Frage an Birte Pauls von Cornelia J. bezüglich Senioren
Sehr geehrte Frau Pauls,
auf diesem Wege möchte ich berichten, dass ich am 16.06. im Sozialausschuss des Landtages eine Power- point- Präsentation zum Thema "Bericht aus der praktischen Altenpflege" halten durfte. (Mein Titel war "Wohlstand verpflichtet" ) Ich habe die Abgeordneten mit Fakten und Expertenstandards und deren Umsetzung erschlagen, das war auch mein Ziel. Ich habe meinen Vortrag in schriftlicher Form weitergegeben. Ebenfalls eine komplette Dokumentation, incl. einer geschriebenen Pflegeplanung und die Formulare zum Risikomanagement (Expertenstandards). Sehr interessiert an meinen Ausführungen war Frau Sassen. Natürlich gab sie mir recht, alles sei viel zu viel, ja,alles müsse dokumentiert werden, nur was dokumentiert ist, ist auch gemacht.
Alles gut und schön, aber wie geht es jetzt weiter? Der aktualisierte Expertenstandard "Dekubitusprophylaxe" liegt vor und erwartet noch mehr Dokumentation! Wer soll das alles leisten, bei den, mit den Kostenträgern der Kommunen und den Pflegekassen, verhandelten Pflegeschlüsseln für S-H.?
Sehr geehrte Frau Pauls, die Pflege erwartet eindeutige Vorgaben der Politik, wir wollen nicht bedauert werden, zu bedauern sind die Bewohner. Tun Sie etwas, damit zukünftig wieder der Bewohner und nicht die Dokumentation im Vordergrund steht!
Mit freundlichen Grüßen
Cornelia Jung
Sehr geehrte Frau Jung,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage und bitte entschuldigen sie die Verspätung der Antwort.
Vielleicht haben Sie mitbekommen, dass die SPD Landtagfraktion im Mai ein Pflegepraktikum in Pflegeinrichtungen absolviert hat. Auch in den nachfolgenden Gesprächen, zu denen wir eingeladen haben, wurde uns immer wieder von Pflegepersonal bestätigt, dass viel zu viel Zeit für Dokumentation und anderen oft sehr unabgestimmten Kontrollaufgaben benötigt wird. Diese kostbare Zeit, auch angesichts von Personalmangel, der eigentlichen Pflege und Zuwendung zum Pflegebedürftigen nicht mehr zur Verfügung steht. Dieser Zustand geparrt mit einer gewissen Misstrauenskultur - alles muss geschrieben sein, der eigentliche Zustand des Menschen spielt dabei oft gar keine Rolle- stellt auch das Selbstverständnis bzw. die Profession der Pflege ständig in Frage und frustriert somit Kolleginnen und Kollegen, die alle irgendwann ein Mal hochmotiviert den Beruf ergriffen haben und leider oft genug sehr frühzeitig den Beruf wieder verlassen.
Deshalb habe ich mit meiner Fraktion zur letzten Landtagssitzung einen Antrag zur Reduzierung der Dokumentationsaufgaben unter Einbeziehung der Fachverbände gestellt.( http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl17/drucks/1500/drucksache-17-1573.pdf )
Leider wurde dieser Antrag, von CDU/ FDP, auch von Frau Sassen, abgelehnt, angeblich mit der fadenscheinigen Begründung: er wäre zu ungenau formuliert.Und es sei schon alles auf dem Weg. Es wäre mir mit 23jähriger Berufserfahrung als Krankenschwester natürlich ein einfaches gewesen, es sehr genau zu formulieren, aber uns ging es dabei um die Einbeziehung der Fachverbände. Und auf dem Weg ist auch das Selbstbestimmungstärkungsgesetz, auf dessen Umsetzung die Einrichtungen seit 2 Jahren warten...( Die Protokolle der Reden können sie ebenfalls über das Landtagsinformationssystem einsehen ) Aber man ist anscheinend an Fachwissen nicht interessiert, das stellen wir an anderen Stellen auch immer wieder fest und Sie durften es ja im Sozialausschuss ebenfalls erfahren.
Was wir in der Pflege brauchen sind attraktive Rahmenbedingungen für das Pflegepersonal,Reduzierung von Dokumentation auf ein sinnvolles abgestimmtes Maß, eine modernisierte Ausbildung, mehr Ausbildungsplätze,trägerunabhängige Pflegestützpunkte zur Beratung , mehr Unterstützung von pflegenden Angehörigen, Ausbau von gemeindenahen Versorgungsangeboten und Wohnformen. Und vor allem muss der Mensch im Mittelpunkt der Pflege und Versorgung stehen, deshalb muss der Pflegebedürftigkeitsbegriff dringend geändert werden.
Es tut mir leid, wenn ich etwas ausführlicher geworden bin, aber das Thema Pflege liegt mir sehr am Herzen.
Mit freundlichen Grüßen
Birte Pauls