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Bettina Hoffmann
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Frage von Dieter V. •

Frage an Bettina Hoffmann von Dieter V. bezüglich Verteidigung

Sehr geehrte Frau Hofmann,

warum verstossen Sie mit Ihrer Zustimmung zum Afghanistan-einsatz der deutschen Soldaten gegen den Auftrag des Grundgesetzes, dass die Bundeswehr nur zur Verteidigung beruft? (Ggf wäre eine Ausnahme, wenn der Einsatz im Rahmen einer UNO-Mission erfolgt - dies ist aber nicht der Fall).
Die Lehre des zweiten Weltkriegs war, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen darf.
Wieso haben Sie sich von der früheren Linie der Grünen abgewandt, die konsequent gegen JEDEN Einsatz deutscher Soldaten im Ausland war?
Mit freundlichen Grüssen
D. V.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Vogelmann,

vielen Dank für Ihre Frage zu meinem Abstimmungsverhalten bezügliches des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan. Bereits in Ihrer Frage stellen Sie dabei zwei Behauptungen in den Raum, die durch die Rechts- und Faktenlage so nicht gedeckt sind.

Sie schreiben, die Bundeswehr sei durch das Grundgesetz „nur zur Verteidigung berufen“. Dies ist so nicht richtig. Zwar führt Artikel 87a Absatz 1 GG tatsächlich an, dass der Bund Streitkräfte „zur Verteidigung“ aufstellt, jedoch darf der Bund Streitkräfte zur Wahrung des Friedens in Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit einsetzen (Siehe hierzu Artikel 24 Absatz 2 GG und das entsprechende „Out-of-Area-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichtes hierzu BVerfGE 90, 286).

Sie führen dann weiterhin als „Ausnahme“ an, dass ggf. Streitkräfte im Rahmen einer „UNO-Mission“ eingesetzt werden dürften. Tatsächlich erlaubt das Völkerrecht den Einsatz bewaffneter Streitkräfte auch dann, wenn die ausdrückliche Einladung bzw. Zustimmung des Staates, in dem diese eingesetzt werden sollen, vorliegt. Ich möchte Sie hierzu gerne auf Punkt 2 des aktuellen Afghanistan-Mandates (Bundestagsdrucksache 19/26916) verweisen.

Meine Zustimmung zum Bundeswehr-Mandat in Afghanistan verstößt also weder gegen völkerrechtliche noch verfassungsrechtliche Vorgaben. Dennoch habe mir die Entscheidung über den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan nicht leicht gemacht, vor folgendem Hintergrund aber letztlich zugestimmt.

Die afghanische Regierung und Gesellschaft sind weiterhin in besonderem Maße auf internationale Unterstützung angewiesen. Auch eine Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte ist nach wie vor zwingend notwendig, weil die Auseinandersetzung mit den Taliban und anderen aufständischen Gruppen immer noch hohe Opferzahlen gerade unter ihnen fordert. Es ist wichtig, dass die Afghaninnen und Afghanen über die zukünftige Entwicklung ihres Landes selbst bestimmen können. Sollten die internationale Gemeinschaft und die Bundeswehr die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte jetzt abrupt beenden, würde das zweifelsohne zu einer großen Verunsicherung führen, die die langfristige friedvolle Entwicklung des Landes gefährden könnte.

In jedem Fall muss die Bundesregierung endlich alte Fehler des Afghanistan-Engagements angehen. Dazu zählt vor allem das Verhältnis zur Antiterrorpolitik der USA. In den letzten Jahren haben „night raids“ oder zahlreiche Bombardierungen, bei denen auch Zivilistinnen und Zivilisten ums Leben gekommen sind, sehr stark dazu beigetragen, dass ausländische Streitkräfte an vielerlei Orten die Köpfe und Herzen der Afghaninnen und Afghanen verloren haben. Die Bundesregierung muss sich im Rahmen der NATO und gegenüber den USA dafür einsetzen, dass dieses falsche Vorgehen nicht weiter fortgesetzt wird und auch zukünftig nicht der Kern des amerikanischen Engagements bildet.

Der Afghanistan-Einsatz ist der längste und kontroverseste Auslandseinsatz der Bundeswehr, der nicht nur Afghanistan, sondern auch Deutschland geprägt hat. Abertausende Soldatinnen und Soldaten, Polizistinnen und Polizisten, Diplomatinnen und Diplomaten sowie zivile Helferinnen und Helfer haben beim Wiederaufbau mitgeholfen. Ihre Erfahrungen müssen in die wichtige Diskussion, wie die Bundesrepublik sich in Zukunft in Auslandseinsätzen einbringen sollte, einfließen. Die Bundesregierung verweigert sich aber weiterhin einer unabhängigen Evaluierung des deutschen Afghanistan-Engagements. Das ist der Bedeutung dieses Einsatzes völlig unangemessen.

Die Position der legitimen afghanischen Regierung wurde bei den Verhandlungen zwischen der Trump-Regierung und den Taliban nicht berücksichtigt; das muss sich im weiteren Verlauf der Verhandlungen ändern. Insbesondere die afghanischen Frauen müssen stärker einbezogen werden. Das kürzlich beschlossene Gesangsverbot für junge Frauen und Mädchen ab dem 12. Lebensjahr ist ein Kniefall vor den Taliban und lässt leider erahnen, wie sich das Land nach Abzug der internationalen Streitkräfte entwickeln könnte. Gegen diese Entwicklungen gilt es auch weiterhin entschieden einzutreten.

Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie zeitnah darlegt, wie die Zukunft ihrer zivilen Hilfsprogramme fortgesetzt und ausgestaltet werden können. Dies gilt sowohl für den Fall, dass ein Friedenschluss mit den Taliban gelingt als auch für ein Scheitern der Verhandlungen. Verlässliche Zusagen und ein langfristiges Engagement braucht es vor allem im zivilen Bereich – von der Rechtsstaatsförderung bis zur wirtschaftlichen Entwicklung. Schwerpunkt deutscher Entwicklungszusammenarbeit muss es sein, gute Regierungsführung und die Einhaltung der Menschenrechte, insbesondere der Frauenrechte, zu fördern. Gerade für die vielen jungen Menschen in Afghanistan muss Deutschland besonders engagiert bleiben im Bereich Bildung und bei der Beschäftigungsförderung klare Akzente setzen. Diese Mittel an die Rücknahme von Flüchtlingen zu koppeln, ist eine Erpressungspolitik, die wir zurückweisen.

Mit dem Beginn ihres militärischen Engagements hat die internationale Gemeinschaft eine große Verantwortung für die Menschen in Afghanistan übernommen. Dieser Verantwortung gilt es weiterhin gerecht werden. Im Zivilen und, solange notwendig, auch im militärischen Bereich.

Herzliche Grüße

Bettina Hoffmann

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