Frage an Birgit Collin-Langen von Christoph E. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Collin-Langen,
wie ich sehen konnte, haben Sie bei der Abstimmung für eine Resolution zu TTIP mit "Ja" gestimmt. Ich respektiere Ihre Haltung, teile sie aber nicht.
Zu meiner Frage: Sie schreiben in einer etwas älteren Pressemitteilung, dass TTIP nicht zu einer Herabsetzung der geltenden Standards führen darf. Aber ein Handelsabkommen dient ja per se der Anpassung von Schnittstellen und etwaigen Handelsbarrieren. Ist es dann nicht unumgänglich, dass bestehende Standards auf ein einheitliches Maß angepasst werden müssen und ist damit immer gemeint, dass diese Standards angehoben werden, wenn sie nicht gesenkt werden dürfen?
Kleines Zwischenbeispiel, der Mindestlohn: Der beträgt in Deutschland 8,50 Euro. In den USA 7,25 Dollar, also ca. 6,49 Euro. Demnach würde ein Unternehmer, alle anderen Faktoren außer acht lassend und vor die Wahl gestellt, die USA vorziehen, denn hier könnte er niedrigere Löhne zahlen. Noch schlimmer wirkt sich das bei Ländern in Europa mit noch höherem Mindestlohn aus. Ergo müsste doch - Ihrer Logik folgend - der Mindestlohn in den USA erhöht werden? Wie, glauben sie, wird es möglich sein, einen solchen europäischen Standard zu halten, wenn das Handelsabkommen in erster Linie die Verhinderung von Barrieren anstrebt? Können Sie mir Dokumente oder Entwürfe benennen, die ganz konkret zeigen, dass eine solche Senkung ausgeschlossen ist?
Letzte Frage: Sie beantworten Fragen auf diesem Portal teilweise mit Ihrer christlichen Grundhaltung, die auch für mich persönlich gilt. Können Sie denn christliche Werte mit Entscheidungen wie dem TTIP verbinden und wenn ja wie? Ich verweise in diesem Zusammenhang auf ein Dokument von "Brot für die Welt", dass ich lesenswert - und erschreckend finde: https://info.brot-fuer-die-welt.de/sites/default/files/blog-downloads/folgen_von_ttip_auf_entwicklungs-_und_schwellenlaender.pdf
Freue mich über eine Stellungnahme!
Gruß aus Mainz,
C. E.
Sehr geehrter Herr E.,
haben Sie vielen Dank für Ihr Schreiben zur Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der EU und den USA.
Aktuelle Dokumente zu TTIP können Sie auf der Homepage der Europäischen Kommission einsehen: http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/about-ttip/. Die Handelskommissarin Cecilia Malmström führt die Verhandlungen seitens der EU mit den USA.
Unter folgendem Link finden Sie die Entschließung des Europäischen Parlaments zu TTIP, die am 7. Juli 2015 im Plenum angenommen worden ist: http://www.europarl.europa.eu/oeil/popups/ficheprocedure.do?reference=2014/2228(INI)&l=en.
Darin spricht sich das Europäische Parlament an mehreren Stellen ausdrücklich dafür aus, dass TTIP keine Gefahr für die derzeitigen Qualitätsstandards beispielsweise für europäische landwirtschaftliche Erzeugnisse darstellen soll. Zudem sollten Regulierungsstandards und Verbraucherschutz aufrechterhalten werden. Im Zusammenhang mit den Dienstleistungen der Informationsgesellschaft und Telekommunikationsdienstleistungen ist beispielsweise zu berücksichtigen, dass im Rahmen der TTIP unbedingt gesorgt werden muss, dass Dienstleistungsunternehmen aus den USA dazu verpflichtet werden müssen, bei der Erbringung von Dienstleistungen in Europa oder für europäische Kunden alle einschlägigen, branchen- oder produktspezifischen Sicherheitsstandards und Verbraucherrechte einzuhalten und zu erfüllen.
