Frage an Bettina Hoffmann von Bernd D. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Hoffmann,
die zügige und differenzierte Beratung des Gesetzentwurfs zur Organspende im Ges.ausschuss freut mich sehr! Es wäre mir ein Anliegen, dass auch das Thema der zentralen Registrierung der Entscheidung der Bürger einbezogen würde.
Dieses Thema ist in jedem Fall wichtig, ganz unabhängig davon, ob es eine Entscheidungs- oder eine Widerspruchslösung geben wird! In der Antwort auf meine Frage hierzu präzisierte Frau Baerbock ihren Vorschlag: Bei der Befragung der Bürger durch die Bürgerämter sollen die Bürger Informationsmaterial und einen Code bekommen, mit dem sie am eigenen PC ihren Willen registrieren könne. Außerdem soll für die Hausärzte eine Beratungsziffer Organspende eingeführt werden.
Die beiden Hauptprobleme des Baerbock-Vorschlages werden so nicht gelöst: Es dauert 10 Jahre, bis alle Bürger befragt wurden oder einen Code bekommen haben, und die in Deutschland versicherten ca. 4,5 Mill. Ausländer werden nicht erfasst.
Wäre es nicht besser, die Einrichtung des Registers der Bundesärztekammer zu überlassen und die Eintragung der Patienten in das Register den Hausärzten plus evtl. Facharztinternisten, wobei die Registrierung dann Teil der neuen Beratungsleistung der Ärzte zur Organspende wäre? Ärztekontakte sind häufiger und niedrigschwelliger als Besuche in Bürgerämtern. Außerdem kommen nicht alle Bürger mit dem Internet zurecht.
Wichtig wäre es meiner Meinung nach auch, dass im Falle einer – von mit lebhaft gewünschten -Widerspruchsregelung die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger genauso registriert und respektiert wird wie ein „Nein“, also von Angehörigen nicht verändert werden kann.
Wie ist Ihre Haltung zur zentralen Registrierung und ihren Problemen? Würden Sie eine Behandlung des Themas im Ges.Ausschuss noch vor der Entscheidung über die Widerspruchslösung unterstützen?
Mit freundlichen Grüßen
B. M.
Sehr geehrter Herr Dr. Meyer,
ich zitiere die Antwort von Annalena Baerbock, damit Mitlesende den Kontext verstehen und gehe dann auf Ihre Fragen ein.
„Resultierend aus der geringen Zahl der Organspenden hat die Bundesregierung Ende Oktober 2018 den Gesetzentwurf „Gesetz für bessere Zusammenarbeit und bessere Strukturen bei der Organspende“ (GZSO) vorgelegt. Der Gesetzentwurf enthält viele begrüßenswerte Änderungen. Dazu gehören etwa die Stärkung der Transplantationsbeauftragten in den Kliniken und eine höhere Pauschale aller mit Organspenden entstehenden Kosten für die Entnahmekliniken. Der Gesetzentwurf setzt damit an den entscheidenden Punkten an, die wahrscheinlich für die im internationalen Vergleich geringe Zahl der Organspenden in Deutschland verantwortlich sind.
Neben diesen Vorschlägen hat Bundesgesundheitsminister Spahn außerdem einen eigenen Vorschlag zur Organspende in die Debatte eingebracht. Er spricht sich für die sogenannte Widerspruchsregelung aus. Danach soll jede Person automatisch für eine Spende infrage kommen, solange er oder sie selbst bzw. die Angehörigen nicht ausdrücklich widersprechen.
Doch der Vorschlag der Widerspruchsregelung ist unserer Auffassung nach ein starker Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen. Der Gesetzgeber würde damit für den Einzelnen eine sehr persönliche Entscheidung vorwegnehmen, die dann nur mit aktivem Widerspruch aufgehoben werden kann. Die Selbstbestimmung über den eigenen Körper ist ein zentrales Element menschlicher Würde. Diese würde in den Augen vieler verletzt, wenn der und die Einzelne die eigene Selbstbestimmung im Zweifel nur durch aktiven Widerspruch durchsetzen kann.
Um diesen Bedenken entgegenzukommen und dennoch eine Erhöhung der konkreten Spendenentscheidung zu erreichen, schlagen wir zusammen mit der von Ihnen angesprochenen anderen Abgeordneten-Gruppe eine regelmäßige wiederkehrende Befragung des und der Einzelnen vor, jedoch ohne eine vorherige Festlegung der Entscheidung durch den Staat.
