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Brigitta Nell-Düvel
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Frage von Rainer G. •

Frage an Brigitta Nell-Düvel von Rainer G. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Seit über zwei Jahrzehnten wird versucht, den (auf Grund von Technisierung und Effizenzierung stattfindenden) Wegfall der zu leistenden Arbeit durch zwei Ansatzversuche zu kompensieren:
1. Es wird versucht, Investoren nach Deutschland zu locken, indem die Bedingungen für Unternehmer verbessert werden, heißt: die Löhne und Rechte der Arbeitnehmer werden beschnitten und
2. Es wird versucht, einen Niedriglohnsektor zu etablieren.
Punkt 1 klappt schon aus dem Grund nicht, da das Ausland immer nach-/mitzieht und somit europa- und weltweit es zu einer Abwärtsspirale in puncto Arbeitnehmerrechten und -löhnen führt. Darüber hinaus sind die Verbraucher (wir) derart über die Zukunft verunsichert, dass wir in eine Art "Käuferstreik" treten, schon allein, um die zu erwartenden schlechten Zeiten zu überbrücken.
Punkt 2 ist zwar eine logische Folge auf Ihre vernachlässigte Bildungspolitik, führt aber weltweit zu Verunsicherung, wenn wir jetzt (nachdem wir Exportweltmeister bereits auf hochqualifizierten Gebieten sind) auch noch auf niedrig qualifizierten Gebieten in Konkurrenz gehen wollen.
Wie konnten Sie als Mehrheitbeschaffer (die Einführung des Dosenpfands rechtfertigt m.E. keinesfalls Ihre Unterstützung solch Menschen verachtender Politik) solch falsche Ansätze unterstützen?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Gribs,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne beantworten will. Ich gebe Ihnen vollkommen Recht, dass wir seit Jahren einen Trend sehen, dass durch die zunehmende Technisierung zahlreiche Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe und in Verwaltungsbetrieben wegfallen.

1. Wir GRÜNEN wollen tatsächlich Anreize für neue Jobs im Dienstleistungssektor im unteren Einkommensbereich schaffen. 2. Keineswegs vernachlässigen wir GRÜNEN die Bildungspolitik!

Im Gegenteil, wir schaffen die Voraussetzungen für neue Arbeitsplätze! Folgende Meldung wurde im Februar 2005 in der Financial Times veröffentlicht: Keine Abwanderung qualifizierter Kräfte - Deutschland verzeichnet einen Brain Gain!! Die Zahl ausländischer Spitzen-Wissenschaftler, die in Deutschland forschen wollen, steigt. Das geht aus einer Umfrage der „Financial Times Deutschland“ unter deutschen Wissenschaftsorganisationen hervor. Die Humboldt- Stiftung zum Beispiel hat 2004 gut 20 Prozent mehr ausländische Bewerber um Stipendien für Deutschland in die engere Wahl genommen. Dies gilt auch für die anderen Stiftungen wie die Deutsche Forschungsgesellschaft.. Das Potential für unseren Wohlstand liegt in Deutschland vor allem bei der Produktion von Gütern mit hoher Forschungs- und Entwicklungsintensität und in unternehmens- sowie personenbezogenen Dienstleistungen.

