Frage an Bettina Hoffmann von Helga H. bezüglich Soziale Sicherung
• Sehr geehrte Frau Hoffmann,
In einer - von vielen Direktversicherten als „Nacht- und Nebelaktion“ empfundenen - Entscheidung, die anschliessend unter Zeitdruck vor Weihnachten von überrumpelten Abgeordneten zu beschließen war, peitschte Ende 2003 die damalige rot-grüne Koalition unter Billigung von CDU/CSU das Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) durch den Deutschen Bundestag.
Seit 2004 greifen auf dieser Basis die gesetzlichen Krankenkassen in die über Arbeitgeber abgeschlossene private Altersvorsorge ein und kassieren in der Auszahlungsphase an die 20% Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Der Eingriff erfolgte rückwirkend in bestehende Verträge, d.h. die vor Abschluß gültigenden Bedingungen wurden einseitig geändert, die kalkulierten Auszahlungsbeträge galten nicht mehr und mit ihnen die von den Versicherten Jahrzehnte zuvor angestrebte Altersvorsorge.
Auf jahrelangen Druck der Direktversicherungsgeschädigten hat die derzeitige Große Koalition im Dezember 2019 nun das ab 1.1.2020 geltende GKV-BRG beschloßen, das einen Betrag von 159,25 € / Monat vor dem Zugriff der GKV schützt.
Der 2019 beschlossene Kompromiss ist in keiner Weise zufriedenstellend. Millionen Rentner haben auf Basis der damaligen Rechtslage ihre Alterseinkünfte geplant. Das wurde aufgrund der mehrfachen faktischen Kürzungen der gesetzl. Rente nötig, um die von der Politik herbeigeführte Rentenlücke wenigstens ein wenig zu schließen. In Millionen Fällen hat man die Planungen für den Ruhestand zerstört. Hätten die Versicherten das bei Abschluß geahnt, sie hätten niemals über den Betrieb abgeschlossen!
Nun zu meiner Frage:
Werden Sie, wird Ihre Partei, sich nach der Bundestagswahl für eine Beitragsfreiheit der Auszahlungen aus Direktversicherungen und Unterstützungskassen aus laufenden Verträgen einsetzen?
Werden Sie dies vor Ablauf einer Legislaturperiode umsetzen?
Sehr geehrte Frau H.,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unterliegen seit langem der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Seit dem GKV-Modernisierungsgesetz von 2004 ist allerdings nicht mehr nur der halbe, sondern der volle Beitragssatz zu zahlen. Außerdem ist seitdem jede als Versorgungsbezug zu wertende Kapitalleistung beitragspflichtig, insofern sie auf vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlten Beiträgen beruht. Zahlen ArbeitnehmerInnen in der Anwartschaftsphase die Beiträge für ihre Direktversicherung als betriebliche Altersversorgung selbst, handelt es sich häufig um Zahlungen aus dem Nettoeinkommen. Diese Personengruppe hat ihre Betriebsrente also selbst aus bereits verbeitragtem Einkommen finanziert. Auch in der Auszahlungsphase (Rentenphase) unterliegt die Betriebsrente der Beitragspflicht.
Die aus Sicht vieler Betroffener fairste Lösung wäre eine Regelung, die gezielt diejenigen unterstützt, die vor 2004 einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen und in diesen allein eingezahlt haben. Denn die Betroffenen empfinden die bestehende Regelung zurecht als ungerecht, da sie sich im Glauben an eine dauerhafte Beitragsfreiheit für diese Form der Alterssicherung entschieden haben.
Allerdings fehlt eine ausreichende Datengrundlage, um die betroffenen Personen einwandfrei zu identifizieren. Deshalb haben wir uns zu einem Lösungsvorschlag durchgerungen, der für alle gilt – also auch etwa für diejenigen, die über eine beitragsfreie Entgeltumwandlung vorgesorgt haben, womit eine volle Verbeitragung ihrer Betriebsrenten im Prinzip korrekt wäre. Eine Halbierung des Beitragssatzes würde in diesen Fällen eine eigentlich nicht gerechtfertigte Gewährung eines Vorteils zulasten der Versichertengemeinschaft bedeuten. Trotzdem erkennen wir mit Blick auf das wichtige rentenpolitische Ziel einer Stärkung der betrieblichen Altersversorgung die Notwendigkeit einer Entlastung bei den Krankenversicherungsbeiträgen von BetriebsrentnerInnen an. Da es aber keine trennscharfe, sondern nur eine Generallösung geben kann, die im Übrigen ja auch für die Zukunft gilt, kann diese Lösung nicht so umfangreich ausfallen.
Deshalb haben wir die Einführung des Freibetrags unterstützt. Die entsprechenden Einnahmeausfälle werden den gesetzlichen Krankenkassen aus Steuermitteln ersetzt. Damit werden zielgerichtet Personen mit vergleichsweise kleinen Betriebsrenten entlastet: Mit der Einführung des steuerfinanzierten Freibetrages kommen auch Betriebsrentnerinnen und -rentner mit einer Betriebsrente von beispielsweise 200 Euro in den Genuss einer spürbaren Verringerung ihrer Beitragslast. Es ist uns bewusst, dass diese „kleine Lösung“ sicherlich nach wie vor für diejenigen, die vor 2004 eine Direktversicherung „aus eigener Tasche“ finanziert haben, eine nicht vollständig befriedigende Lösung darstellen mag. Aber in puncto fiskalischer Machbarkeit, sozialpolitischer Zielgenauigkeit und technischer Durchführbarkeit ist dies ein tragfähiger Kompromiss.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bettina Hoffmann