Frage an Bettina Hoffmann von W.-Andreas L. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Hoffmann,
auf jahrelangen Druck der Direktversicherungsgeschädigten hat die derzeitige Große Koalition im Dezember 2019 das ab 1.1.2020 geltende Beriebsrentenfreibetragsgesetz beschloßen, das einen Betrag von 159,25 € der monatlichen Auszahlungen (bzw. entsprechend der sog. 120er-Regel ) von Betriebsrenten und gleichgestellten Direktversicherungen etc. von einer Verbeitragung durch die GKV ausnimmt.
Mit dieser Kompromissregelung sollte versucht werden, einen aus Sicht von Direktversicherungsgeschädigten seit 2003 zu Unrecht geltenden Eingriff in die zwar über Arbeitgeber abgeschlossene, aber letztlich privat angesparte zusätzliche Altersvorsorge wieder abzumildern. Millionen Rentner haben auf Basis der bei Abschluß geltenden Rechtslage (keine Erhebung von Krankenkassenbeiträgen in der Auszahlungsphase) ihre Alterseinkünfte geplant. In Millionen Fällen hat man somit die Planungen für den Ruhestand zerstört.
Die nochmalige Verbeitragung der Altersvorsorge - insbesondere bei Ansparung aus bereits verbeitragtem Einkommen, oder auch aus über der Beitragsbemessungsgrenze erzieltem Einkommen - war bei Vertragsabschluss nicht vorgesehen. Der - rückwirkende - Eingriff in bestehende Verträge stellt somit auch nach dem Betriebsrentenfreibetragsgesetz noch immer einen Vertrags- und Vertrauensbruch sowie einen ungerechtfertigten Zugriff auf die finanzielle Lebensplanung für den Ruhestand dar, den es dringend abzustellen gilt.
Was gedenken Sie, bzw. Ihre Partei, im Falle einer Wahl zu tun, um diese Ungerechtigkeit binnen einer Legislaturperiode vollständig zu beseitigen?
Sehr geehrter Herr Lamm,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unterliegen seit langem der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Seit dem GKV-Modernisierungsgesetz von 2004 ist allerdings nicht mehr nur der halbe, sondern der volle Beitragssatz zu zahlen. Außerdem ist seitdem jede als Versorgungsbezug zu wertende Kapitalleistung beitragspflichtig, insofern sie auf vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlten Beiträgen beruht. Zahlen ArbeitnehmerInnen in der Anwartschaftsphase die Beiträge für ihre Direktversicherung als betriebliche Altersversorgung selbst, handelt es sich häufig um Zahlungen aus dem Nettoeinkommen. Diese Personengruppe hat ihre Betriebsrente also selbst aus bereits verbeitragtem Einkommen finanziert. Auch in der Auszahlungsphase (Rentenphase) unterliegt die Betriebsrente der Beitragspflicht.
Die aus Sicht vieler Betroffener fairste Lösung wäre eine Regelung, die gezielt diejenigen unterstützt, die vor 2004 einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen und in diesen allein eingezahlt haben. Denn die Betroffenen empfinden die bestehende Regelung zurecht als ungerecht, da sie sich im Glauben an eine dauerhafte Beitragsfreiheit für diese Form der Alterssicherung entschieden haben.
Allerdings fehlt eine ausreichende Datengrundlage, um die betroffenen Personen einwandfrei zu identifizieren. Deshalb haben wir uns zu einem Lösungsvorschlag durchgerungen, der für alle gilt – also auch etwa für diejenigen, die über eine beitragsfreie Entgeltumwandlung vorgesorgt haben, womit eine volle Verbeitragung ihrer Betriebsrenten im Prinzip korrekt wäre. Eine Halbierung des Beitragssatzes würde in diesen Fällen eine eigentlich nicht gerechtfertigte Gewährung eines Vorteils zulasten der Versichertengemeinschaft bedeuten. Trotzdem erkennen wir mit Blick auf das wichtige rentenpolitische Ziel einer Stärkung der betrieblichen Altersversorgung die Notwendigkeit einer Entlastung bei den Krankenversicherungsbeiträgen von BetriebsrentnerInnen an. Da es aber keine trennscharfe, sondern nur eine Generallösung geben kann, die im Übrigen ja auch für die Zukunft gilt, kann diese Lösung nicht so umfangreich ausfallen.
Deshalb haben wir die Einführung des Freibetrags unterstützt. Die entsprechenden Einnahmeausfälle werden den gesetzlichen Krankenkassen aus Steuermitteln ersetzt. Damit werden zielgerichtet Personen mit vergleichsweise kleinen Betriebsrenten entlastet: Mit der Einführung des steuerfinanzierten Freibetrages kommen auch Betriebsrentnerinnen und -rentner mit einer Betriebsrente von beispielsweise 200 Euro in den Genuss einer spürbaren Verringerung ihrer Beitragslast. Es ist uns bewusst, dass diese „kleine Lösung“ sicherlich nach wie vor für diejenigen, die vor 2004 eine Direktversicherung „aus eigener Tasche“ finanziert haben, eine nicht vollständig befriedigende Lösung darstellen mag. Aber in puncto fiskalischer Machbarkeit, sozialpolitischer Zielgenauigkeit und technischer Durchführbarkeit ist dies ein tragfähiger Kompromiss.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bettina Hoffmann