Frage an Björn Lakenmacher von Antje B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Ein Arbeitsplatzverlust ist heutzutage leider keine Ausnahmeerscheinung. In diesem Fall ist der erste Schritt der Gang zur Agentur für Arbeit. Geschieht dies das 1. Mal im Erwerbsleben, werden die persönlichen Daten des Betroffenen umfänglich aufgenommen und erfasst.
Dabei wird dem Arbeitssuchenden/Antragsteller auf ALG unabhängig vom Lebensalter und Dauer des Arbeitslebens die Frage nach der Staatsbürgerschaft und etwaigen Migrationshintergrund der ELTERN des Bürgers gestellt.
WARUM? Kennen Sie den Hintergrund dieser Frage und Erfassung dieser „Abstammungsdaten“? Wofür und von wem werden diese Angaben (Herkunft der Eltern) benötigt/genutzt? Wie stehen Sie zur Erhebung genau dieser Information zur Herkunft antragstellender Bürger*innen? Ist diese Frage vereinbar/konform mit den Gesetzen und Regelungen die Tätigkeit, Verantwortung und Vollmachten der Agentur für Arbeit und die Persönlichkeitsrechte der Bürger*innen betreffend?
Sehr geehrte Frau B.,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage.
In § 281 Abs. 2 SGB III hat der Gesetzgeber das Interesse an einem zusätzlichen Nachweis über den Migrationshintergrund in den Arbeitsmarktstatistiken der Bundesagentur für Arbeit zum Ausdruck gebracht.
Um den Informationsbedarf zu decken, werden regelmäßig Befragungsergebnisse für die Arbeitslosenstatistik, die Grundsicherungsstatistik, die Statistik über Leistungen nach dem SGB III, die Statistik über arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und die Statistik zum Ausbildungsstellenmarkt publiziert.
§ 281 SGB III Arbeitsmarktstatistiken
(1) Die Bundesagentur hat aus den in ihrem Geschäftsbereich anfallenden Daten Statistiken, insbesondere über Beschäftigung und Arbeitslosigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie über die Leistungen der Arbeitsförderung, zu erstellen. Sie hat auf der Grundlage der Meldungen nach § 28a des Vierten Buches eine Statistik der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und der geringfügig Beschäftigten zu führen.
(2) Die Bundesagentur hat zusätzlich den Migrationshintergrund zu erheben und in ihren Statistiken zu berücksichtigen. Die erhobenen Daten dürfen ausschließlich für statistische Zwecke verwendet werden. Sie sind in einem durch technische und organisatorische Maßnahmen von sonstiger Datenverarbeitung getrennten Bereich zu verarbeiten. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die zu erhebenden Merkmale und die Durchführung des Verfahrens, insbesondere Erhebung, Übermittlung und Speicherung der erhobenen Daten.
Der Begriff „Migrationshintergrund“ fasst unterschiedliche Aspekte der Zuwanderung und der Staatsangehörigkeit zusammen. Zu berücksichtigen ist selbstverständlich, dass sich hinter dem Migrationsstatus zahlreiche Facetten der Zuwanderung und Staatsangehörigkeit verbergen.
Definition des Merkmals Migrationshintergrund nach § 6 der Migrationshintergrund-Erhebungsverordnung (MighEV)
Ein Migrationshintergrund liegt vor, wenn
1. die befragte Person nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder
2. der Geburtsort der befragten Person außerhalb der heutigen Grenzen der Bundesrepublik Deutschland liegt und eine Zuwanderung in das heutige Gebiet
der Bundesrepublik Deutschland nach 1949 erfolgte oder
3. der Geburtsort mindestens eines Elternteiles der befragten Person außerhalb der heutigen Grenzen der Bundesrepublik Deutschland liegt sowie eine
Zuwanderung dieses Elternteiles in das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach 1949 erfolgte.
Das Merkmal Migrationshintergrund fällt nicht im operativen Handeln der Agenturen für Arbeit und Träger der Grundsicherung an, sondern muss durch gesonderte Befragung ermittelt werden. Die Migrationshintergrund-Erhebungsverordnung (MighEV) nennt als Gesamtheit der zu befragenden Personen alle Ausbildung- und Arbeitsuchenden, Arbeitslosen und von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie alle erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben.
Das heißt:
Es besteht keine (!) Auskunftspflicht für die Befragten.
Bei der Befragung handelt es sich statistisch-methodisch um eine Vollerhebung mit freiwilliger Teilnahme – Das ist die korrekte Bezeichnung.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Björn Lakenmacher