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Britta Haßelmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Michael D. •

Frage an Britta Haßelmann von Michael D. bezüglich Jugend

Sehr geehrte Frau Haßelmann,

Sie werden heute in vielen Veröffentlichungen zum geplanten neuen Spielverordnung zitiert.
Um Ihren Sachverstand bzw. Ihre Kompetenz zu diesem Thema beurteilen zu können, möchte ich Ihnen einige Fragen stellen, die ich auch schon an Frau Dyckmans gesandt (leider bisher ohne Antwort bzw. Stellungnahme) habe.

Sehr geehrte Frau Dyckmans,

Haben Sie sich persönlich schon einmal mit dem Thema gewerbliches Automatenspiel beschäftigt oder verlassen Sie sich ausschliesslich auf sog. Studien?
Wie viele Spielhallen, die angeblich so gefährlich für unsere Jugend sind, haben Sie selbst persönlich besucht bzw. besuchen Sie regelmässig um sich zu informieren?
Wie viele spielsüchtige (vor allem) Jugendliche haben Sie selbst schon an Spielautomaten in Gaststätten oder Spielhallen spielen sehen?
Kennen Sie die Funktion bzw. die Spielabläufe der gewerblich aufgestellten Spielautomaten aus eigener Erfahrung?
Kennen Sie die Unterschiede zwischen den Spielautomaten im gewerblichen und denen im staatlichen Kasino?
Warum sind gewerbliche Spielangebote um so viel schlimmer als die von staatlichen Veranstaltern angebotenen?
Warum dürfen staatlich konzessionierte Spielanbieter mit Postwurfsendungen, im Supermarktradio, mit grossflächigen Plakaten und Unmengen von Postern und Flyern in Gaststätten, beim Friseur, in der Tankstelle, im Supermarkt, oder den vielen anderen Orten an denen sich regelmässig Kinder und Jugendliche aufhalten bzw. zu denen diese Zugang haben, werben?
Warum darf ein staatlich konzessioniertes Spielangebot als Rentenersatz bzw. Ergänzung zur staatlichen Rente werben?
Warum wird nicht auch über ein Verbot von Discotheken, Kiosken, Bahnhofsgastronomie bzw.-einzelhandel, Kneipen und sonstigen Einrichtungen beraten, in denen sich Jugendliche, meist ohne grosse Hindernisse, mit Alkohohl und Zigaretten (wenn nicht schlimmerem Rauchwerk) versorgen um sich ins Koma zu trinken oder zu rauchen?

Mit freundlichen Grüßen
Michael Dopf

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Dopf,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage. Als kommunalpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion und als ehemalige Sozialarbeiterin befasse ich mich seit längerem auch mit dem Thema Spielhallen, Glücksspiel und Spielsucht. Vor diesem Hintergrund habe ich einen anderen Blick auf das Problem der Spielautomaten als jemand, der wie Sie beruflich als Automaten-Aufsteller tätig ist.

Meine Fraktion teilt die Ansicht der 16 Bundesländer, dass im Bereich der Geldspielgeräte massiver Handlungsbedarf besteht. Obwohl diese Automaten in Spielhallen und Gaststätten rechtlich immer noch nicht als Glücksspiel im eigentlichen Sinne gelten, sind sie in der Praxis hinsichtlich ihrer Ausgestaltung, Gewinn- und Verlustmöglichkeiten kaum mehr von anderen Glücksspielen zu unterscheiden. Viele Kommunen beklagen bereits seit längerem die zunehmende Ausbreitung von Spielhallen in Städten und Gemeinden. Dies unterscheidet sie zu den nur punktuell vorhandenen Spielbanken. Die Ausbreitung führt mittlerweise in bestimmten Stadtteilen zu einem sogenannten „Trading-down“-Effekt. Viertel werden unattraktiv für Mieter und andere Geschäftsbetriebe und führen so zu einer negativen Entwicklung des Stadtteils.

Wir halten eine grundlegende Überarbeitung der Spielverordnung für dringend notwendig. Nach den Ergebnissen der Studie des Instituts für Therapieforschung München, die im Rahmen der offiziellen Evaluation der Spielverordnung seitens des Bundeswirtschaftsministeriums erstellt wurde, schätzen 60 % aller befragten Spieler das Risiko des finanziellen Verlustes seit der letzten Novellierung als wesentlich höher ein und geben an, dass sie sich wegen des Spielens finanziell einschränken müssen. 50% der Spieler schätzen das Risiko des Kontrollverlustes nunmehr als wesentlich höher ein.

Geldspielgeräte bringen unstreitig die meisten Abhängigen hervor. Die Präventionsbemühungen der Spielautomatenbranche halten wir bislang für unzureichend und auch für wenig glaubwürdig. Obwohl 42 % der befragten Spieler in Spielhallen lt. IFT-Studie als pathologische Glücksspieler einzustufen sind und rund 50% angeben, ihr Spielen nicht mehr unter Kontrolle zu haben, geben 94% von ihnen an, dass sie nicht in Behandlung sind. Rund die Hälfte der Spielhallen legen Infobroschüren zu Suchtgefahren gar nicht oder nur versteckt aus. Spielverbote werden nicht ausgesprochen, auf Beratungsmöglichkeiten wird nicht hingewiesen. Insbesondere Vielspieler aber auch Spielhallenbetreiber erklären, dass sie Schutzmaßnahmen wie Warnhinweise an Automaten für überhaupt nicht wirksam halten. Befragung von Spielern in Suchthilfeeinrichtungen zeigen, dass Betroffene in der Regel durch das persönliche Umfeld (Familie, Freunde) angeregt werden, sich professionelle Hilfe zu suchen.

Zudem sorgt die Branche selbst dafür, dass die derzeitigen rechtlichen Vorgaben für Geldspielgeräte umgangen werden. Die gesetzlichen Gewinn- und Verlustgrenzen, die eine entscheidende Rolle bei der Begrenzung von Suchtgefahren spielen, werden umgangen, indem Geldeinsätze an Automaten in Punkte umgerechnet werden. Dadurch ist es einem Spieler problemlos möglich, in einer Spielhalle innerhalb eines Nachmittags das durchschnittliche Nettomonatsgehalt eines Arbeitnehmers zu verspielen. Dieses Punktespiel wurden von den durch das IFT befragten Spielern und Spielhallenbetreibern als ein entscheidender Risikofaktor bezeichnet.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof die Bundesregierung schon vor langem zu einer systematischen Spielsuchtprävention aufgefordert haben, besteht Handlungsbedarf. Der Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages hat sowohl auf Initiative unserer Fraktion wie auch der SPD bereits zweimal eine öffentliche Anhörung zu diesem Themenkomplex durchgeführt. Nahezu alle Sachverständigen waren sich einig: Spielautomaten stellen einige der Hauptprobleme im Bereich der Glücksspielsucht dar und müssen entschärft werden, so dass sie in Zukunft weder abhängig machen noch dass man an ihnen große Vermögenswerte verlieren kann.

Wir fordern daher neben den von den Ländern vorgeschlagenen Begrenzungen wirksame Zugangskontrollen und ein bundeseinheitliches Sperrsystem für abhängige Spieler in Spielhallen, das Verbot der Umwandlung von Geld in Punkte sowie anderer Formen der Merkmalsübertragung und den Abbau aller Spielautomaten in Gaststätten.

Mit freundlichen Grüßen
Britta Haßelmann

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