ist der Weltöffentlichkeit bewusst geworden, dass die Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus neue sicherheitspolitische Antworten erfordern, um die Bürgerinnen und Bürger mit den Mitteln des demokratischen Rechtsstaates gegen Anschläge zu schützen.

Ich bin der Auffassung, dass solche Antworten auf der Grundlage eines fundierten sicherheitspolitischen Konzeptes formuliert werden müssen, um politisch besonnen und zielgerichtet handeln zu können. Zu einem solchen Konzept gehört zum einen, dass wir die Ursachen des Terrorismus bekämpfen. Dabei steht der Kampf gegen Armut und Perspektivlosigkeit von jungen Menschen in weiten Teilen der Welt an erster Stelle. Denn dies ist zwar nicht die alleinige Entstehungsursache für Terrorismus, aber ein wesentlicher Nährboden für einen religiösen Fanatismus, aus dem sich wiederum Terrorismus speist.

Zum zweiten bin ich ausdrücklich dafür, bei der Bekämpfung von Gewalt und Terror moderne und effektive Ermittlungsinstrumente zu nutzen. Diese müssen aber rechtsstaatlich begrenzt bleiben und verhältnismäßig sein. Denn die Sicherheit von BürgerInnen beinhaltet nicht nur die Abwehr terroristischer Bedrohungen, sondern eben auch die Abwesenheit staatlicher Willkür, den Schutz der Privatsphäre und die Bewahrung von Freiheit.

Für meine Fraktion und mich gilt: Ein starker Rechtsstaat ist niemals ein allgegenwärtiger Überwachungsstaat. Er ist stark, eben weil er nicht alles darf. Bündnis 90/Die Grünen haben sich bei den neuen Sicherheitsgesetzen in Folge des 11. September 2001 stets dafür eingesetzt, innere Sicherheit mit Augenmaß und bürgerrechtlichen Grundsätzen zu gewährleisten. So haben wir beispielsweise bei der Überwachung von Wohnräumen gegen die anderen Fraktionen im Deutschen Bundestag durchgesetzt, dass nur schwerste Taten, die zur Organisierten Kriminalität gehören, als abhörfähig definiert sind. Außerdem haben wir verhindert, dass die DNA-Analyse mit dem klassischen Fingerabdruck gleichgesetzt wird. Eine Reform der Telefonüberwachung kam unter Rot-Grün nicht zustande, weil meine Fraktion im Konflikt mit dem damaligen Koalitionspartner SPD auf Überwachungs- und Verwertungsverboten zum Schutz der vertraulichen Gespräche mit Berufsgeheimnisträgern und des Kernbereichs der Privatsphäre bestand.

Der Einsatz der Bundeswehr im Innern und die Aufhebung der Trennung von Geheimdiensten und Polizei sind nach meiner Überzeugung keine geeigneten und zulässigen Mittel der Terrorismusbekämpfung. Denn hierbei würden innere und äußere Sicherheit vermischt. Aus gutem Grund trennt das Grundgesetz sehr genau zwischen der Gefahrenabwehr, die den Polizeien vorbehalten bleibt, und kriegsähnlichen und ganz besonders schwierigen Problemlagen, in denen unter ganz besonderen Voraussetzungen ganz punktuell die Streitkräfte eingesetzt werden können. Unser Grundgesetz vermeidet damit eine Militarisierung der Gesellschaft. Und dies soll auch so bleiben. Zudem ist der Begriff "terroristische Bedrohung" ein sehr dehnbarer und deshalb als Voraussetzung für den Einsatz der Bundeswehr im Innern und als Verfassungsbegriff ungeeignet.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag hat mit meiner Zustimmung am 8. Mai 2007 einen Beschluss gefasst, der unsere Antworten auf die aktuellen Fragen der inneren Sicherheit zusammenfasst. Unter dem Titel "Innere Sicherheit geht anders -- Die Menschen schützen, die Freiheit bewahren" legen wir 13 Grüne Vorschläge für eine Terrorismusbekämpfung mit Augenmaß dar. Gerne stelle ich Ihnen diesen Beschluss im Anhang zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Britta Haßelmann (MdB)

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