Unser Vorschlag gestaltet sich wie folgt: Wiederkehrende Ausweisbeantragung für Befragung zur Organspende nutzen und Möglichkeit der Online-Eintragung schaffen
Jeder Erwachsene muss spätestens alle zehn Jahre seinen Personalausweis oder Reisepass erneuern. Hier könnte auf Grundlage einer Passreform eingeführt werden, dass jede Person zu diesem Zeitpunkt über ihre grundsätzliche Organspendenbereitschaft wiederkehrend Auskunft gibt. Bei der Ausweisbeantragung erhält der Antragsteller bzw. die Antragstellerin ausführliche und unabhängige Informationen von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) vom Passamt ausgehändigt. Dies ist verbunden mit der Möglichkeit eines persönlichen Gesprächs oder einer Telefonberatung für weitere Fragen durch die BZgA. Selbstverständlich kann die Person auch den Hausarzt bzw. die Hausärztin befragen. Dazu wird eine zeitgebundene Ziffer zur Abrechnung der Aufklärung/Beratung über die Organspende geschaffen. Gleichzeitig wird das Thema Organspende in der ärztlichen Ausbildung gestärkt.
Bei der Ausweisabholung kann sich die Person dann entscheiden und dies vor Ort eintragen: Möchten Sie alle bzw. einzelne Organe spenden, möchten Sie dies explizit nicht bzw. aktuell darüber noch nicht entscheiden oder wer soll im Unglücksfall darüber entscheiden? Sofern die Person Organspender sein möchte oder Angehörige darüber entscheiden sollen, werden die Daten an das zentrale Organspenderegister übermittelt.
Möchte die Person bei der Ausweisabholung keine Angaben machen, erhält sie bzw. er sowie diejenigen, die sich vor Ort entscheiden gleichzeitig einen Zugangscode und separate PIN ausgehändigt, mit der sich die Person jederzeit umentscheiden kann. Diese Zugangsdaten sind dann bis zur nächsten Ausweisbeantragung zehn Jahre gültig.
Für jeden, der in Deutschland einen Wohnsitz hat - um Ihre Frage bzgl. der "EU/Nicht-EU-Bürger*innen" zu beantworten, gilt: Es besteht eine Meldeverpflichtung nach 14 Tagen nach deutschem Melderecht für jeden, der in Deutschland einen Wohnsitz hat. Aber auch hier müssen wir im Gesetzgebungsverfahren schauen, wie wir Anregungen und Bedenken aufnehmen - daher vielen Dank für diesen Aspekt, den Sie in die Debatte eingebracht haben.
Mit unserem Vorschlag zeigen wir einen Weg auf, wie die grundlegende, möglicherweise lebensrettende Entscheidung darüber, was mit den eigenen Organen am Lebensende geschehen soll, regelmäßig und rechtssicher organisiert werden kann und dabei das Selbstbestimmungsrecht sowie die Menschenwürde gewahrt bleibt. Die Entscheidung für oder gegen die Organspende ist wie alles was Leben und Tod betrifft eine sehr individuelle, bei der viele Menschen großen Beratungs- und Informationsbedarf haben.
Wir wollen mit unserem Antrag einen Vorschlag machen, der einerseits mehr schwerkranken Menschen mittels Organspende hilft, andererseits die höchstpersönliche Entscheidung wiederkehrend – da sich die eigene Meinung auch zu dieser Frage im Laufe des Lebens ändern kann – ermöglicht. „Unabhängig und informationsreich.“
Die von Ihnen angesprochenen Punkte können durch den Vorschlag meiner Kolleginnen Annalena Baerbock und Kirsten Kappert-Gonther aufgegriffen werden. Auch Personen, die erst kürzlich einen neuen Personalausweis erhalten haben, könnten jederzeit einen Zugang für das Organspenderegister in einem Meldeamt beantragen. Niemand müsste 10 Jahre warten, um sich in das Organspenderegister eintragen zu können. Damit auch die in Deutschland lebenden Menschen ohne deutschen Pass die Möglichkeit bekommen, sich in das Organspenderegister einzutragen, wenn sie es wollen, könnten auch die Ausländerbehörden für die Beantragung einbezogen werden. Ergänzend sollte sichergestellt werden, dass die Aufklärungsmaterialien der BZgA in verschiedenen Sprachen vorliegen.
Insgesamt werden auf diese Weise sogar mehr Personen erreicht als durch Arztbesuche. Denn nicht alle Menschen gehen regelmäßig zum Arzt. Außerdem kann durch die Andockung des Organspenderegisters an staatliche Stellen vermieden werden, dass es zu Interessenskonflikten kommt. Personen, die nicht mit dem Internet zurechtkommen, können sich direkt vor Ort in den Meldeämtern in das Register eintragen, wenn sie das wollen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bettina Hoffmann