Frage an Britta Ernst von Matthias P. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Ernst,
seit einiger Zeit ist in Deutschland und weit über die Grenzen hinweg eine interessante Diskussion um das Thema des "Bedingungslosen Grundeinkommen" zu beobachten. Renommierte Presönlichkeiten wie Herr Götz Werner (dm), Herr Dr. Prof. Straubhaar vom Weltwirtschaftsinstitut und auch Ministerpräsident Althaus (CDU) stehen dieser Idee positiv gegenüber. Die Grünen und die Linke beschäftigen sich ebenfalls mit diesem Thema. Aber auch in Hamburg gibt es weitere Befürworter: Bischof Dr. Hans Christian Knuth, Cord Wöhlke (Budnikowsky) u.a.
Nun meine Frage: Wie stehen Sie zu dieser Idee? Haben Sie sich inhaltlich bereits damit beschäftigt? Könnte dies ein interessantes neues Gesellschaftsmodell sein?
Mit freundlichen Grüßen,
Matthias Pätzold
Sehr geehrter Herr Pätzold,
das sogenannte "Bedingungslose Grundeinkommen" erscheint auf den ersten Blick sehr interessant und oberflächlich gesehen auch gerecht, denn alle Menschen sollen ja die gleiche Summe erhalten, unabhängig davon, ob sie bedürftig sind oder nicht.
Wir halten diese Idee jedoch für falsch. Tatsache ist, dass das "Bedingungslose Grundeinkommen" weder gerecht ist noch vor Risiken wie Alter und Krankheit schützt. Es setzt voraus, dass ein Teil der Menschen bereit ist, sehr viel zu arbeiten, um einen anderen Teil zu alimentieren, ohne dass diese nachgewiesenermaßen bedürftig sind. Also auch diejenigen, die sehr wohl in der Lage sind, zumindest einen Teil ihres Lebensunterhalts selbst zu erarbeiten. Das halten wir für sehr ungerecht und glauben auch nicht, dass eine Gesellschaft so funktionieren kann und sollte.
Wir gehen davon aus, dass zum Mensch sein auch Eigenverantwortung gehört. Wer erwerbsfähig ist, soll die Möglichkeit haben, für seinen Unterhalt zu sorgen. Wer allerdings die Hilfe der Gemeinschaft bei Krankheit oder Arbeitslosigkeit braucht, soll sie auf jeden Fall bekommen.
Rechnet man die Idee des "Bedingungslosen Grundeinkommens" einmal durch oder schaut sich Konzepte an, die dies vorschlagen, so wird sehr klar, dass hier nur Beträge ausgezahlt werden könnten, die weit unter dem heute geltenden Existenzminimum liegen und weder im Krankheitsfall noch im Falle der Arbeitslosigkeit oder im Alter vor Armut schützen können. Schlimmer noch, viele konservative Vertreter dieser Idee verbinden damit die Vorstellung, dass eine darüber hinausgehende Unterstützung und Förderung des Einzelnen nicht in Frage kommt. Das hier zu Grunde gelegte Menschenbild widerstrebt uns zutiefst. Wir wissen heute, dass Armut auch in Deutschland vererbt wird, weil viele bildungsarme Familien ihre Kinder nicht genügend fördern können. Dieser Zustand würde durch ein "Bedingungsloses Grundeinkommen" zementiert.
Wir wollen, dass Menschen in besonderen Lebenslagen, aus denen eine besondere Bedürftigkeit resultiert, entsprechend gefördert und unterstützt werden. Unser Ziel ist es, allen Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Das ist in unseren Augen ein gerechtes Ziel. Dazu ist es nötig, Unterschiede zu machen, je nach dem, in welchem Umfang und in welcher Art der Einzelne Förderung benötigt.
Gerechtigkeit bemisst sich nicht darin, dass der Staat per Umverteilung jedem Menschen in geringem, dafür aber in gleichem Umfang Geld gibt. Gerechtigkeit bemisst sich in unseren Augen darin, wie sehr ein Staat in der Lage ist, auf die Lebenswirklichkeit des Einzelnen einzugehen, ihn zu fördern und auch zu fordern.
Mit freundlichen Grüßen
Britta Ernst