Frage an Birgit Malecha-Nissen von Peter A. bezüglich Umwelt
Sehr geehrte Frau Dr.Malecha-Nissen,
wie argumentieren Sie Ihr Abstimmungsverhalten zu den Umweltthemen Glyphosat und Fracking? Gerade in einem ländlich geprägten Bundesland wie Schleswig-Holstein sind wir auf gesund produzierte Lebensmittel angewiesen. Unsere Besucher (Touristen) werden es uns danken. Ebenso wird Fracking viele abschrecken. Spätestens nach Berichten von Panorama weiß mann (Frau)über die "Nebenwirkungen" bescheid. Unser Bundesland ist auf den Tourismus nun einmal stark angewiesen und seine Bewohner lieben die Natur. Sonst würden ja alle in die Großstadt ziehen.
Ich bin der Überzeugung, dass Sie nicht für Ihre Wähler , sondern gegen diese gestimmt haben. Eigentlich sollen Sie doch Schaden vom Volk und vom Land abwenden?
Mit freundlichem Gruß
Peter Altenhaus
Sehr geehrter Herr Altenhaus,
ich danke Ihnen sehr für Ihre Frage an mich zum Thema Glyphosat und Fracking.
Meine beiden Voten habe ich mir nicht leicht gemacht, aber gerne nehme ich im Folgenden dazu Stellung.
Glyphosat
Zuerst möchte ich Sie darauf hinweisen, dass es bei der Abstimmung im Bundestag nicht darum ging, der Wiederzulassung von Glyphosat zuzustimmen, sondern es wurde lediglich der aktuelle Stand des europäischen Zulassungsverfahrens von Glyphosat diskutiert. Dieses Verfahren sieht vor, dass zuerst die EU-Mitgliedsstaaten entscheiden, ob es zu einer erneuten Zulassung kommen wird. Sollten diese zu keiner Einigung kommen, könnte auch die EU-Kommission im Alleingang die Zulassung verlängern. Momentan stehen Staaten wie Frankreich, Italien und Niederlande einer Verlängerung der Zulassung skeptisch gegenüber. Auch die Bundesregierung, nicht der Bundestag, muss sich für oder gegen die erneute Zulassung positionieren. Nach unseren Informationen hat sich die Bundesregierung gegenwärtig noch nicht entschieden, wie Deutschland in Brüssel abstimmen soll. So betrachtet das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit die Wiederzulassung wegen seiner Auswirkungen auf die biologische Vielfalt sehr kritisch.
Seit langem warnen einige Ärzte, Wissenschaftler, Umwelt- und Verbraucherverbände vor den gesundheitlichen und ökologischen Folgen des übermäßigen Glyphosateinsatzes. Die International Agency for Research on Cancer (IARC), eine Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), hat den Wirkstoff als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit werden diese Bedenken hingegen nicht geteilt. Die WHO überprüft nun intern, ob sie das Ergebnis der IARC aufrechterhält.
Die widersprüchlichen wissenschaftlichen Beurteilungen haben in der Gesellschaft zu einer großen Besorgnis geführt. Als Sozialdemokraten nehmen wir diese Sorgen sehr ernst. Wir haben Vertrauen in das Fachwissen der deutschen und der europäischen Bewertungsbehörden, meinen aber, dass der häufige Einsatz dieses Pflanzenschutzmittels verringert werden sollte. Deshalb treten wir für ein Verbot von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln im kommunalen Bereich und in Haus- und Kleingärten ein. Wir wollen nicht, dass auf Spielplätzen und in öffentlichen Gärten Glyphosat weiter eingesetzt werden darf. Einige große Baumarktketten haben bereits gehandelt und Unkrautvernichtungsmittel, die Glyphosat enthalten, aus ihrem Sortiment genommen. Auch in deren Interesse kann es nur gut sein, wenn wir zügig eine Regelung schaffen, die für den gesamten Handel gilt.
