Frage an Bettina Lisbach von Martin V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Seit 1998 versprechen die Grünen die Legalisierung von Cannabis.
Bis heute hat sich nicht viel getan. Nun hatten die Grünen in BadenWürrtemberg 5 Jahre Zeit Zeichen zu setzen.
Noch immer ist Baden-Würrtemberg als nun mehr Grün geführtes Land nach Bayern das Bundesland mit der repressivsten Gesetzgebung zum Thema Cannabis?
Warum haben sich die Grünen in Baden-Württemberg nicht für ein Landesmodellprojekt zur staatlichen Abgabe von Cannabis eingesetzt?
Warum wurden Konsumenten in den letzten 5 Jahren nicht massiv Entkriminalisiert?
Obwohl sie sowohl das Modellprojekt als auch die Entkriminalisierung schon in ihrem Wahlprogramm 2011 versprochen haben.
Als Landesregierung hätten sie schon lange ein Projekt verabschieden können, dass erforscht, welche Auswirkungen eine Abgabe von Cannabis an die Bevölkerung hat.
Die Grünen müssen endlich zu ihrem Wahlversprechen stehen und zeigen, dass sie souverän ihre Ziele verfolgen!
Wie lange wollen sie ihre eigenen Wähler noch Verfolgung und Repression ausetzen?
Sehr geehrter Herr Vogel,
haben Sie recht herzlichen Dank für ihre Frage zum Thema Legalisierung von Cannabis.
Für uns Grüne in Baden-Württemberg steht das Konzept „Hilfe statt Strafe“ im Vordergrund unserer (Drogen-)Politik, so wie es auch schon im Wahlprogramm zur Landtagswahl 2011 gestanden hat. Im Wahlprogramm zur Landtagswahl 2011 hatten wir GRÜNE angekündigt, die Regelung zur „geringen Menge“ bei Cannabisprodukten an den Standards von Berlin und Nordrhein-Westfalen zu orientieren. Dies hätte eine Anhebung der sogenannten „geringen Menge“ von derzeit 3 Konsumeinheiten (ca. 6 Gramm) auf 10 Gramm in Baden-Württemberg bedeutet, bis zu der von der Strafverfolgung in der Regel abzusehen wäre. Leider erreichten wir dafür keine absolute Mehrheit, so dass wir eine Koalition mit Kompromissen für beide Seiten schmieden mussten. „Hilfe statt Strafe“ wurde als Leitmaxime einer fortschrittlichen Suchtpolitik im Koalitionsvertrag als Kompromiss festgeschrieben. Dabei sollte der Ausbau der Prävention und die Verbesserung der Substitutionsangebote im Vordergrund stehen.
Innerhalb der Koalition mit der SPD hatten wir in der Folge leider keine Mehrheit mehr, um diese Konzeption auch genau so umzusetzen. Die sozialdemokratisch-geführten Ministerien hatten sich einer Veränderung im Sinne einer verantwortungsvolleren und modernen Suchtpolitik verschlossen.
Hierauf hatten wir eine weitere Kompromisslösung eingebracht. Unser Ziel ist es, die Schleswig-Holsteinische „Handreichung betreffend die Richtlinie zur Umsetzung des §31a Betäubungsmittelgesetzes“ des Generalstaatsanwalts vom 18.07.2008, auf Baden-Württemberg zu übertragen. Diese Handreichung dient dazu, den Grundsatz „Hilfe vor Strafe“ praktisch umzusetzen und sieht im Bereich einer Menge von mehr als 6g bis zu 30g Cannabis im Regelfall eine Einstellung des Verfahrens, verbunden mit der Auflage, eine Drogenberatungsstelle aufzusuchen, vor. Unterhalb des Wertes von sechs Gramm verbleibt es in aller Regel jetzt schon bei einem sanktionslosen Absehen von der Strafverfolgung (§ 31a BtMG).
Selbst mit dieser moderaten Kompromisslösung konnten wir keine Mehrheit innerhalb der Koalition herstellen.
