Frage an Britta Haßelmann von Sascha S. bezüglich Soziale Sicherung
Als Dipl. Sozialarbeiterin und MdB bekommen Sie die "Verrohung unserer Gesellschaft" ja hautnah mit. Können Sie sich vorstellen, mit der Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens, die soziale Spaltung, sowie die Existenz- und Abstiegsangst vieler, kurz gesagt, den Druck aus der (Ellenbogen-)Gesellschaft zu nehmen, damit jeder freier und selbstbestimmter leben kann und gleichzeitig die Würde des Menschen nach Art. 1 GG gewahrt bleibt?
Das BGE müsste natürlich durch die 4 Kriterien des Netzwerk Grundeinkommen und dem Bündnis Grundeinkommen (BGE) abgesichert sein.
Jetzt haben Sie noch die Chance, als Grüne, sich für eine soziale Variante eines BGE stark zu machen, lassen Sie Ihren Kollegen Strengmann-Kuhn im Stich, werden sich die neoliberalen von CDU, CSU, FDP und SPD und AfD wieder einmal durchsetzen!
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Frage an mich und ihr Engagement für mehr Solidarität in unserer Gesellschaft. Darum geht es mir auch. Ich möchte, dass allen Menschen Teilhabe und Chancen eröffnet sind und alle ein selbstbestimmtes Leben führen können. Das liegt mir am Herzen, nicht nur als Sozialarbeiterin, auch als Grüne. Nicht wenige fühlen sich abgehängt und im Stich gelassen. Gleichzeitig erleben wir, dass Abgrenzung, Populismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zunehmen.
Deshalb ist es wichtig sich für mehr Zusammenhalt, mehr soziale Sicherheit und Teilhabe stark zu machen. Es ist auch eine Voraussetzung für unser lebendiges Gemeinwesen, für Kreativität und Lebensmut.
Als Grüne haben wir uns parteiintern intensiv mit der von Rot-Grün auf den Weg gebrachten Agenda 2010 befasst und diese kritisch reflektiert. Wir haben uns für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns stark gemacht, dessen Einführung wir von Anfang an gefordert hatten und längst überfällig war. Wir fordern seit Jahren, dringend etwas gegen prekäre Beschäftigung zu tun und Menschen in der Leiharbeit besser zu schützen. Wir fordern gleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit und vom ersten Tag an. Außerdem drängen wir seit Jahren darauf, das Fördern in den Arbeitsagenturen in den Vordergrund zu stellen und auch zu finanzieren. Im Hinblick auf das Fördern von Menschen, die arbeitslos sind, fordern wir seit langem gute Beratung, mehr Qualifizierung und einen verlässlichen, sozialen Arbeitsmarkt für Menschen, die langzeitarbeitslos sind. Die Grundsicherung muss so berechnet und erhöht sein, dass man menschenwürdig davon leben kann. Wir wollen die Rechte der Leistungsberechtigten stärken und wollen Sanktionen abschaffen.
Ich habe die Diskussionen um die Einführung eines "Existenzgeldes" wie es damals hieß und Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen immer mit begleitet, mich aber selbst nicht für die Einführung des BGE ausgesprochen.
Ich sehe eine Reihe von ungeklärten Fragen, auf die wir Antworten brauchen. So befürchte ich, dass ein BGE in den Händen von neoliberalen Politikern zum radikalen Abbau unseres Sozialstaates missbraucht werden kann. Ideen eines Bürgergeldes oder des BGE werden von einigen verknüpft mit einer Infragestellung bzw. ersatzloser Streichung von wichtigen und notwendigen Hilfsangeboten und gesetzlichen Ansprüchen der Sozialgesetzgebung. Was ist mit Hilfen und Unterstützung die Menschen brauchen, die heute keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben, aber gerne arbeiten würden? Oder wie werden Hilfen und berechtigte Ansprüche für Menschen mit Behinderungen sichergestellt? Diese und andere besondere Bedarfe und Hilfen werden sich nicht durch BGE abbilden lassen.
Die BGE-Bewegung hat mit dazu beigetragen, dass wir intensiv über gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen und Engagement diskutieren.
Wir Grüne wollen diese Ideen weiter diskutieren und dazu eine Kommission einberufen. Das finde ich richtig und gut.
In unserem Wahlprogramm haben wir deshalb beschlossen:
"Wir wollen eine breite gesellschaftliche Debatte vorantreiben und Fragen von einer Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens, das gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht, über die Frage einer Wertschöpfungsabgabe bis hin zu institutionellen Reformen der Sicherungssysteme in den Blick nehmen. Viele von unseren Vorschlägen von der Kindergrundsicherung bis zur Garantierente wurden auch von dem Vorschlag eines Grundeinkommens beeinflusst. Wir wollen diese Ideen weiterdiskutieren. Wir brauchen Antworten auf bisher nicht geklärte Fragen. Dabei wollen wir auch Erfahrungen aus anderen Ländern berücksichtigen und das Grundeinkommen in einem Modellprojekt erproben."
Dafür werden wir uns einsetzen. Wir machen uns stark für die Bekämpfung von Armut und Ungleichheit und für mehr Soziale Sicherheit. Da gibt es viel zu tun: Leiharbeit, prekäre Beschäftigung, gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, eine Kindergrundsicherung und eine Garantierente und einiges mehr. Wir haben außerdem beschlossen, dass das ALG II in Zukunft sanktionsfrei sein soll. Das Fördern im ALG II muss viel mehr Gewicht bekommen, wir wollen einen verlässlichen, sozialen Arbeitsmarkt und die passiven Leistungen des ALG II in aktive Leistungen bzw. sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse umwandeln. Kurzzeitbeschäftigte sollen schon nach 4 Monaten ALG I beziehen können. Und die Regelsätze im ALG II sollen erhöht werden.
Sozialpolitik bedeutet aber gleichzeitig für gute Bildung und Teilhabechancen zu sorgen. Deshalb brauchen wir gute öffentliche Einrichtungen von der Kita, der Schule, dem Schwimmbad über das Theater bis zum ÖPNV. Als kommunalpolitische Sprecherin meiner Fraktion stehe ich für eine gute Ausstattung der Kommunen und gezielte Hilfen für strukturschwache Städte und Gemeinden. Gerade in den strukturschwachen Regionen mit schlechter Infrastruktur dürfen wir die Menschen nicht allein lassen.
Hier brauchen wir mehr Investitionen - und auch hierfür brauchen wir das nötige Geld.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen.
Herzliche Grüße
Ihre Britta Haßelmann