Auch die Landwirtschaft muss ihren in den vergangenen Jahren stetig gestiegenen Glyphosat-Einsatz verringern. In vielen Fällen ist die Anwendung nicht zwingend notwendig. Wo möglich, sollte der Wirkstoff durch mechanischen Arbeitsgänge mit geeigneten Geräten ersetzt werden. Um die Anwendung auf ein Mindestmaß zu reduzieren und gemeinsam mit der Landwirtschaft einen Ausstiegsplan entwickeln zu können, müssen wir die Forschung für sichere Alternativen stärken und Lösungen für eine nachhaltige und zukunftsfähige Landwirtschaft finden.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat ein Positionspapier zum Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat verabschiedet. Hier der Link dazu: http://www.spdfraktion.de/presse/pressemitteilungen/spd-fordert-glyphosat-verbot-f%C3%BCr-private-und-kommunale-anwendung
Fracking
Den Ende April von der Grünen-Bundestagsfraktion eingebrachte Gesetzesentwurf sowie den von der Linken-Bundestagsfraktion eingebrachte Antrag für ein Komplettverbot der Fracking-Technologie habe ich nach reiflicher Überlegung abgelehnt. Ausschlaggebend hierbei war für mich, dass der Abstimmung keine inhaltliche Debatte vorausging. Zudem erachte ich ein generelles gesetzliches Frackingverbot als wenig sinnvoll.
Zunächst einmal zeichne ich kurz den aktuellen Stand: Die Gespräche der Koalition sind weit fortgeschritten. Es sind nur noch wenige, aber wichtige Punkte zu klären. Fest steht: Wir wollten kein „Hauruckverfahren“ vor der parlamentarischen Sommerpause, deshalb haben wir die endgültige Verabschiedung des Gesetzesentwurfs auf den Herbst verschoben.
Im Rahmen der Gespräche mit der Union und bei den Anhörungen im Deutschen Bundestag hat sich gezeigt, dass es in zentralen Fragen noch keine Einigung gibt.
Zur Expertenkommission, die von der Union hineinverhandelte wurde: Leider konnten wir uns nicht durchsetzen dieses ganz zu streichen. Wir sind der Überzeugung, das Fracking eine Risikotechnologie ist, die wir nicht einer Expertenkommission und dem Ermessen von Landesbehörden überlassen dürfen. Unser zentrales Anliegen als SPD-Bundestagsfraktion ist, dass der Bundestag im Umgang mit unkonventionellem Fracking das letzte Wort hat (Parlamentsvorbehalt). Aus unserer Sicht sollte Expertenkommission maximal eine Beratungs- und Beurteilungsfunktion haben, die sie im Rahmen von Erprobungsmaßnahmen ausübt. Die Anzahl der vorgesehenen Probebohrungen muss auf das wissenschaftlich Notwendige begrenzt werden. Gemäß dem Koalitionsvertrag müssen die Länder im Rahmen der Probebohrungen beteiligt werden. Das heißt, auch wenn die Kommission die Unbedenklichkeit attestiert hat, sollen die Bundesländer ein Verbot aussprechen können. Ich bin froh, dass die schleswig-holsteinische Landesregierung hier eine klare Haltung einnimmt: Fracking? Nein, danke!
Konsens zeichnet sich mit unserem Koalitionspartner hingegen bei folgenden Punkten ab:
Höhere Umweltstandards hinsichtlich der konventionellen Erdgasförderung sind ein entscheidender Fortschritt. Bisher gibt es keine Regelungen!
Beim Thema Lagerstättenwasser soll es deutliche Verschärfungen geben, und die Beweislastumkehr bei Bergschäden soll auch auf Erdbeben, die durch die Erdgasförderung entstehen können, ausgedehnt werden.
Die Streichung der 3.000-Meter-Grenze im Bereich des Schiefer- und Kohleflözgases konnten wir erfolgreich durchsetzen.
Außerdem wurde auch das Fracking zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl in den Gesetzesentwurf einbezogen. Dieser Punkt ist mir im Hinblick auf die Lagerstätten in Schleswig-Holstein besonders wichtig.
Deshalb sage ich das in aller Deutlichkeit und mit meiner langjährigen Erfahrung als Geologin: Wir brauchen dieses Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhandenen Fördermethoden verschärft. Wir wollen klare Regelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen.
Darüber hinaus habe ich eine persönliche Erklärung zu meinem Abstimmungsverhalten abgegeben. Hier der Link dazu: http://malecha-nissen.de/persoenliche-erklaerung-zur-abstimmung-ueber-frackingverbot/
Ich hoffe, dass ich Ihnen damit einen Einblick in die Gründe für mein Abstimmungsverhalten gegeben habe und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Birgit Malecha-Nissen