Frage an Birgit Collin-Langen von Christian James W. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Collin-Langen,
ich habe eine Frage zur Vor- und Familienamensänderung bei Unionsbürgern mit einer gleichzeitig bestehenden US-Staatsbürgerschaft.
Soviel ich weiss kann ein Bürger seinen bürgerlichen Namem auf Antrag in Deutschland ändern lassen. Jedoch wird dafür ein undefinierter "wichtiger Grund" vorraus gesetzt und es gibt eine NamÄndVwV die dieses - meiner Meinung nach - persönliche Menschen- und Bürgerrecht in diskriminierender Weise durch staatliche Bevormundung einschränkt.
Ich habe daher meinen bürgerlichen Namen in England ändern lassen, da dies dort ohne eine erheblich diskriminierende Einschränkung durch eine nationale VwV möglich ist. Ich habe eine Änderung von "C. J. W." in "James Christian BOND" in England während meines Aufenthaltes dort vollzogen.
Jetzt weigert sich die Verbandsgemeindeverwaltung in Bad Marienberg u.a. durch das VG und das OVG Kobkenz, meine englische Namensänderung aus 2014 öffentlich anzuerkennen.
Ich laufe also mit 2 verschiedenen bürgerlichen Namen gleichzeitig durch die Gegend wie einige weitere Unionsbürger bestimmt ebenso.
Die nationale NamÄndVwV beruht auf einem alten Gesetz von 1938 aus der Zeit des NS-Regiment, da meine Großeltern (so wie viele weitere Personen ihrer Zeit) damals durch den Nationalsozialismus (nachweislich) verfolgt wurden und da dies sogar von den Behörden in Rheinland-Pfalz geleugnet wird, fühlt unsere Familie sich erneut von dieser Zeit eingeholt.
Wie kann solchen Fällen einschlägig Abgeholfen werden?
Wieso ist es in Großbritannien, Malta, Irland und Schweden einfacher seinen bürgerlichen Namen zu ändern?
Wieso nutzten die Behörden in Rheinland-Pfalz nach wie vor veraltete NS Ansichten, anstatt die Rechte die sich aus der Unionsbürgerschaft ergeben anzugleichen?
Was macht es für einen Sinn mit 2 unterschiedlichen bürgerlichen Namen zu leben?
Sehr geehrter Herr Weinbrenner,
ich antworte Ihnen gerne auf Ihre Fragen, die mich über "abgeordnetenwatch" erreicht haben.
In Deutschland ist eine öffentlich-rechtliche Namensänderung nach § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen - NamÄndG - nur möglich, sofern ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn das schutzwürdige Interesse des Antragstellers an der Namensänderung gegenüber den entgegenstehenden schutzwürdigen Interessen anderer Beteiligter und den in den gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck kommenden Grundsätzen der Namensführung, zu denen auch die soziale Ordnungsfunktion des Namens und das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des überkommenen Namens gehören (Nr. 28 NamÄndVwV), überwiegt.
Da der Familienname grundsätzlich nicht zur freien Verfügung des Namensträgers steht, kommt z. B. eine Namensänderung nicht in Betracht, wenn sie nur damit begründet wird, dass der bestehende Name dem Namensträger nicht gefällt oder dass ein anderer Name klangvoller ist oder eine stärkere Wirkung auf Dritte ausübt (Nr. 30 Abs. 2 NamÄndVwV). Da der Familienname ein wichtiges Identifizierungsmerkmal ist, besteht ein öffentliches Interesse an der Beibehaltung des überkommenen Namens.
Ich kann Ihre Ansicht nicht teilen, dass die Voraussetzung eines wichtigen Grunds für die Namensänderung die persönlichen Menschen- und Bürgerrecht in diskriminierender Weise durch staatliche Bevormundung einschränkt.