Dabei muss es das langfristige Ziel sein, dass eine bundeseinheitliche Regelung zur Definition der geringen Menge gefunden wird. Momentan ist jedoch nicht davon auszugehen, dass dies zeitnah geschehen wird. Dabei begründet das Justizministerium in Baden-Württemberg seine Vorbehalte gegenüber einer Neufassung der geringen Menge in Baden-Württemberg zudem mit der „Gefahr“ einer bundesgesetzlichen Regelung, bei der das Ergebnis einer solchen Diskussion nicht abzusehen sei. Aus diesem Grund wurde von einer entsprechenden Gesetzesinitiative des Landes bisher abgesehen.
Wir GRÜNEN bleiben auch zukünftig der Ansicht, dass es sinnvoll ist im Land den Grundsatz „Hilfe vor Strafe“ in den Mittelpunkt des Handelns zu stellen und der unverhältnismäßigen Kriminalisierung von Erst- oder Gelegenheitskonsumenten entgegenzuwirken. Polizei, Staatsanwaltschaften und Amtsgerichte, die sich mit einer Vielzahl von Verfahren wegen Drogendelikten mit geringer Schuld konfrontiert sehen, würden zudem durch solche Ausführungsbestimmungen deutlich entlastet. Ihnen würde ermöglicht ihre Ressourcen auf die Bekämpfung anderer (Betäubungsmittel-)Delikte zu konzentrieren. Vor diesem Hintergrund bleibt für uns auch die Umsetzung des oben genannten schleswig-holsteinischen Modells eine wichtige Option.
Sehr geehrter Herr Vogel, wir stehen weiterhin zu unserer Position aus dem Landtagswahlprogramm 2011 und dem Koalitionsvertrag. Innerhalb einer Koalition benötigen wir für Veränderungen allerdings immer einen Partner, in diesem Fall die SPD. Zu unserem Bedauern war es nicht möglich eine aus unserer Sicht verantwortungsvolle und ausgewogene Drogen- bzw. Suchtpolitik umzusetzen. Wir haben in unserem Wahlprogramm für die kommende Wahl am 13. März 2016 folgendes festgelegt (abrufbar unter https://www.gruene-bw.de/app/uploads/2016/01/GrueneBW-Landtagswahlprogramm-2016.pdf):
Drogenpolitik: Prävention statt Verbote
Wir GRÜNE stehen für eine aufgeklärte und verantwortungsvolle Drogen- und Suchtpolitik. Die bisherigen restriktiven Regelungen zum Umgang mit Cannabis führen zu Kriminalisierung und unkontrollierter Abgabe der Droge. Daher fordern wir ein Umdenken und unterstützen den Vorschlag unserer Bundestagsfraktion zur Einführung eines Cannabis-Kontrollgesetzes (abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/042/1804204.pdf). Sollte der Gesetzentwurf nicht realisiert werden können, setzen wir uns in Baden-Württemberg für einen Modellversuch zur legalen Abgabe durch öffentlich-rechtliche Stellen unter Berücksichtigung des Jugendschutzes ein. Kurzfristig wollen wir die sogenannte „Geringe Menge“ für Cannabis nach dem Vorbild anderer Bundesländer auf 10 Gramm festsetzen. Für Konsumentinnen und Konsumenten anderer Substanzen werden wir nach dem Vorbild anderer Länder Konzepte wie „Hilfe statt Strafe“ und „Drug-Checking“ umsetzen, um sie besser zu Prävention und Gesundheitsschutz beraten zu können. Außerdem wollen wir die landesrechtlichen Voraussetzungen für die Einrichtung von Drogenkonsumräumen schaffen, die der Gesundheits-, Überlebens- und Ausstiegshilfe für Drogenabhängige dienen.
Diese Drogen- und Suchtpolitik wollen wir in den nächsten Jahren umsetzen. Daher ist es wichtig, dass GRÜN bei den kommenden Wahlen deutlich gestärkt wird und wir unser Ziel mit starker Stimme auch vertreten können. Daher zählen wir auch auf ihre Stimme und Unterstützung.
Für weitere Fragen oder Anregungen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Bettina Lisbach