Ich habe dieser Entschließung zugestimmt, da das Europäische Parlament sich dafür ausgesprochen hat, dass eine Absenkung von Standards nicht zustimmungswürdig ist. Das Europäische Parlament muss jedem internationalen Abkommen, wie auch dem TTIP, zustimmen. Daher ist es für die Europäische Kommission unerlässlich, die Position des Europäischen Parlaments bereits in allen Phasen der Verhandlungen zu berücksichtigen.
Im Rahmen einer regulatorischen Kooperation soll die regulatorische Kohärenz zwischen der EU und den USA gestärkt werden. Ein entsprechend zuständiges Organ soll jedoch ausschließlich der Zusammenarbeit, des informellen Austausches und der Überwachung der Umsetzung von TTIP dienen und keine Gesetzgebungs-oder Entscheidungsfunktion erhalten. Damit würde die Handlungshoheit des Europäischen Parlaments selbstverständlich nicht eingeschränkt. Es gibt Bereiche, in denen die EU und die USA ähnlich hohe Schutzniveaus aufweisen, aber auch Bereiche in denen die Regulierungsansätze sehr unterschiedlich sind. Dies ist zum Beispiel der Fall bei gentechnisch veränderten Produkten, bei hormonbehandeltem Fleisch oder in der Chemieindustrie. In solchen Bereichen, in denen die Standards zu weit voneinander abweichen, ist es nicht möglich, dass die Systeme kompatibel werden. Daher wird TTIP nichts an unseren bestehenden hohen Vorschriften in der EU ändern.
Gerne möchte ich Sie auch darauf hinweisen, dass die USA in manchen Bereichen sehr ausgeprägte und effektive Vorschriften und Durchsetzungsmechanismen hat. So stellen in den USA viele Kosmetikprodukte, wie z. B. Sonnencreme, rezeptfreie Medikamente dar, die von Behörden wissenschaftlich bewertet und genehmigt werden müssen bevor sie dem Verbraucher zum Verkauf angeboten werden können. In der EU müssen Kosmetikunternehmen lediglich zeigen, dass die Produkte sicher sind und sichere Wirkstoffe enthalten. Nach der Registrierung der Produkte, können diese auf den Markt gebracht werden. Auch wenn die USA in der Kosmetikbranche umfassendere Vorschriften aufweist, bedeutet dies nicht, dass die EU diese ebenfalls annehmen muss oder dass in der EU ein geringeres Schutzniveau vorliegt. Es handelt sich dabei einfach um verschiedene Ansätze.
Ich bin der Meinung, dass wir sowohl unsere europäischen Standards erhalten als auch weniger Handelsbarrieren erzielen können. Dies steht nicht im Widerspruch zueinander. Es geht nicht darum, die Regularien der anderen Seite anzunehmen, sondern vielmehr darum Beziehungen zwischen den Systemen aufzubauen und frühzeitig zusammenzuarbeiten. So können die EU und die USA Wissen und Ideen teilen, wenn es eines regulatorischen Handelns bedarf und welche Ansätze dafür am besten geeignet sind. Dies resultiert in kompatibleren Vorschriften und folglich in weniger Handelsbarrieren. Beide Seiten können nach wie vor ihren eigenen Weg gehen, wenn eine Übereinkunft nicht möglich ist und die Ansätze zu unterschiedlich sind. Dies bedeutet, dass europäische Standards erhalten bleiben können. Gleichzeitig können durch eine Zusammenarbeit und einen Austausch bei neuen Vorschriften weniger Handelsbarrieren erzielt werden.
Meine christlichen Werte sind mit TTIP vereinbar, denn unsere hohen Schutzstandards in der EU sollen als Maßstab für die restliche Welt dienen und eben nicht beispielsweise die Regularien von China. Unsere Bürgerinnen und Bürger sollen auch weiterhin ein hohes Schutzniveau genießen, dafür ist es wichtig, dass wir bestimmte Standards und Vorschriften, auch in Zusammenarbeit mit den USA, festsetzen. Das Europäische Parlament hat in seiner Stellungnahme die Kommission aufgefordert, die Auswirkungen des endgültigen Abkommens zu bewerten und dabei Chancen und Risiken, wie einer etwaigen Umlenkung der Handelsströme von den Entwicklungsländern, Rechnung zu tragen.
Mit freundlichen Grüßen,
Birgit Collin-Langen, MdEP