Frage an Britta Ernst von Christiane H. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Ernst,
ich habe einen Sohn in der vierten Klasse, bei dem im Sommer 08 der Schulwechsel ansteht. Nun verfolge ich mit großer Sorge die Einführung der Stadtteilschule.
Die Gesamtschule war in der bisherigen Form für mich eine durchaus akzeptable Altenative zum Gymnasium, wenn es aber zu den Stadtteilschulen kommt, dann sehe ich die nicht mehr. Es gibt dann doch nur noch Gymnasium Empfehlung oder eben nicht, also bleibt mir dann keine Wahl, falls mein Sohn diese Empfehlung nicht bekommt. Da Lehrer ja, wie in vielen Studien bekannt, häufig bei der Empfehlung komplett falsch liegen, mache ich mir doch sehr große Sorgen um die Zukunft meines Sohnes. Konsequent wäre hier nur eine Schule für alle, aber die Gymnasien in der Form abzuschaffen traut sich anscheinend keiner. So werden die Stadtteilschulen zu Resteschulen verkommen und die Probleme der Hauptschule, in denen die Klassen teiweise eine Stärke von unter 20 Schülern haben, und in denen die Schüler trotzdem nicht erreicht werden, verlagert sich auf die Stadtteilschule. Viele Eltern werden ihr Kind unabhängig von der Empfehlung auf das Gymansium anmelden und diese werden, da in dem neuen Konzept eine Abschulung ja nur noch bis Klasse 6 möglich ist, den Druck auf die 5ten und 6ten noch weiter erhöhen, um hier auszusieben. Die Frage ist doch auch, was denn mit den bestehenden Haupt- und Realschulen passiert, was passiert mit den Schülern, die im Schuljahr 09/10 in Klasse 7 oder 8 sind. Wieviele Schüler muss eine Stadtteilschule denn haben, um als solche zu gelten? Wie sieht es mit der Verwaltung aus, heisst das, eine Direktion aber 5 Standorte? Und die Lehrerschft, muss die dann auch pendeln, da wir ja von einer Stadtteilschule sprechen? Oder die Schüler, wenn z.B. Französisch nur noch an Standort a angeboten wird, der Schüler aber an Standort b ist?
Mit freundlichen Grüßen
Christiane Holin
Sehr geehrte Frau Holin,
die konkreten Planungen der Schulbehörde zur Veränderung der Schulstruktur in Hamburg kenne ich leider nicht und kann ich daher auch nicht bewerten. Daher kann ich ihnen Ihre sehr konkreten Fragen zur künftigen Situation der Schulen in den einzelnen Bezirken nicht beantworten.
Die Enquete-Kommission zur Schulpolitik hat Vorschläge zur Veränderung des Hamburgischen Schulwesens gemacht, auch zur Veränderung der Schulstruktur. Mir ist am wichtigsten, dass die Hauptschule als eigener Schulzweig nicht weitergeführt wird. Aus der Praxis, aber auch aus empirischen Untersuchungen wissen wir, dass sich in Hamburgs Hauptschulen nur noch ein kleiner Teil der Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs findet und dies überwiegend Schüler mit sehr negativen Schulerfahrungen sind. In dieser Schulform gelingt es zunehmend weniger, Jugendlichen wirklich gute Chancen zu vermitteln. Daher stand für die SPD-Fraktion die Abschaffung der Hauptschulen ganz oben auf der Tagesordnung und wir sind sehr froh, dass keine Partei in Hamburg mehr an dieser Schulform festhalten will.
Weiterhin hat die Enquete-Kommission beschlossen, dass alle Schulen den direkten Zugang zum Abitur bieten sollen, Gymnasien nach 12 Jahren, Stadtteilschulen nach 13 Jahren. Auch dies ist eine deutliche Verbesserung.
Weiterhin haben wir uns intensiv damit befasst, wie wir sogenannten Risikoschülern besser helfen, bzw. verhindern, dass unser Schulsystem rund ein Viertel aus dem allgemein bildenden Schulsystem mit unzureichenden Fähigkeiten entlässt. Dazu fordert die SPD die Stärkung der frühen Bildung, die Entwicklung von Kitas zu Bildungseinrichtungen, dazu den Einstieg in die Beitragsfreiheit für Kita-Kinder, beginnend für die 5-jährigen. Ohne eine Verbesserung der frühen Bildung werden wir auch bei den künftigen 15-jährigen Jugendlichen nicht erfolgreicher werden.
Ich teile Ihren Pessimismus hinsichtlich der Stadtteilschulen nicht. Wenn Stadtteilschulen gut ausgestattet werden, Ganztagsschulen sind, gute pädagogische Arbeit machen, die Kinder individuell fördern, die Lehrerinnen und Lehrer im Stadtteil mit der Jugendhilfe kooperieren, können sich Stadtteilschulen mit der Möglichkeit, nach 13 Jahren auch das Abitur anzubieten, zu sehr attraktiven Angeboten entwickeln. Damit das passiert, muss die künftige Schulentwicklung jedoch gut koordiniert werden, alle Schulen mit einbezogen werden sowie alle anderen lokalen Akteure.
Jetzt muss die Schulbehörde als nächsten Schritt den Einstieg in eine regionale Bildungsplanung machen und etwas vorlegen. Von oben verordnete Planungen, wie beim letzten Schulentwicklungsplan, wären falsch. Alle Beteiligten vor Ort müssen an einen Tisch – und zwar möglichst schnell, damit die Eltern wissen, welche Veränderungen auf die Schulen zukommen.
Mit freundlichen Grüßen
Britta Ernst