Deutschlands Zukunft als Wirtschaftsstandort sehe ich im Bereich der Hochtechnologie auf den Gebieten der Umwelt- und Energieeffizienztechnologie, des Maschinenbaus, der Kommunikationstechnologie, auch der Chemie- und Pharmaindustrie, sowie der Automobil- und Flugzeugindustrie. Die hohe Arbeitslosigkeit ist zu einem Großteil Folge der eingangs skizzierten Entwicklung neuer Fertigungstechnologien und zu einem Teil Folge der Globalisierung mit Abwanderung lohnintensiver Produktion in Niedriglohnländer. Die hohen sozialen Arbeitsnebenkosten tragen nach meiner Einschätzung auch ihren Teil zu den Ursachen der Arbeitslosigkeit und Schwarzarbeit bei. Dieser Entwicklung muss die Politik Rechnung tragen und durch vorausschauende Gesetzgebung gegensteuern. Was haben wir bisher schon erreicht? · Immer mehr Menschen nehmen in Deutschland eine Beschäftigung auf. Die Zahl der Erwerbstätigen lag Ende 2004 um 950.000 höher als 1998. · Seit Anfang 2001 sind hier bei den unternehmensnahen Dienstleistungen 475.000 neue Arbeitsplätze entstanden. 6,4 Millionen Menschen arbeiten heute in diesem Bereich. · Wir haben 130.000 Arbeitsplätze bei den Erneuerbaren Energien geschaffen.. · Selbständigkeit und Existenzgründungen haben sich positiv entwickelt. 1998 lag die Zahl der Selbständigen bei 3,8 Millionen, 2004 waren es 4,2 Millionen. Und was wollen wir demnächst anpacken, also unsere nächsten Schritte? · Wir wollen die Lohnnebenkosten für Menschen mit niedrigen Einkommen spürbar senken, denn hier lassen sich neue Jobs im Bereich von personen- und haushaltsbezogenen Dienstleistungen und beim Handwerk schaffen. Würden z.B. die ersten 250 €, die jeder verdient, von Sozialversicherungsbeiträgen frei gestellt, so würden nach einer Studie des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung kurzfristig 280.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse entstehen. · Wir wollen die Investitionen in Bildung und Forschung weiter erhöhen, damit im Bereich der hochqualifizierten Dienstleistungen neue Jobs entstehen können. Nach einer aktuellen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit können im Bereich unternehmensnahe Dienstleistungen bis 2020 zwei Millionen Arbeitsplätze zusätzlich geschaffen werden.
Wir wollen Innovationen bei Erneuerbaren Energien, zur Einsparung von Öl und Material fördern. Durch Effizienzsteigerungen in der Wirtschaft lassen sich nach einer Studie der Prognos AG bis zu 750.000 Arbeitsplatze schaffen.

Was können Sie von den anderen Parteien erwarten?
Die Union will die Reform der Handwerksordnung zurückdrehen und den Meisterzwang wieder einführen, obwohl in diesem Bereich 40.000 neue Arbeitsplätze entstanden sind. Sie will ihre Klientel bei den Handwerksmeistern vor unliebsamer Konkurrenz schützen. Die FDP will arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zusammenstreichen. Die Arbeitslosigkeit von Hunderttausenden wäre die Folge. Die SPD will keine weiteren Strukturreformen am Arbeitsmarkt.
Die Linkspartei PDS will den Spitzensteuersatz bei der Einkommenssteuer auf 50 Prozent erhöhen. Im Ergebnis würden so die kleinen und mittleren Unternehmen gegenüber den Konzernen benachteiligt sowie ihre Wettbewerbsfähigkeit sinken. Das würde Arbeitsplätze kosten.

Zum Dosenpfand: Dieses komplizierte Gesetz aus der Töpfers Hand wurde unter Trittin gegen den Widerstand der Discounter und großen Brauereien durchgesetzt. Vernünftige Nachbesserungen dieses alten CDU-Gesetzes wurden lange Zeit von den CDU-geführten Ländern blockiert, mit dem Ziel, das eigene Gesetz ganz zu kippen. Erst nachdem sich die Bundesregierung gerichtlich gegen die Blockadehaltung der Discounter durchgesetzt hatte, war der Bundesrat bereit, vernünftige Vorschläge zur Vereinfachung der Pfandregelung zu akzeptieren.

Ich bin überzeugt, Grüne Politik baut auf den Prinzipien Weitsicht und Rücksicht. So schaffen wir Arbeitsplätze in einem lebenswerten Umfeld.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitta Nell-Düvel – nell-duevel.de