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Bettina Hoffmann
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Frage von Reinhard G. •

Frage an Bettina Hoffmann von Reinhard G. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Hoffmann,

ich habe gehört, dass das Bundeskabinett das Infektionsschutzgesetz wieder ändern will (§28b). Danach sollen Corona-Maßnahmen zentral von der Bundesregierung ohne Beteiligung der Länder und Gemeinden beschlossen werden. Bei dem Überschreiten bestimmter Zahlen sollen automatisch nächtliche Ausgangssperren verhängt werden, usw.

Widerspricht so ein Vorhaben bestimmten Prinzipien des Grundgesetzes? Dort wurde ja bewusst eine Gewaltenteilung vorgeschrieben und das Recht der Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern in bestimmter Weise aufgeteilt.

Haben die Bürger nicht das Recht, die Maßnahmen und Eingriffe in Grundrechte gerichtlich auf ihre Verhältnismäßigkeit überprüfen zu lassen? Ist es richtig, dass sie sich damit nicht mehr an die Verwaltungsgerichte wenden können, falls das Infektionsschutzgesetz in dieser Weise geändert wird?

Ich habe gehört, dass bestimmte Kabinettsbeschlüsse auch ohne Beratung und Zustimmung des Bundestages Gesetz werden sollen. Es sei geplant, eine Frist festzusetzen, in der der Bundestag widersprechen kann. Könnte so eine Frist nicht in einer Zeit, in der keine Sitzungswochen stattfinden, versäumt werden?

Die angedachte Gesetzesänderung soll ab einer bestimmten „7-Tage-Inzidenz“ gelten. Zur Zeit werden ja immer mehr Corona-Schnelltests durchgeführt. Können Sie mir sagen, welchen Einfluss die Zunahme der Tests auf die Zahl der „7-Tage-Inzidenz“ hat?

Glauben Sie, dass zentralistisch getroffene Entscheidungen besser sind, als regional getroffene, die vielleicht an die Verhältnisse vor Ort besser angepasst sind? Könnten vielleicht gerade durch unterschiedliche Maßnahmen Erkenntnisse darüber gewonnen werden, was wirklich wirksam ist?

Wenn aber trotzdem einheitlichere Regeln gewünscht sind – könnten dann nicht die Bundesländer solche eigenständig beschließen? Ist die Souveränität der Länder nicht ein rechtsstaatlich hohes Gut, das keinesfalls aufgeweicht werden sollte?

Mit freundlichen Grüßen

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Sehr geehrter Herr Großmann,

vielen Dank für Ihre Zuschrift.

Wir Grüne teilen grundsätzlich den im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Weg, stärkere bundeseinheitliche Vorgaben im Infektionsschutz zu machen. Wir halten den Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung jedoch an mehreren Stellen für dringend nachbesserungsbedürftig.

Aus unserer Sicht braucht es jetzt umfassende Maßnahmen zu denen alle gesellschaftlichen Bereiche ihren Beitrag leisten müssen und ein kohärentes rechtssicheres Vorgehen, um die dritte Welle zu brechen, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern und zahlreiche schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle zu vermeiden.

-Wir fordern eine Testpflicht für Arbeitgeber*innen sowie inzidenzunabhängig die Nutzung von Homeoffice-Möglichkeiten und das verpflichtende Tragen von medizinischen Masken. (Auch Arbeitnehmer*innen sollten aufgefordert werden die Tests anzunehmen.)

-Wir fordern in Schulen ab einem Inzidenzwert von 100 eine Verpflichtung zum Wechselunterricht und zum Tragen einer med. Maske.

-Reduzierung von privaten Kontakten auf den Kontakt von zwei festen Haushalten und Aufhebung der 5 plus 1 Regel

-Kinder unter 14 Jahren können draußen Sport treiben und Zoos besuchen

-Pflicht zur Differenzierung von Geimpften und nicht Geimpften damit es nicht wieder zu einer Isolation der Bewohner von Altenheimen kommt und den verheerenden Folgen

-Die Änderungen im § 28 b bedürfen der Zustimmung des Bundestages

-Um das Eintreten der in § 28 b formulierten Maßnahmen für die Menschen nachvollziehbar und transparent zu machen, müssen die entsprechenden Informationen bundeseinheitlich über ein Portal abrufbar sein.

Es braucht eine Strategie für eine nachhaltige Senkung der Infektionszahlen, die dann nachhaltige Lockerungen ermöglichen. So ist die Konzentration auf die Inzidenz zu eng und sollte durch einen Wert ersetzt werden, der aussagekräftiger für das Infektionsgeschehen und dessen Beherrschung ist.

Wir haben intensiv mit den Koalitionsfraktionen verhandelt und einige Veränderungen gegenüber dem Gesetzentwurf erreicht.

Ich habe mich bei der Abstimmung dennoch enthalten, weil ich erhebliche Bedenken zu den nächtlichen Ausgangsbeschränkungen habe. Viele Juristen*innen haben darauf hingewiesen, dass das nicht verfassungsgemäß ist von der Wirksamkeit ganz abgesehen. Auch für die Akzeptanz sind Regelungen, die nicht logisch oder wirksam erscheinen problematisch. Aus meiner Sicht sind Impfungen der erfolgreichste Weg, um bald mehr Freiheiten und Öffnungen von Geschäften und Gastronomie zu ermöglichen.

Ich hoffe daher, dass bald genügend Impfstoff für alle bereit steht, nicht nur für Risikogruppen. Ansonsten möchte ich alle darin bestärken Hilfen und finanzielle Förderungen in Anspruch zu nehmen, um die schwierige wirtschaftliche Phase durchzustehen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bettina Hoffmann

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