Ich möchte hier auf 2 Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts verweisen:
Am 7. Mai 1954 erklärte das Bundesverwaltungsgericht das NamÄndG nach Art. 125 Grundgesetz zum Bundesrecht. Zu der Frage, ob das Gesetz mit den Grundsätzen eines demokratischen Rechtsstaates vereinbar ist, hat das BVerwG in einer Entscheidung vom 7. März 1958 (DVBl. 1958, 544) festgestellt, dass das Gesetz weder im Ganzen noch in einzelnen Teilen als nationalsozialistisches Gedankengut angesehen werden kann. Das Gesetz habe hauptsächlich die bis dahin geltenden Regelungen einzelner deutscher Länder aus der Zeit der Weimarer Republik zusammengefasst und vereinheitlicht. Soweit im NamÄndG Begriffe wie „Deutsches Reich“ und „Reichsminister des Innern“ genannt sind, seien diese Vorschriften heute gegenstandslos. So führte das Gericht wörtlich aus:
„[…]das Bundesverwaltungsgericht [hat] schon in seinem Urteil vom 7. 5. 1954 (BVerwGE 1, 138) ausgesprochen, daß das NÄG nach den Art. 74 Ziff. 2, 125 GG Bundesrecht geworden ist. Diese Ausführungen schließen die Feststellung in sich, daß das Gesetz in seinem gesamten Umfange gültiges Recht geblieben ist und daß es weder im ganzen noch in Teilen als nationalsozialistisches Gedankengut angesehen werden kann. Von dieser Rechtsauffassung abzugehen, besteht kein Anlaß. Insbesondere sind hinsichtlich der Vorschrift des § 8 NÄG keine Anhaltspunkte für die Annahme ersichtlich, ihr Inhalt sei ganz oder teilweise durch nationalsozialistische Gedankengänge geformt. Zwar findet sich die Bestimmung, daß die Verwaltungsbehörde unter bestimmten Voraussetzungen ein Verfahren zur Feststellung des richtigen Familiennamens einleiten kann, erstmals in dem am 1. 1. 1938 in Kraft getretenen Gesetz, während in den vor diesem Zeitpunkt anzuwendenden einschlägigen Vorschriften, z. B. der Preuß. VO betr. die Änderung von Familiennamen vom 3. 11. 1919 (GS S. 177) in der Fassung der VO vom 30. 1. 1923 (GS S. 21) und vom 25. 7. 1928 (GS S. 190), nur über die Änderung von Familiennamen und das dabei einzuhaltende Verfahren Bestimmung getroffen wurde. […] [Die Vorschriften sind] vielmehr aus der Entwicklung des Namensrechts zu erklären, dessen Überwachung und Lenkung ursprünglich Sache der einzelnen Länder war und das insoweit erst durch das NÄG in die Gesetzgebung des Reichs einbezogen wurde. Im Laufe der staatlichen und wirtschaftlichen Entwicklung in den Jahrzehnten vor dem Inkrafttreten des Gesetzes hatte sich nämlich gezeigt, daß bei der immer lebhafter werdenden Bevölkerungsbewegung aus staats- und sicherheitspolizeilichen Gründen ein Bedürfnis bestand, durch das grundsätzliche Verbot der Namensänderung nicht bloß die unveränderte Führung des überkommenen Familiennamens für den einzelnen zu sichern, sondern auch die Möglichkeit der Nachprüfung des Familiennamens durch behördliches Tätigwerden zu schaffen. Diese staatspolitische Maßnahme ist aber nicht nationalsozialistischem Denken entsprungen, sondern im Laufe von Jahren auf Grund der behördlichen Erfahrungen als notwendig erkannt worden. Sie ist in der gleichen Weise in jedem rechtsstaatlichen Staatswesen denkbar.“
Sie haben Ihre Namensänderung in England vorgenommen. Englands Gesetze weichen in vielen Rechtsbereichen von den meisten Ländern Kontinentaleuropas ab. Nach dem "Common Law", dem Gemeinen Recht Englands, unterliegt das Namensrecht dem Bürger bzw. der Bürgerin selbst, d. h. Vor- wie Nachnamen stehen zur freien Disposition des Trägers. Eine Namensänderung ist dort folglich relativ einfach.
Das Namensrecht unterliegt den jeweiligen Vorschriften der entsprechenden Landes. Ich kann Ihre Unzufriedenheit durchaus nachvollziehen, aber in der Sache wird sich wohl kaum etwas ändern lassen. Persönlich halte ich es durchaus für fragwürdig, ob eine so einfache Änderung des Namens und damit auch der Identität angesichts der gegenwärtigen Sicherheitslage sinnvoll ist. Ein anderer hier zu berücksichtigender Aspekt ist sicherlich auch der erleichterte Identitätsmissbrauch.
Aus europäischer Sicht kann ich Ihnen hier auch nicht weiterhelfen, denn das Namensrecht fällt auch nicht unter die "Unionsbürgerschaft". Die Unionsbürgerschaft wurde 1993 eingeführt. Sie ersetzt aber nicht die jeweilige Staatsangehörigkeit, sondern ergänzt diese. Mit der Unionsbürgerschaft verbunden ist unter anderem das Recht, sich im gesamten Gebiet der Union frei zu bewegen und aufzuhalten; das Recht, in allen EU-Ländern wie ein Inländer behandelt zu werden, wenn es zum Beispiel um die Suche nach Arbeit oder den Kauf einer Wohnung geht; das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen sowie bei den Wahlen zum Europäischen Parlament in seinem Wohnsitzland, auch wenn man nicht dessen Staatsangehörigkeit besitzt; und das Recht, sich in der Amtssprache seiner Heimat an alle Organe der EU zu wenden und in derselben Sprache eine Antwort zu erhalten.
Es ist sicherlich nicht sinnvoll mit 2 unterschiedlichen Namen zu leben, aber dennoch sehe ich in den Entscheidungen der Verbandsgemeindeverwaltung in Bad Marienberg des VG und das OVG Koblenz kein Vertreten von NS-Ansichten sondern diese entsprechen dem Deutschen Grundgesetz.
Mit freundlichen Grüßen,
Birgit Collin-Langen, MdEP
Oberbürgermeisterin a.D.
Europäisches Parlament