Wie stehen Sie zu der Legalisierung von Cannabis? Da es in Ihrer Partei ja stimmen dagegen gibt! Danke für eine Stellungnahme
Sehr geehrter Herr W.,
vielen Dank für Ihre Frage vom 23. Januar 2024 zu meiner Haltung zur Legalisierung von Cannabis.
Kurz und knapp: Ich stehe seit drei Jahrzehnten klar hinter der Legalisierung von Cannabis wie auch mein SPD-Landesverband in Schleswig-Holstein insgesamt. Schon 1995 hat die schleswig-holsteinische SPD-Sozialministerin Heide Moser im Kabinett von Heide Simonis die damalige Drogenpolitik für gescheitert erklärt und vorgeschlagen, den Verkauf von „weichen Drogen“ wie Cannabis in Apotheken zu erlauben. Damit sollte unter anderem der Kontakt zu Dealern und somit härteren Drogen verringert werden. Leider scheiterten damals sowohl eine Bundesratsinitiative wie auch ein Modellprojekt in Schleswig-Holstein jedoch am politischen Widerstand bzw. an fehlenden politischen Mehrheiten im Bundesrat.
Die Geschichte der Drogenpolitik gibt der leider viel zu früh verstorbenen Heide Moser allerdings uneingeschränkt Recht. Statt eines Rückgangs sehen wir seit Jahrzehnten konstant weiterhin steigende Zahlen an Konsumentinnen und Konsumenten und – vor allem – die gefährliche Ausbreitung sehr viel gefährlicherer synthetischer Drogen unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Der Jugendschutz der Verbotspolitik ist krachend gescheitert. Eine Legalisierung birgt die Chance, den Schwarzmarkt – und somit auch den Zugriff Jugendlicher – einzudämmen. Des Weiteren werden Polizei sowie Justiz entlastet und auch die Konsumenten vor Verunreinigungen und den damit einhergehenden gesundheitlichen Gefahren geschützt. Vor diesem Hintergrund bin ich sehr froh, dass sich die Koalition aus SPD, Grünen und FDP in ihrem Koalitionsvertrag ganz klar auf folgendes verständigt (Seite 78), was in 12 Jahren Großer Koalition mit der CDU/CSU völlig undenkbar gewesen wäre: „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein. Dadurch wird die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet.“
Dass es bei einer derartigen Gesetzesinitiative lautstarke Bedenken geben würde, war vorhersehbar– dazu ist die politische „Front“ in Deutschland seit Jahrzehnten traditionell viel zu sehr verhärtet. Aber ich erinnere mich gut, dass bereits Anfang der 70er Jahre der Drogenkonsum an meinem Gymnasium in Schleswig-Holstein weit verbreitet war und die Berechtigung der Kriminalisierung von Cannabis-Konsumenten ebenso intensiv wie erfolglos diskutiert wurde, als ich 1974 mein Abitur machte. Seitdem hat es unzählige seriöse Studien gegeben, die es als unlogisch belegen, dass wir in Deutschland die stark süchtig machenden Drogen Alkohol und Nikotin als „gesellschaftsfähig“ deklarieren und Cannabis-Konsumenten kriminalisieren. Diese Politik hat den Schwarzmarkt und die Dealer reich gemacht und Konsumenten gefährdet. Es wird Zeit, dem entgegenzuwirken.
Ja, auch zwischen den „Ampel“-Fraktionen hat es Zeit gebraucht, die unterschiedlichen Aspekte der Gesundheits-, Familien- und Innenpolitiker*innen seriös zu diskutieren und zu Kompromissen zu finden: aber das ist am 01. Februar endlich gelungen! Gegenüber dem Regierungsentwurf sieht der Kompromiss jetzt vor, dass die Evaluation der Auswirkungen des Cannabisgesetzes (CanG) auf den Gesundheits- sowie den angestrebten Kinder- und Jugendschutz um die Aspekte Organisierte Kriminalität und Schwarzmarkt-Bekämpfung erweitert wird. Der Kinder- und Jugendschutz soll bereits nach 18 Monaten evaluiert werden und alle weiteren Aspekte nach zwei Jahren. Das Gesetz soll in nun in der Sitzungswoche ab dem 19. Februar im Bundestag in 2./3. Lesung verabschiedet werden und nach unserem Wunsch schon am 01. April in Kraft treten.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht ein Zwei-Säulen-Modell der Legalisierung von Cannabis vor: Säule 1 erlaubt den Eigenanbau zum Eigenkonsum und den nicht-gewerblichen Anbau in Anbauvereinigungen. Säule 2 sieht daran anschließend regionale Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten vor. Mit dem Cannabisgesetz wird die 1. Säule umgesetzt werden. Bei der Umsetzung der zweiten Säule bestehen Bedenken im Hinblick auf die völker- und vor allem europarechtliche Vereinbarkeit – welche die Abgabe und Verbreitung von Cannabis verbietet. Daher wird der Gesetzentwurf zur Umsetzung der zweiten Säule, welcher sich aktuell in Arbeit befindet, der Europäischen Kommission zur Prüfung vorgelegt werden.
Letztlich sind die gesundheitlichen Folgen des Cannabiskonsums erwiesenermaßen nicht gefährlicher als die von Alkohol und Tabak. Vor diesem Hintergrund macht es wenig Sinn, das eine unter Strafe zu stellen, während das andere gesellschaftlich zelebriert wird. Aber: KEINE Droge, egal ob legal oder (noch) illegal, ist harmlos! Vor allem für Jugendliche und junge Erwachsen besteht die Gefahr bleibender Gesundheitsschäden, denn der Konsum kann ihre Hirnstruktur und damit ihr Verhalten ändern – mit gravierenden Auswirkungen auf das Konzentrationsvermögen und Verhalten. Daher möchte ich betonen, dass wir ein besonderes Augenmerk auf den Kinder- und Jugendschutz werfen. Zu den Schutzmaßnahmen zählen unter anderem die strikte Alterskontrolle bei der Weitergabe in Anbauvereinigungen, die Begrenzung des THC-Gehalts für 18 bis 21-Jährige, eine Ausweitung der Präventionsprogramme und Interventionsmaßnahmen, ein Werbeverbot für Anbauvereinigungen, ein Mindestabstand ebenjener zu Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie Spielplätzen und eine Beschränkung des öffentlichen Konsums.
Sehr geehrter Herr. W., ich werde FÜR das Cannabisgesetz votieren, wenn es im Bundestag abgestimmt wird und hoffe, dass ich Ihnen darlegen konnte, wie wir mit der kontrollierten Weitergabe von Cannabis an Erwachsene eine deutliche Verbesserung für Konsumenten sowie vor allem im Kinder- und Jugendschutz erzielen wollen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Bettina Hagedorn