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Birgit Malecha-Nissen
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Frage von Peer S. •

Frage an Birgit Malecha-Nissen von Peer S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Frau Malecha-Nissen,

die GroKo plant, noch vor der Sommerpause über die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung abzustimmen. Für mich sieht es so aus, als wären die Befürworter der VDS vor allem CDU/CSU und Sigmar Gabriel. Aus der SPD hört man viele Stimmen, die sich gegen jede Form der VDS aussprechen. Dennoch beugen sich die meisten Abgeordneten erfahrungsgemäß dem Druck von oben, a.k.a Fraktionszwang (siehe Heiko Maas himself).

Von Ihnen wüsste ich gerne, wie Sie zur VDS stehen und wie Sie abstimmen werden. Ich möchte klarstellen, dass ich die VDS nicht nur für Unsinn halte (Frankreich hat sie seit Jahren...), sondern für einen direkten Angriff auf Demokratie und Rechtsstaat (Stichwort Unschuldsvermutung). Möglicherweise ist sie auch ein Lobbygeschenk an die sogenannte Abmahnindustrie.

Natürlich bekommen Sie Druck von der Parteispitze, für das Vorhaben zu stimmen. Aber wer für Projekte wie die VDS stimmt, ist für mich einfach unwählbar. Ein Abgeordneter sollte den Mut haben, sich gegen Zwänge der Parteiführung zu stellen, alles andere führt weg von Demokratie hin zu einer Diktatur der Parteien (die wir z.T. schon haben).

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Steen,

herzlichen Dank für Ihr Schreiben, in dem Sie Ihre Bedenken zur geplanten Speicherung von Telekommunikationsdaten äußern. Gerne erläutere ich im Folgenden die Position der SPD zu diesem Thema.

Am 15. April hat Bundesjustizminister Heiko Maas Leitlinien zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vorgelegt.

Mit dem Vorschlag von Bundesjustizminister Maas wird eine eng begrenzte Pflicht für alle Telekommunikationsanbieter zur Speicherung von wenigen, genau bezeichneten Verkehrsdaten unter Ausnahme von Diensten der elektronischen Post – also Email – eingeführt.
Oberste Richtschnur aller Regelungen sind für uns die strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes. Die von Bundesjustizminister Maas vorgelegten Leitlinien sind viel restriktiver als das vom Bundesverfassungsgericht aufgehobene, ehemalige Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, viel restriktiver als die aufgehobene europäische Richtlinie und auch viel restriktiver als CDU/CSU es wollen:

- Gespeichert werden müssen nur genau bezeichnete Verkehrsdaten, die bei der Telefon-kommunikation anfallen (Rufnummer, Beginn und Ende des Telefonats, im Fall von Internet-Telefondiensten auch die IP-Adressen). Diese Daten sollen zehn Wochen gespeichert werden.
- Für die Bezeichnung der Funkzellen, die durch den anrufenden und den angerufenen An-schluss bei Beginn der Verbindung genutzt werden, gilt eine deutlich kürzere Speicherfrist von vier Wochen. Diese kurze vierwöchige Speicherfrist ist vorgesehen, weil über Funkzellendaten der Aufenthaltsort des Mobilfunknutzers bestimmt werden kann und wir nicht wollen, dass mittels dieser Daten Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile erstellt werden können. Zusätzlich muss im richterlichen Anordnungsbeschluss einzelfallbezogen begründet werden, warum der Abruf von Funkzellendaten erforderlich und angemessen ist. Anders als etwa in Frank-reich dürfen Kommunikationsinhalte und aufgerufene Internetseiten nicht gespeichert werden.
- Um die Grundrechte der Betroffenen auf Datenschutz und Schutz ihrer Privatsphäre zu wahren, ist der Datenabruf nur zur Verfolgung von schwersten Straftaten möglich. Daten von Berufsgeheimnisträgern wie Journalisten, Anwälten oder Ärzten unterliegen einem Verwertungsverbot. Dies gilt auch bei Zufallsfunden.
- Wichtig ist, dass der Zugriff auf die gespeicherten Daten transparent und restriktiv geregelt ist: Es gibt einen strengen Richtervorbehalt, d.h. nur auf richterlichen Beschluss hin dürfen Ermittlungsbehörden die Daten abrufen und es gibt keine Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft oder der Polizei. Im Vergleich zu der vom Bundesverfassungsgericht verworfenen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung ist der von Minister Maas vorgelegte Straftatenkatalog deutlich reduziert worden. Der Abruf von Daten wird nur für schwerste Straftaten möglich sein. Darüber hinaus müssen die Betroffenen grundsätzlich über jeden Abruf informiert wer-den. Nach Ablauf der Speicherfrist von zehn bzw. vier Wochen müssen die gespeicherten Daten gelöscht werden. Verstöße gegen die Löschpflichten oder die Weitergabe von Daten haben strenge Sanktionen für die Dienstanbieter zur Folge.
- Die Leitlinien enthalten zudem eine datenschutzrechtliche Verbesserung zur geltenden Rechtslage: Das Gesetz wird die Befugnis der Ermittlungsbehörden zum Abruf der genannten Daten abschließend regeln. Speichert ein TK-Anbieter die Daten über den verpflichtend vor-gegebenen Zeitraum auf Grund einer anderen Rechtsgrundlage, z.B. zu Zwecken der Vertragserfüllung, weiterhin, so ist der Abruf nach diesem Gesetz dennoch nach Ablauf der 10 bzw. 4 Wochen untersagt.
- Um die Sicherheit der gespeicherten Daten zu gewährleisten, werden die Dienstanbieter zudem verpflichtet, die Daten zu schützen. Auch müssen die Server, auf denen die Daten gespeichert werden, innerhalb Deutschlands stehen. Wenn ein Dienstanbieter mit den gespeicherten Daten Datenhandel treibt und diese unbefugt an Dritte weitergibt, ist dies zukünftig eine Straftat nach dem neu zu schaffenden Tatbestand der Datenhehlerei.

Die Leitlinien sind eine gute Grundlage für die weitere Debatte und das anstehende parlamentarische Verfahren. Die SPD-Bundestagsfraktion wird dafür Sorge tragen, dass sich die obigen Grundsätze ohne Ausnahmen und Abstriche auch in den gesetzlichen Detailregelungen wiederfinden. Wir sind uns sicher, dass am Ende ein ausgewogener Kompromiss stehen wird. Deutschland hätte damit zugleich die strikteste Regelung zur Speicherung von Verkehrsdaten in ganz Europa.

Ich kann Ihnen versichern, dass die SPD die Bedenken der Bürgerinnen und Bürger sehr ernst nimmt. Wir werden uns dafür einsetzen, dass auch weiterhin das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht angetastet wird. Gleichzeitig ist es als Gesetzgeber unsere Pflicht, den Herausforderungen des internationalen Terrorismus zu begegnen und uns dafür einzusetzen, dass die Menschen in diesem Land in Sicherheit leben können.

Mit freundlichen Grüßen

Birgit Malecha-Nissen